WirtschaftsWoche: Auf den beiden letzten Jahreshauptversammlungen des FC Bayern ging es hoch her wegen des umstrittenen Sponsorings durch Qatar Airways. Hat sich damit etwas verändert?
Alexander Ruscheinsky: Ja, in jedem Fall. Die Wertediskussion hat in Deutschland so viel Schwung angenommen, dass sie auch nicht vor dem großen FC Bayern Halt macht. Die Führungsriege musste lernen, dass die Mitglieder ein klares Mitspracherecht haben und sich Gehör verschaffen und damit Einfluss nehmen. Jahrzehntelang gab es nur das Ziel nationale und internationale Titel, ohne Schulden zu machen und dabei sogar noch wirtschaftlich zu wachsen. Da kann mit Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge & Co rückblickend auch keiner mithalten. Zukünftig aber reicht das nicht mehr.
Worauf kommt es an?
Diversität, Anti-Diskriminierung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind laufende, sich ständig verändernde Prozesse, mit denen sich eine Institution, die so medial omnipräsent ist und damit einen Großteil ihrer Einnahmen erzielt, professionell auseinandersetzen muss. Wir sind hier mittendrin und nicht am Ende. Es gilt hier von Seiten der Bayern nicht aufzuholen, sondern zu überholen.
Zur Person
Alexander Ruscheinsky ist Inhaber der Autohofkette 24-Autohöfe und engagiertes Mitglied des FC Bayern München.
Die zurückgekehrten „neuen Alten“ um Hoeneß und Rummenigge haben derzeit schon Probleme mit dem Kerngeschäft, nämlich einen vollständigen Kader ins Rennen zu schicken. Trauen Sie das dem Management wirklich zu?
Man hat erkannt, dass man was tun muss. Erste Änderungen, wie mehr Diskussion mit den unzufriedenen Mitgliedern und die Terminierung der nächsten Jahreshauptversammlung im November zur Mittagszeit sind erste positive Reaktionen. Das ermöglicht einem größeren Kreis an Mitgliedern die Teilnahme und verschafft uns mehr Zeit zum Diskutieren. Jetzt müssen die Granden aber noch erkennen, dass sie für die Transformation selbst keine Glaubwürdigkeit besitzen.
Wie meinen Sie das?
Ich meine das gar nicht negativ. Hoeneß, Rummenigge & Co sind Menschen, die sich ausschließlich rund um die Uhr, Tag und Nacht, dem Fußball und dem Erfolg verschrieben haben und viele Hürden zu überwinden hatten. Die können niemals mehr zum Transformationsguru mutieren. Was immer sie tun, wird den Beigeschmack von „Social Washing“ haben. Dabei steckt in der Transformation ein enormes Potenzial mit Alleinstellungsmerkmal auf europäischer Ebene.
Wie soll das gehen?
Zuerst muss ein Fachbereich aufgebaut werden mit den besten Experten, die wiederum ihr Kompetenznetzwerk haben. Diese erarbeiten ein innovatives Zukunftsprogramm inklusive der Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien und sind als Fachleute auch nach außen, medial und gegenüber den Fans, viel versierter und trittsicherer. Damit erhielte der FC Bayern München ein zeitgerechtes, deutlich aufgewertetes Image.
Mit so einem Programm, dem mit Beratern von McKinsey erarbeiteten Strategieprogramm „FC Bayern AHEAD“, ging der geschasste Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn baden...
Ein Fehler war, dass das „Mia san Mia“, das Familiäre, darin nicht vorkam. Dabei ist das gerade das Alleinstellungsmerkmal des FC Bayern – und die Chance, sich von den anderen europäischen Top-Clubs abzuheben. Die führenden Clubs Englands, Real Madrid, der FC Barcelona und Paris Saint-Germain haben alle viel mehr Geld zur Verfügung als der FC Bayern. Investoren aus den arabischen Ländern oder den USA pumpen Milliarden in die Clubs oder sind skrupellos beim Schuldenmachen. Damit verbunden ist ein kaum reparables schlechtes Image. Beim FC Bayern haben „Familie“ und „Herz“ immer eine Rolle gespielt. Viele enorm wichtige Spieler sind nur deshalb zum FC Bayern gekommen, und vor allem Hoeneß hat sie väterlich gehätschelt und leistungsstark gemacht. „Social Responsibility“ passt zum FC Bayern München und differenziert international.
Wie soll das reichen, um mit den Milliarden der Scheichs und Oligarchen auf Dauer mitzuhalten?
Unternehmen, die diesen Wandel vollzogen haben, erfahren regelmäßig eine meist überraschende, deutlich höhere Bewertung, die kurz-, mittel- und langfristig zu mehr Mittelzufluss führt. Die ehrliche Story eines verantwortungsbewussten, nachhaltig denkenden und sympathischen Erfolgsclubs erfährt weltweit mehr Aufmerksamkeit, Identifikation, Vertrauen und Leidenschaft. Das führt zu einer höheren Nachfrage auf allen Ebenen – und zu höheren Einnahmen. Beispielsweise generiert man völlig neue, im Zeitgeist profitabel agierende Partner und Sponsoren, den Verkauf ganz anderer Storeprodukte sowie global höhere Trikotverkäufe. Zudem ist vielen jungen Menschen Nachhaltigkeit ein grundsätzliches Anliegen. Sowohl für die Nachwuchsmannschaften, als auch im Profibereich würde ein konsequentes Handeln den Verein automatisch für einige Spieler deutlich attraktiver machen und für den endgültigen Transfer ausschlaggebend sein.
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