Güterbahn DB Cargo Warum Lokführer so viel Taxi fahren

DB Cargo Quelle: imago images

Seit Jahren kämpft die Deutsche Bahn mit operativen Problemen bei DB Cargo. Das Missmanagement sorgt inzwischen für steigende Reiseausgaben der Lokführer. Dieses heikle Detail könnte der Bahn Probleme bereiten.

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Kürzlich soll es sich bei der Güterbahn DB Cargo in etwa so abgespielt haben: Ein Lokführer der Deutschen Bahn muss einen Güterzug in Rotterdam abholen. Eilige Ladung, Termindruck. Der Lokführer fährt daher von Emmerich in Nordrhein-Westfalen ins knapp 140 Kilometer entfernte Rotterdam mit dem Taxi. Geschätzte Kosten für die Chauffeurtour nach Holland: mehrere Hundert Euro. Dumm nur, dass der Zug ab Rotterdam gar nicht zur Verfügung stand. Per Taxi ging es wieder zurück.

Anekdoten aus dem Innenleben der Güterbahn der Deutschen Bahn erzählen Insider so oder so ähnlich immer wieder. Fehlerhafte Prozesse und mangelnde Produktivität bei DB Cargo sind seit Jahren ein Problem der Sparte. Die Lokführer fahren unterm Strich weniger als die Hälfte ihrer Arbeitszeit Zug – ohne selbst daran schuld zu sein. Das Management bekommt die Defizite nicht in den Griff.

Symbolhaft dafür stehen die steigenden Taxikosten der Mitarbeiter. Die Ausgaben für Chauffeurfahrten lagen nach Information der WirtschaftsWoche im Jahr 2017 bei 5,4 Millionen Euro – ein Plus von einer Million Euro im Vergleich zum Jahr 2013. Höher waren die Ausgaben seitdem nur im Jahr 2015. Die Deutsche Bahn wollte die Zahlen nicht kommentieren.

Gründe für die Transportkosten per Auto sind vielfältig. Mitunter halten Güterzüge einfach dort, wo gerade kein Lokführer zur Verfügung steht. Auch unkoordinierte Schichtpläne sollen ursächlich sein. Mitunter kommt ein Güterzug auch viel zu spät, so dass der Arbeitstag eines Lokführers schon wieder vorbei ist. Immer wieder müssen Lokführer dann von einem Ort zum anderen gefahren werden. Anders als im Personenverkehr mit einem Taktfahrplan fahren Güterzüge oft zu unterschiedlichen Zeiten ab. Das macht die Personalplanung besonders komplex. Bevor ein Güterzug mit wertvoller Ladung einfach so herum steht, lassen sich dann auch teure Taxifahrten rechtfertigen.

Die Güterbahn der Deutschen Bahn steht bald vor einer möglicherweise historischen Zäsur. Derzeit läuft eine intensive Debatte über die Zukunft der Güterbahn, im Fokus steht der Einzelwagenverkehr (EV). Bei dem EV wird ein Güterzug über komplexe Rangiermanöver aus mehreren Einzelwagen zusammengestellt. Das Geschäftssegment steht für rund ein Drittel des Gesamtumsatzes bei DB Cargo in Höhe von rund 4,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr.

Ein internes Gutachten bescheinigt dem EV-Segment eine desolate Leistung, es sei „seit Jahren defizitär“. Die Experten empfehlen der Deutschen Bahn als Ausweg aus dem Dilemma zwei Szenarien: Entweder müsse der Staat den Einzelwagenverkehr fördern oder DB Cargo müsse sich auf einen „wirtschaftlichen Kern“ fokussieren – und damit wohl Personal abbauen.

Das Management von DB Cargo bekommt die operativen Probleme seit Jahren nicht in den Griff. Der Fuhrpark ist veraltet, die Prozesse sind vielfach analog, die Einsatzpläne der Mitarbeiter teils unabgestimmt. Innerhalb von zehn Jahren wurden die Chefs vier Mal ausgetauscht. Geholfen hat all das wenig. Auch in diesem Jahr haben die Lokführer in nur rund 35 Prozent ihrer tatsächlichen Arbeitszeit einen Güterzug gesteuert. Interne Auswertungen, die der WirtschaftsWoche vorliegen, zeigen, dass die Werte im ersten Halbjahr 2019 nicht nur unter Plan liegen, sondern auch unter Vorjahresniveau.

Die Politik will in den kommenden Wochen entscheiden, ob der Einzelwagenverkehr überhaupt noch eine Zukunft hat – und wenn ja, welche. Die Defizite jedenfalls summieren sich seit Jahren auf immer neue Rekordwerte. Das „kalkulatorische Segmentergebnis“ erhöhte sich von einem Verlust in Höhe von 98 Millionen Euro im Jahr 2014 auf ein Minus von 211 Millionen Euro im Jahr 2018. Das zeigen interne Dokumente für den Aufsichtsrat.

Die Frage ist allerdings, ob solche Zahlen wirklich zutreffend sind. Da sich die große Koalition auf die Fahne geschrieben hat, eine Lösung für den Einzelwagenverkehr von DB Cargo zu finden, ist es auch opportun, die Probleme möglichst groß aussehen zu lassen – um gegebenenfalls staatliche Subventionen zu akquirieren. Denn, auch das ist eine Botschaft des Expertengutachtens für die Deutsche Bahn, sei der EV ja „wichtig“ für die deutsche Wirtschaft und ein „Rückgrat des europäischen Schienengüterverkehrs“. Ergo: Die Zukunft des EV ist eine nationale Aufgabe.

Details über steigende Taxikosten kommen daher zur Unzeit, zeigen sie doch, dass viele Probleme offenbar hausgemacht sind. Besonders problematisch läuft es derzeit offenbar in dem Güterkorridor Mitte – einem der drei Geschäftsbereiche von DB Cargo. Dort lag der Fahranteil fünf Prozentpunkte unter dem Ziel.

Mitarbeiter hatten bereits Ende 2018 auf die Probleme von DB Cargo hingewiesen. In einem Brief an den Konzernvorstand bemängelten sie, dass die Umläufe der Züge nicht funktionieren würden. Außerdem sind viele Wagen und Loks kaputt. Es gebe „erhebliche Ersatzteilmängel“, schrieben sie in dem Brief. Auch dazu liegen neue Zahlen vor: Es gebe mehr als 5000 kaputte Güterwagen, heißt es in einem Reporting von DB Cargo für das erste halbe Jahr 2019 – weit über Plan.

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