Japanischer Investor steigt bei Tier ein Haben Sie keine Angst vor Softbank, Herr Leuschner?

Lawrence Leuschner hat den E-Scooter-Verleiher Tier 2018 mitgegründet und leitet das Start-up heute als CEO. Quelle: imago images

Der E-Scooter-Verleiher Tier schließt eine einträgliche Finanzierungsrunde ab. Und gewinnt einen umstrittenen Investor: Softbank. Tier-CEO Lawrence Leuschner erklärt, was mit dem Geld passiert und warum Tier so interessant für Softbank ist.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

WirtschaftsWoche: Herr Leuschner, Sie haben heute den Abschluss einer Finanzierungsrunde bekanntgegeben. Tier erhält 250 Millionen US-Dollar. Im Vergleich zu den vorigen Runden ein sehr beachtlicher Betrag – mit einem prominenten, neuen Investor: Softbank. Warum können Sie sich gerade jetzt über so viel Kapital freuen? Die Pandemie trifft ja auch E-Scooter-Verleiher wie Sie.
Lawrence Leuschner: Trotzdem müssen wir langfristig denken. Wir wollen uns nicht hinter der US-Konkurrenz einreihen. Sondern einen deutschen und europäischen „Winner“ aufbauen. Das Angebot der Investoren rund um Softbank war sehr gut, wir haben uns sehr professionell mit ihnen verstanden. Sie denken fünf bis zehn Jahre in die Zukunft – so wie wir auch. Ganz aktuell macht uns auch die News zu einem Durchbruch bei der Impfstoffsuche Mut. Und selbst während des ersten Lockdowns konnten wir als einziger Anbieter den Betrieb aufrechthalten, weil unsere Kosten so niedrig sind.

Wieso sind die so niedrig?
Wir arbeiten mit austauschbaren Batterien. Wir müssen also nicht mit Transportern in die Stadt fahren, die Scooter einsammeln, sie dann in einer Halle am Stadtrand mehrere Stunden aufladen und sie am Ende vollgeladen in den frühen Morgenstunden wieder aufstellen. Wir tauschen die Batterien einfach auf der Straße aus. Dank der geringen Kosten können wir seit Juni profitabel arbeiten und sind klarer Marktführer in Europa.

Den Titel machen Ihnen gerne andere Anbieter streitig, bezeichnen sich auch als „Marktführer“ oder „führender Anbieter“.
Wir tracken die Daten der Wettbewerber ganz gut. Diese decken sich auch mit unabhängigen externen Quellen. Wir führen in allen Kategorien in Europa: Anzahl der Fahrzeuge, App-Downloads, aktive Nutzer und Anzahl der Städte.

Verfügt denn schon jeder Tier-Scooter über eine herausnehmbare Batterie?
Global gesehen haben mehr als 95 Prozent unserer Scooter austauschbare Akkus – auch hier sind wir führend. Im nächsten Schritt bauen wir ein Ladenetzwerk auf.

Eine Powerbox von Tier, die die austauschbaren Akkus auflädt. Und bald in einigen Geschäften stehen soll. Quelle: Tier Mobility

Wie soll das funktionieren?
Der Nutzer hat die Möglichkeit, Akkus selbst zu wechseln und bekommt dafür Freifahrten. Die leere Batterie bringt er in Lebensmittelgeschäfte, Cafés oder andere Partnerstandorte. Dort steht eine Ladebox von uns, in die er den leeren Akku steckt und sich im Gegenzug einen vollen mitnimmt. Das hat in einem Pilotprojekt wunderbar funktioniert, die Kosten können wir so signifikant reduzieren. Und der Händler hat auch etwas davon, wenn der Nutzer den Laden betritt und vielleicht noch etwas einkauft.

Und Sie verhandeln gerade mit Einzelhändlern oder Gastronomen?
Genau, die Gespräche laufen. Mehr kann ich noch nicht sagen.

Funktioniert das nicht nur in Metropolen, in denen genügend Läden verfügbar sind? Sie sind ja auch in deutlich kleineren Städten wie Herford und Hildesheim aktiv.
Nein, nein. Der Test hat gezeigt, dass es auch in kleineren Städten funktioniert. Ab Dezember geht es los. Für das Ladenetz nehmen wir noch ein Darlehen auf, zusätzlich zur jüngsten Finanzierungsrunde.

Ganz schön viel Geld. Brauchen Sie bald überhaupt noch weitere Finanzierungsrunden? Profitabel arbeiten Sie ja laut eigener Aussage schon.
Wir werden das Geld jetzt erst einmal einsetzen, um mit den Scootern und dem Ladenetz einen Beitrag für die Verkehrswende zu leisten. Aktuell sind wir aber tatsächlich gut versorgt (lacht) und denken nicht über die nächste Finanzierung nach.

Im vergangenen Jahr warben Sie noch mit dem Einstieg von Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg. Schon länger investiert ist ein Staatsfonds aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Mubadala Investment Company mit Sitz in Abu Dhabi. Nun stößt das japanische Softbank mit seinem nicht unumstrittenen Vision Fund 2 hinzu. Wie kam es dazu?
Nico Rosberg ist nur ein sehr kleiner Investor, der unterstützend agiert. Also eher ein Business-Angel. Wir haben mittlerweile Investoren aus 14 europäischen Ländern. Wir müssen jetzt einfach größer denken. Und brauchen dafür noch größere Investoren. Mit Softbank hatten wir schon im Zeitraum der letzten Finanzierungsrunde Ende des vergangenen Jahres gesprochen. Jetzt kamen sie wieder auf uns zu, weil sie gesehen haben, dass wir der europäische Marktführer sind. In den Gesprächen haben wir gemerkt, dass auch Softbank eine langfristige Vision hat – und deshalb gut zu uns passt.

Softbank führt die jüngste Finanzierungsrunde an. Wie groß ist der Beitrag des japanischen Investors genau?
Details kann ich nicht nennen. Aber auch unsere bestehenden Investoren haben wieder einen signifikanten Teil beigesteuert.

Haben Sie Angst vor Softbank? Immerhin haben einige Investments der Japaner gar nicht funktioniert. Der Einstieg beim Büroraumvermittler WeWork wurde zum Debakel.
Nein, Angst vor Softbank haben wir natürlich nicht. Es geht uns einfach darum, was wir mit dem Geld alles machen können.


Das interessiert WiWo-Leser heute besonders


Douglas ist kein Einzelfall

So schummels sich Ikea, Karstadt & Co. am Lockdown vorbei


„Doppelt so lang schwätzen, halb so viel verdienen“

Warum VW-Händler keine E-Autos verkaufen wollen


Curevac-Gründer Ingmar Hoerr

„Ich dachte, der KGB hätte mich entführt“


Was heute wichtig ist, lesen Sie hier



Das könnten Sie etwa in neue Verkehrsmittel investieren. Sie haben nach der Übernahme des Geschäfts von Coup auch E-Mopeds im Programm. Wir kommen die an? Und wie wäre es jetzt mit neuen Verkehrsmitteln?
Die Mopeds werden sehr gut angenommen. Wir schauen uns auch neue Fahrzeugkategorien an.

Etwa Fahrräder? Die hat ja zum Beispiel Konkurrent Lime ganz groß im Angebot.
Genau, wie gesagt: Wir schauen uns neue Fahrzeugkategorien und auch neue Märkte an. Ich kann allerdings nicht sagen, welche das sind.

Die US-Unternehmen Bird und Lime haben schon ähnlich große Finanzierungsrunden hinter sich. Lime hat in einer Finanzierungsrunde 2019 mehr als 300 Millionen US-Dollar eingenommen. Geht der Konkurrenzkampf jetzt so richtig los?
In Europa sind Bird und Lime weit hinter uns. Wir wollen jetzt ein globaler Leader werden. Und die umfassenden Finanzierungsrunden, die Sie angesprochen haben, liegen auch schon einige Zeit zurück. Aktuell sind wir sehr gut mit Kapital ausgestattet, müssen das Vertrauen jetzt zurückzahlen – und einfach abliefern.

Mehr zum Thema: Die Pandemie trifft auch E-Scooter-Verleiher hart. Exklusive Zahlen versprechen einen harten Winter.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%