Lufthansa und der A320neo Wie ein Triebwerk die Lufthansa ins Chaos stürzt

A320neo der Lufthansa Quelle: imago images

Die Lufthansa kämpft weiter mit Verspätungen und Flugabsagen. Schuld daran sind auch anhaltende Probleme mit dem neuen A320neo und seinen unzuverlässigen Motoren. Und jetzt könnte es noch schlimmer kommen.

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Selten war Lufthansa-Chef Carsten Spohr so demütig. „Es ist unbestritten, dass wir als Lufthansa daran einen großen Anteil haben“, sagte der 50-Jährige vor wenigen Tagen zerknirscht auf dem Sommerfest des Konzerns über den Rekord an Flugausfällen und Absagen.

Auf mehr als 10.000 gestrichene oder stark verspätete Flüge kam die Lufthansa in diesem Jahr bislang. Offiziell suchte die Linie die Schuld vor allem bei schlechtem Wetter und Streiks. Nun gestand der Manager ein, dass sich der Konzern beim Eingliedern des Ex-Rivalen Air Berlin übernommen hat. „Die Lufthansa-Gruppe arbeitet in einem 110-Prozent-Modus. Mancher wird sagen, in einem 120-Prozent-Modus“, so Spohr. Doch gleich ergänzte er: „Es ist ein gemeinsames Problem der Branche – über uns Airlines hinaus.“

Besonders stört den Manager mit dem Pilotenschein der Beitrag eines Geschäftspartners, der bei den Mitschuldigen zuvor noch nicht auftauchte: Airbus. Dessen Mittelstreckenjets A320neo (neo steht kurz für New Engine Option) funktioniert gut zweieinhalb Jahre nach der Einführung der neuen Motoren nicht wie versprochen. Wegen der anhaltenden technischen Probleme konnten in diesem Jahr mehrere tausend Flüge nicht wie geplant starten.

Die Probleme begannen bereits bei den ersten Auslieferungen der A320neos Ende 2015: Die Motoren mussten bis zu fünf Minuten vorgekühlt werden bevor sie erneut gestartet werden konnten. Später folgten Schwierigkeiten mit Öldichtungen, erhöhten Vibrationen und anderen Komponenten wie dem Hochdruckverdichter. Gleichzeitig kam der Triebwerkhersteller Pratt & Whitney mit der Produktion nicht nach, weil die nötigen Veränderungen schwerer umzusetzen waren als erwartet.

Dass die Pannen bis heute nicht wirklich unter Kontrolle sind, trifft Lufthansa nun auf zweierlei Weise.

So hat Airbus der Linie in diesem Jahr mangels Motoren rund zehn Maschinen weniger geliefert als zugesagt. Diese Flieger hatte Spohr vor allem für zusätzliche Flüge eingeplant oder als Ersatz, wenn ein anderer Jet eine Panne hat. Ohne sie bleibt den Flugplanern häufig nur die Wahl zwischen langen Verspätungen oder vollständiger Absage.

Zwar konnte die Lufthansa einen Teil dieser Lücke schließen, weil sie ein paar ältere Airbus-Maschinen länger als geplant betrieben hat. Doch unterm Strich fehlt dem Konzern eine Handvoll Jets.

Fast noch mehr als der Mangel schmerzt die Lufthansa, dass die gelieferten Jets weniger zuverlässig fliegen als zugesagt. Weil die Motoren pannenanfälliger sind, kommen Lufthansa-Neos nur auf die Hälfte der sonst üblichen 16 Einsatzstunden pro Tag. Statt zu fliegen und Geld zu verdienen, müssen sie in die Wartung. „Damit die Maschinen überhaupt abheben können, gehen sie nun immer öfter auch über Nacht in die Werft“, sagt ein Lufthansa-Mitarbeiter. Trotzdem ist nicht immer sicher, dass sie bis zum Morgen fertig werden. „Wenn ein Ersatzteil oder ein Mitarbeiter fehlen, wird es eng“, so der Insider.

Zwar hält die Lufthansa-Planung nach den vielen Pannen am Anfang des Jahres eine Einsatzreserve aus mehreren Jets vor. Die springt ein, wenn im Laufe des Tages ein Flieger Probleme bekommt. „Doch die war mehrmals bei unter null, weil über Nacht mehr Flugzeuge nicht fertig wurden als die Reserve groß war“, so der Insider. „Dann mussten wir sogar gleich morgens Flüge mangels Flugzeug streichen.“

Triebwerk-Probleme bei der Lufthansa: Es könnte noch schlimmer kommen

Das Problem könnte sogar noch größer werden. Dafür sorgt, dass die Motoren der A320neos nicht nur anfälliger sind, sondern wegen stärkerer Vibrationen auch schneller verschleißen. Normalerweise nehmen Airlines die Antriebe eines Kurzstreckenjets nach sechs Jahren vom Flügel und montieren einen Ersatzmotor. „Die Neo-Antriebe müssen in der Regel nach sechs Monaten runter“, so der Insider.

Der Knackpunkt: Alle auf Vorrat gekauften Notfall-Antriebe der Linie sind seit Mitte August im Einsatz. „Wenn ich mich recht erinnere, ist das das erste Mal, dass wir einen Flugzeugtyp betreiben ohne einen Reservemotor zu haben“, sagt Lufthansa-Chef Spohr.

Daran wird sich erstmal wenig ändern. Es gibt bei anderen Anbietern praktisch keine Reservemotoren, die Lufthansa kaufen oder mieten könnte. Wegen der technischen Probleme stellte Pratt & Whitney im Frühjahr monatelang gar keine Antriebe her. Und was derzeit aus den Fabriken rollt, geht bevorzugt an Airbus. Wegen der Motoren-Probleme drängen sich auf den Werksflughäfen in Hamburg und Toulouse immer noch rund 70 ansonsten fertig montierte Maschinen. Einige von denen warten schon so lange auf den Antrieb, dass die Scheiben abgeklebt waren. Das sollte verhindern, dass im Rekordsommer die Dauer-Sonne nicht die Einrichtung ausbleichte.

Zwar bietet Airbus als Alternative zu den Pratt-Antrieben eine Turbine des US-Technikgiganten General Electric an. Doch der GE-Motor ist nur mit großen Umbauten an einem Pratt-Jet anzubringen – und hat überdies eigene technische Probleme.
Der Neo-Mangel trifft die Lufthansa hart. „Wir werden deshalb mindestens ein Prozent weniger wachsen als geplant“, so Lufthansa-Finanzvorstand Ulrik Svensson. Trifft diese Befürchtung zu, wären es angesichts der gut 1,1 Millionen Flüge des Konzerns im vorigen Jahr rechnerisch mehr als 11.000 Verbindungen und 150 Millionen Euro Umsatz weniger als vorgesehen.

Das geringste Problem daran ist für Lufthansa noch das Geld. „Es wird eine Kompensation von Airbus geben“, sagte Svensson, auch wenn die Höhe erst feststehe, wenn die Probleme mal gelöst sind. Dazu hat Lufthansa zur Überbrückung jüngst bereits knapp eine Handvoll älterer A320 gekauft. Zu günstigen Konditionen, sagen Insider.

Mehr schmerzt Spohr, dass die zusätzlichen Flugabsagen den Ruf der Lufthansa weiter beschädigen.

Es ist nicht absehbar, wie lange das Problem anhält. „Nach unseren Gesprächen mit dem Hersteller erwarten wir keine rasche Abhilfe“, so Spohr auf einer internen Versammlung. „Bis mindestens zum November werden wir da wohl noch auf uns allein gestellt sein.“

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