Mehr Hausmüll Entsorger kämpfen wegen Corona mit überquellenden Mülltonnen

Auch eine Folge des Coronavirus: Die Mülltonnen quellen vielerorts über. Quelle: imago images

In einigen Städten kommt die Müllabfuhr kaum noch hinterher: Weil mehr Menschen zu Hause sind, steigen die Mengen an Restmüll oder Bioabfällen. Doch die gesamte Abfallmenge könnte durch das Coronavirus sogar sinken.

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Der Entsorger Schönemackers warnte die Bürger in Kempen schon früh: „Wenn alle zu Hause bleiben, steigt auch das tägliche Abfallvolumen“, wandte sich das Unternehmen Ende März an seine Kunden. Und bat diese darum, von „nicht notwendigen Entrümpelungsaktion“ abzusehen, damit die Entsorgung auch weiter funktioniere. Außerdem sollten die Bürger ihre Mülltonnen schon früher rausstellen als sonst üblich. Denn weil die Mitarbeiter nun in zeitversetzten Schichten arbeiten, kommt auch die Müllabfuhr früher.

So wie Schönemackers stehen aktuell Entsorger in der ganzen Bundesrepublik vor ungewohnten Herausforderungen. Sie müssen ihre Mitarbeiter vor der Gefahr durch das Coronavirus schützen und kämpfen gleichzeitig mit überquellenden Mülltonnen. Weil die Menschen mehr Zeit zu Hause verbringen, mehr einkaufen, kochen, online bestellen oder mehr im Garten arbeiten, fällt auch mehr Abfall an.

„Beim Haushaltsmüll beobachten wir leicht steigende Mengen“, sagt Eric Rehbock, Geschäftsführer des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse), der private Entsorger vertritt. Und bei Deutschlands größtem Entsorger Remondis heißt es: „Die Mengen an Hausmüll und Verpackungen steigen natürlich, wenn viele Menschen zu Hause sind“, so Geschäftsführer Herwart Wilms.

Bei dem Verpackungsmüll in der gelben Tonne oder dem gelben Sack zeige sich die Entwicklung zwar noch nicht so deutlich, berichtet der bvse. Doch vor allem die Restmülltonnen seien voller als zu dieser Jahreszeit üblich. Auch der Bioabfall nehme in einigen Regionen zu, berichtet der norddeutsche Entsorger Nehlsen. „Jeder, der einen Garten hat, nutzt die Zeit und schneidet dort Grünzeug“, sagt Nehlsen-Manager Lutz Siewek.

In einigen Städten führt das schon zu Problemen, die Mülltonnen quellen über. Die meisten Müllabfuhren halten sich weiter an ihre angekündigten Abholungstermine, nur wenige können angesichts des Coronavirus Extraschichten einlegen. Gleichzeitig fehlen den Bürgern auch einige Möglichkeiten, ihren Müll zu entsorgen. „Viele Kommunen haben ihre Wertstoffhöfe geschlossen“, kritisiert Rehbock vom bvse. „Dadurch sind die Entsorgungsmöglichkeiten der privaten Haushalte teilweise eingeschränkt“, sagt er. Viele Bürger entsorgen Grünschnitt oder Bauschutt deshalb illegal in öffentlichen Mülltonnen, oder stopfen diese Abfälle einfach in die Restmülltonne.

Zwar gilt angesichts der Schutzmaßnahmen vor dem Coronavirus zwar, dass auch Wertstoffhöfe nur dann angefahren werden sollten, wenn es nicht zwingend notwendig ist. Eine gesetzliche Pflicht, die Recyclinghöfe zu schließen, gibt es jedoch nicht. Viele private Wertstoffhöfe seien weiter geöffnet, sagt Rehbock. Nur hilft das nur den Bürgern, die auch in der Reichweite einer geöffneten Entsorgungsstätte wohnen. Die ersten Städte öffnen deshalb ihre Wertstoffhöfe bereits wieder.

Doch anders als die privaten Haushalte produzieren Unternehmen aktuell weniger Abfälle. Viele große Industrieunternehmen haben ihre Produktion deutlich reduziert. „Die Betriebe werden heruntergefahren, gastronomische Abfälle gehen zurück. In Summe sinkt die Abfallmenge deshalb“, sagt etwa Lutz Siewek vom Entsorger Nehlsen. Insbesondere das Aufkommen aus den Bereichen Hotel und Gastronomie sei „auf Null gesetzt“, heißt es beim Verband bvse.

Und für die deutschen Abfallberge ist die Wirtschaft der entscheidende Faktor. 2017 lag das Abfallaufkommen in Deutschland bei 412 Millionen Tonnen – nur 13 Prozent davon waren Siedlungsabfälle, berichtet das Statistische Bundesamt. Mehr als die Hälfte der gesamten Müllmenge sind Bauabfälle, die restlichen Abfälle stammen aus Bergbau, Industrie und Gewerbe. Wenn die Konjunktur einbricht, sinken deshalb auch die Abfallmengen in Deutschland. Das zeigte sich auch schon in der Finanzkrise: Im Jahr 2009 fielen in Deutschland nur 322 Millionen Tonnen Müll an, fast sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Seitdem sind die Abfallmengen fast jedes Jahr wieder angestiegen – auch die Siedlungsabfälle.

Eine gute Nachricht gibt es jedoch: Im Verhältnis zur Entwicklung der Wirtschaftsleistung produzieren die Deutschen weniger Müll. Die Unternehmen sind also weniger abfallintensiv, sie sparen Abfälle in ihrer Produktion und ihren Geschäften ein. Nur eben nicht genug, als dass die Müllmengen auch bei Wirtschaftswachstum sinken würden. Das wird wohl auch das Coronavirus nicht ändern.

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