Weltweite Pleitewelle denkbar So bedrohlich ist die Coronakrise für Taxis weltweit

Taxis warten am Flughafen Berlin-Tegel auf Fahrgäste. Quelle: dpa

London bangt um seine ikonischen schwarzen Cabs, in New York steht die Zukunft der fahrenden gelben Wahrzeichen auf dem Spiel. Und auch in Deutschland gibt es jetzt schon deutlich weniger beige Limousinen zur Fahrgastbeförderung. Für Taxiunternehmer stehen in der Coronakrise keine Hilfsgelder bereit, obwohl ihr Umsatz um bis zu 80 Prozent einbricht.

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Adil Habib (Name von der Redaktion geändert) wartet vor seinem Taxi am Düsseldorfer Hauptbahnhof. Seit Stunden. Den ganzen Tag lang beförderte er nur zwei Fahrgäste. Für ihn ist immerhin ein Ende des langen Wartens in Sicht – denn er hat sein Taxi verkauft. „Zum Glück schon vor der Krise“, sagt der Familienvater. Habib plant, mit einem Computer-Notdienst neu zu starten. In ein paar Tagen steht die Übergabe des Taxis an. Dass der Käufer droht, zurückzutreten, sorgt ihn nicht sonders: „Das kann er gern tun – denn die Anzahlung behalte ich auf alle Fälle.“

Taxiunternehmer sind die übersehenen Notleidenden der Coronakrise. Die Fahrten sind in der Stadt bis zu 80 Prozent eingebrochen, Krankenfahrten kompensieren den Ausfall nicht im Ansatz. Manche Fahrer übernachten an den Flughäfen, um vorne in der Schlange zu stehen und wenigstens eine Fahrt am Morgen sicher zu ergattern. Wenn Restaurants geschlossen bleiben, Messen virtuell stattfinden und die meisten Menschen auf Reisen in Bus und Bahn pandemiebedingt verzichten, gibt es kaum Bedarf für Taxifahrten. 

Die Taxikrise herrscht weltweit. In Epping, einem Vorort von London, stehen zweihundert der ikonischen schwarzen Taxis der britischen Hauptstadt Stoßstange an Stoßstange in einem Feld geparkt – die Fahrer haben die gemieteten Wagen einfach an ihre Verleihfirma zurückgegeben – und die hat in ihren Garagen keinen Platz für so viele still stehende Limousinen. „Feld der geplatzten Träume“, nennt das der Generalsekretär des Verbandes lizensierter Taxifahrer, Steve McNamara, gegenüber der New York Times. „Es ist fürchterlich, und es wird noch schlimmer.“ Aktuell fährt auf Londons Straßen nur ein Fünftel der normalen Flotte, 3500 Autos bleiben seit Juni geparkt. 

Epping Forest in Essex, Großbritannien: 200 ungenutzte Taxis stehen auf einem Farmgelände. Quelle: AP

Verpflichtet zu fahren

Die Alternative, ihr Taxi einfach zu parken und auf bessere Zeiten zu hoffen, haben deutsche Taxiunternehmer nicht. Laut Personenbeförderungsgesetz sind sie verpflichtet, ihre Taxis dem öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung zu stellen – ganz egal, was kommt. Gleichzeitig sind die meisten Taxis auf Kredit gekauft. Im zweiten Lockdown aber stunden die Finanziers die Zahlungen nicht. Im Frühling hatten sie noch erlaubt, dass die Tilgung ausgesetzt und ans Ende des Vertrags angehängt wird. Entsprechend geht Taxibesitzern das Geld langsam, aber sicher aus. Wenn drei Ratenzahlungen ausstehen, droht die Pfändung des Autos. Der Bundesverband Taxi und Mietwagen warnt, dass bis Ende 2021 12.000 Taxiunternehmen insolvent werden könnten – das wäre ein knappes Viertel aller deutschen Taxiunternehmen. Damit würden 80.000 von insgesamt 250.000 Arbeitsplätzen für Taxifahrer in Deutschland wegfallen.

Selbstmord aus Verzweifelung

In New York ist die Lage der Yellow Cabs sogar noch prekärer. Die dort typischen gelben Taxis machen wegen der Konkurrenz von den privaten fahrdiensten Uber und Lyft eine besonders dramatische Krise mit. Der Wert für eine Taxilizenz fiel vom Allzeithoch von 1,3 Millionen Dollar in 2014 auf zuletzt weniger als 130.000 Dollar. Schon vor Corona verdienten die Fahrer bei durchschnittlich 17 Fahrten pro Tag kaum genug, um ihre Schulden zu bedienen.

„Die Schulden erdrücken die Fahrer“, sagte der Unternehmer Mihir Dange gegenüber der „New York Post“ – aus Verzweiflung über ihre finanzielle Ausweglosigkeit hatten einige Fahrer Selbstmord begangen. Dange entwickelt die App Wapanda, die die Yellow Cabs im Wettbewerb gegen Uber und Lyft unterstützen soll.

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Aktuell überlegt die Stadt New York, einen Mindestwert für Taxikonzessionen bei 250.000 Dollar festzulegen und für alle Schulden der Taxifahrer, die darüber hinausgehen, aufzukommen. Damit könnten die Finanzierungskosten der Taxifahrer von aktuell zwischen 3000 und 4000 Dollar auf etwa 1100 Dollar gedrückt werden.

In Deutschland fallen die Taxiunternehmer zwischen alle Hilfsprogramme – sie dürfen keine sogenannte „Novemberhilfe“ in Anspruch nehmen, weil ihr Geschäftsbetrieb ja nicht untersagt ist. Sie gelten nicht als Zulieferbetrieb eines Restaurants, denn der Beförderungsvertrag wird ja nicht mit einem Restaurant geschlossen, sondern mit einem Restaurantbesucher. Auch die Überbrückungshilfen gelten nicht, weil Taxifahrer selten einen Mietzins schulden, sondern eben einen Kreditzins.

„Wir haben uns an das Wirtschaftsministerium in Düsseldorf gewendet“, sagt Hoog, „Doch es kam nur ein Einzeiler zurück, dass man sich nicht um Einzelbranchen kümmern könne.“ Einzig das Bundesland Baden-Würtemberg hat eine eigene Regelung speziell für Taxifahrer und Schausteller gefunden, durch die diese Gewerbe seit Ende September einen speziellen Tilgungszuschuss als Förderung bekommen. 

Michael Much betreibt in Bad Tölz Deutschlands einziges Autohaus, dass sich auf den Handel mit zulassungsfertigen Taxi-Gebrauchtwagen spezialisiert. Sein Geschäft könnte theoretisch brummen – er erhält mehr als 80 Prozent mehr Angebote, Taxis zu kaufen, als normal. „Klar gibt es Schnäppchen“, sagt Much, „aber auch wir finden weniger Abnehmer und können uns den Hof auch nicht voller Autos stellen.“ 

Die Preise für komplette Taxiunternehmen sind entsprechend in den Keller gefallen: „Es gibt wesentlich mehr Verkäufer als Käufer – die Preise sind auf die Hälfte abgestürzt“, sagt Michael Hoog, Geschäftsführer des Taxiverbands NRW. Ohne Käufer kein Verkauf – den meisten Unternehmern bleibt nichts anderes übrig, als ihre Konzession stillzulegen. Allein in Düsseldorf wurden in diesem Jahr seit Beginn der Coronapandemie schon 159 Fahrzeuge von der Betriebspflicht befreit – das sind schon 15 Prozent der Flotte von 1270 Taxis.


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Sorge vor den Weihnachtstagen

Much betreibt selbst auch ein Taxiunternehmen – sein Urgroßvater gründete den Fahrbetrieb 1886 mit einer Lohnkutscherei. Statt eines normalen Umsatzes von rund 250 Euro am Tag fährt jedes Fahrzeug jetzt nur 60 bis 70 Euro ein. Besonders herbe wird der Ausfall an den Weihnachtsfeiertagen und Neujahr, den sonst umsatzträchtigsten Tagen des Jahres mit bis 400 Euro. Normalerweise sind dann sieben bis acht Fahrer die ganze Nacht im Einsatz. Nicht so in diesem Jahr – nur wer Glück hat, darf fahren: „Wir setzen zwei Fahrer für einen Notdienst ein“.

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