Auch Printverlage wie Burda erhöhen unterjährig ihre Anzeigenpreise. Es ist Zeichen eines neuen Selbstbewusstseins der Verlage und des Wertes der Printwerbung für ihre Werbekunden. Die Reaktionen darauf könnten unterschiedlicher kaum sein: sie reichen von Verständnis bis hin zur offenen Drohung der Mediaagenturen, eine Abkehr von Print ins Spiel zu bringen. Doch Erpressung hat im Geschäft zwischen Werbungtreibenden und Medien nichts zu suchen. Es geht um Werbewirkung und welchen Preis der Werbemarkt dafür zu zahlen bereit ist.
Große Werbungtreibende und ihre Agenturen, ausgestattet mit Werbebudgets in dreistelliger Millionenhöhe, sahen sich gegenüber den Medien stets in einer für sie günstigen Machtposition – und erleben nun auf schmerzhafte Weise das Gesetz von Angebot und Nachfrage.
Geiz wieder geil?
Die Werbungtreibenden stehen vor Bergen ungelöster Probleme. Doch in jeder Situation gibt es bekanntlich Gewinner und Profiteure. Wenn Auslöser des erneuten Absinkens des Konsumklimas die sprunghaft steigende Sparneigung der Deutschen ist, müssten nicht neue Kampagnen entstehen wie die damalige „Geiz ist geil“-Kampagne? Wo bleibt Werbung für deutsche Sparer? Welche Unternehmen zeigen, dass sie das jüngste Bedürfnis der VerbraucherInnen verstanden haben?
Stephan Grünewald vom Institut Rheingold schrieb für WirtschaftsWoche ein Essay mit der Überschrift „Weck den Spar-taner in dir!“: „Im kommenden Herbst und Winter werden die weggehaltenen Probleme rund um die Gasversorgung und Inflation mit großer Wucht den Alltag der Deutschen bestimmen. Die meisten werden sich einschränken und eine Art Spar- oder Entbehrungsstolz entwickeln.“ Aber auch: „Der kommende Winter friert die Handlungsmöglichkeiten der Bürger nicht ein, sondern schafft Raum für beherztes Anpacken und Selbstwirksamkeit – und birgt die Chance, über sich hinauszuwachsen.“ Klarer kann man eine Aufforderung an die Werber kaum formulieren, das Thema Sparen aktiv in der Kommunikation aufzugreifen.
Werben als wäre nichts geschehen
Ausgerechnet von den Geldinstituten ist in dieser Situation nicht viel zu erwarten. Adscanner veröffentlicht täglich bei DWDL eine Liste der Unternehmen mit höchstem TV-Werbedruck und den meisten Werbespot-Ausstrahlungen pro Tag. Darunter befinden sich seit Wochen Lidl und Aldi, Carglass sowie Parship und Immobilien Scout24. Und zuletzt auch Saturn: „Der Einzelhändler stellt zur Zeit seine ‚Technik gegen die Inflation‘ in den Fokus seiner Kampagne.“ Immerhin.
Banken finden sich in den Listen keine. Deutsche Bank oder Commerzbank sind werblich abgetaucht. Die Sparkassen finden sich regelmäßig in den TV-Werbeblöcken, weichen dem Thema Geldanlage mit „Weil’s um mehr als Geld geht“ auch keinesfalls aus, reden aber dann über Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Die Volksbanken Raiffeisenbanken und Targobank werben, als wäre nichts geschehen.
Am ehesten greifen somit Saturn („Inflationsausgleich“, „Die beste Technik gegen Inflation“) und Lidl die Themen Inflation und Sparen auf. Dass Lidl jedoch in seinen UK-Filialen bestimmte Produkte mit Diebstahlsicherungen versieht oder Non-Food-Artikel im Zusammenhang mit der Inflation aus dem Sortiment nimmt, gehört zu den Signalen, die eher nicht zur Selbstwirksamkeit zählen, die Stephan Grünewald meint.
„Geiz ist geil“ gelang es 2002 ein viel diskutiertes Zeitgeist-Thema zum Inhalt einer erfolgreichen Kampagne zu machen. Davon ist zwanzig Jahre später nichts zu sehen. Die Werber vergeben eine weitere Chance, von ihren Zielgruppen ernst und wahrgenommen zu werden.
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