Adidas-CEO Gulden in Erklärungsnot Alles Yeezy

Björn Gulden, Vorstandsvorsitzender Adidas, bei einem Podiumsgespräch auf der Branchenkonferenz SpoBis. Quelle: dpa

Auf dem Papier lesen sich die Adidas-Zahlen besser als erwartet. Doch es gibt gute Gründe für den Kurseinbruch.

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Noch am Mittwochnachmittag fällt es Adidas-Chef Björn Gulden leicht, sein Publikum für sich einzunehmen. Neben DFB-Präsident Bernd Neuendorf sitzt er auf einer Bühne im Kongresszentrum Hamburg. Eine Podiumsdiskussion, Thema: „Die Bedeutung der Uefa EURO 2024 für den Standort Deutschland“.

Als der Moderator mit Verweis auf seine weißen Turnschuhe sagt, er habe sich für diese Moderation extra die neutralsten Schuhe rausgesucht, die er kriegen konnte und sei trotzdem von Gulden „gedisst“, worden – offenbar, weil es keine Adidas-Schuhe sind – entgegnet Gulden trocken: „Ich war 13 Jahre bei Deichmann. Ich kenne diese Schuhe.“ Die Zuschauer im Saal lachen und applaudieren wie bei einer Comedyshow.

Günstiger Einmaleffekt

Keine zwei Stunden später ist Gulden in anderer Sache auf Sendung – doch diesmal verfangen seine Aussagen ganz und gar nicht. Da kommuniziert sein Konzern vorläufige Geschäftsergebnisse für das Jahr 2023 und einen ersten Ausblick auf das laufende Jahr. Der Umsatz verringerte sich um rund fünf Prozent auf 21,4 Milliarden Euro; währungsbereinigt stagnierte der Umsatz. Auch das zuvor prognostizierte negative Betriebsergebnis von rund 100 Millionen Euro konnte Adidas im Geschäftsjahr 2023 vermeiden; stattdessen erwirtschaftete das Unternehmen ein Betriebsergebnis in Höhe von 268 Millionen Euro. Und Gulden gibt sich dennoch reumütig: „Natürlich wissen wir, dass unsere Finanzergebnisse nicht gut sind“, wird er in der Mitteilung zitiert.

Seinem Börsenpublikum aber genügt die Reue nicht: Um mehr als acht Prozent gibt die Adidas-Aktie nach der Veröffentlichung zwischenzeitlich nach.

Denn die unerwarteten schwarzen Zahlen verdankt Adidas zum Großteil dem Abverkauf der Restbestände von Yeezy: jenen Turnschuhen (und wenigen Kleidungsstücken), die in Kooperation mit dem umstrittenen US-Rapper Ye entstanden. Von ihm hatte sich Adidas im Oktober 2022 nach antisemitischen Äußerungen getrennt und den Verkauf der Yeezy-Produkte zwischenzeitlich pausiert. Beim Start des Abverkaufs der Yeezy-Lagerbestände im Mai 2023 hatte Adidas verkündet, einen Teil des Gewinns zu spenden. Die Yeezy-Abverkäufe 2023 trugen immerhin 750 Millionen Euro zum Umsatz bei, teilt Adidas mit. Im Jahr 2022 hatte Yeezy noch 1,2 Milliarden Euro umgesetzt.

Den übrig gebliebenen Rest der Yeezy-Kollektion will Adidas im laufenden Jahr zumindest kostendeckend verkaufen, also ohne Einfluss auf das Betriebsergebnis. Doch Beobachtern ist damit klar: Einen Verlust konnte Adidas 2023 nur deshalb vermeiden, weil die Schuhe der eigentlich untragbar gewordenen Kollaboration besser verkauften, als erwartet. Dass Fans der Marke Yeezy das toxische und antisemitische Verhalten ihres kreativen Schöpfers offenbar egal ist, kann Adidas nicht beeinflussen. Man nimmt es wohl hin. Das positive Betriebsergebnis 2023 ist also ein überraschend begünstigender Einmaleffekt, auf den das Unternehmen 2024 kaum bauen kann.

Adidas konnte den Umsatz 2023 überraschenderweise halten. Damit hat der Konzern alle Erwartungen übertroffen Was Rapper Kanye West und seine „Yeezy“ - Schuhe damit zu tun haben.

Aber warum sackt die Adidas-Aktie trotzdem ab? Immerhin verhinderte Adidas doch ein negatives Betriebsergebnis. Die Antwort gibt Adidas selbst mit dem Vergleich mit 2022: In jenem Jahr wies Adidas ein Betriebsergebnis in Höhe von 669 Millionen Euro aus – und das, obwohl die besagte Gelddruckmaschine Yeezy im Oktober 2022 vorerst abgestellt wurde. Da erscheint der überraschend positive Betrag 2023 recht gerupft.

„Welt voller Unsicherheiten“

Zum anderen wird Anlegern an der Börse der Ausblick von Adidas nicht gut genug erscheinen. Für das laufende Jahr stellt Adidas einen währungsbereinigten Umsatzanstieg von etwa fünf Prozent in Aussicht („im mittleren einstelligen Prozentbereich“). Der Betriebsgewinn soll in diesem Jahr auf rund 500 Millionen Euro steigen – „trotz keinerlei Gewinnbeitrag von Yeezy, der beträchtlichen ungünstigen Währungseffekte, der anhaltenden Herausforderungen in Nordamerika, unserer fortgesetzten Investitionen in Marketing und Vertrieb und einer Welt voller Unsicherheiten“, wie Gulden zitiert wird.

Das Jahr 2024 wird für Adidas „unfassbar wichtig“, kommentiert Gulden in Hamburg auf der Kongressbühne. Denn im Sommer stehen mit der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und den anschließenden Olympischen Sommerspielen in Paris zwei sportliche Großereignisse an. Da müsse Adidas „sichtbar sein, auf Performance setzen, um eine positive Welle zu schaffen“. Das Fußballturnier sei das wirtschaftlich bedeutendere, sagt Gulden. Denn Olympia generiere keine Trikotverkäufe. Bei der Fußball-EM komme es hingegen stark darauf an, wie weit die von Adidas ausgestatteten Mannschaften im Turnier kommen. Je nach Qualifikationsverlauf stattet Adidas mindestens sieben Teams bei der EM aus, natürlich inklusive Deutschland. Die DFB-Mannschaft wird ihr Quartier auch auf dem Adidas-Campus in Herzogenaurach beziehen.

Guldens Deutschland-Wette

Und worauf er unabhängig vom Turnierverlauf setzt: „Nach dem Turnier kommt eine Welle von Kids in die Vereine, die anfangen Fußball zu spielen.“ Dafür, so hofft es Gulden, benötigen sie natürlich neue Ausrüstung. Ähnliche Effekte könnte auch eine Olympia-Begeisterung auslösen. Entsprechend analysiert der Vorstandschef die Umsatz-Entwicklung im laufenden Geschäftsjahr. „Für 2024 erwarten wir, dass sich die Umsätze zu Jahresbeginn zunächst auf dem Vorjahresniveau bewegen, sich dann aber von Quartal zu Quartal verbessern werden“, sagt Gulden laut der Mitteilung.

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Damit diese Prognose eintritt, wäre es nicht schlecht, wenn die deutsche Mannschaft nicht wieder in der Vorrunde ausscheidet. Gulden gibt sich in Hamburg optimistisch: Die EM werde „ein Volksfest wie 2006, vielleicht sogar besser“. Und die DFB-Elf? „Ich wette eine sehr teure Flasche Wein, dass Deutschland ins Halbfinale kommt.“

Lesen Sie auch, warum Adidas-Chef Björn Gulden zuletzt die Verantwortung für die Marke selbst übernahm

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