Amazon Quartalszahlen Rekordgewinne reichen nicht mehr

Quelle: REUTERS

Amazon scheffelt Rekordprofit, nicht nur wegen seiner Goldgrube mit dem Vermieten von Datenzentren. Warum Analysten trotzdem enttäuscht sind und die Aktie unter Druck gerät.

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Genau genommen ist Amazon derzeit ein Technologie-Dienstleister, der seine einstige Keimzelle – den Handel mit Büchern und mittlerweile allem, was sich versenden lässt – als zwar gigantisches, aber wenig lukratives Hobby betreibt. Im vergangenen Geschäftsjahr entsprang der gesamte 4,3 Milliarden Dollar Betriebsgewinn des Konzerns aus Seattle aus seiner Amazon Web Services Sparte. Mit dem Vermieten von Internet-Rechenleistung beutet Amazon eine schier unerschöpfliche Goldgrube aus, während es bei seinem 160 Milliarden Dollar Umsatz im Online-Handel im vergangenen Jahr etwa 200 Millionen Dollar verlor.

Was für Apple die iPhones sind, ist bei Amazon die von Andy Jassy geführte AWS-Sparte. Die erste Zahl, auf die Analysten bei Amazon schauen, ist deshalb die Wachstumsrate im Geschäft mit dem Vermieten von Online-Rechenkraft und Speicherkapazität. So war es auch am Donnerstagnachmittag, als Amazon die Zahlen für das dritte Quartal bekannt gab.

Zunächst das große Bild: Insgesamt setzte der Konzern im dritten Quartal 56,5 Milliarden Dollar um – 13 Milliarden Dollar mehr als im dritten Quartal 2017. Aber rund eine halbe Milliarde Dollar weniger als von Analysten erwartet.

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Dafür machte der Profit einen gewaltigen Sprung – von damals relativ mickrigen 256 Millionen Dollar auf nunmehr 2,9 Milliarden Dollar. Das ist mehr als zehnmal so viel. Das Gros davon stammt von AWS.
Doch Sorge liegt im Detail. Das Geschäft mit Infrastruktur und Diensten für Cloud-Computing ist heiß umkämpft und Amazon als Branchenprimus unter ständiger Attacke von Konkurrenten wie Microsoft, Google und IBM. Alphabet – Googles Mutterkonzern – nimmt für sich in Anspruch, derzeit der am stärksten wachsende Dienstleister für Cloud-Computing zu sein. Bei Microsoft ist Cloud-Computing ebenfalls der wichtigste Wachstumstreiber. Wobei Microsoft im Gegensatz zu Amazon und Google eine Hybrid-Strategie betreibt, bei der das IT-Unternehmen zusätzlich Datenzentren von Konzernen in deren Auftrag betreibt.

Die gute Nachricht für Amazon Aktionäre: Das Wachstum im Gesamtmarkt ist offenbar so stark, dass Amazon das Gerangel bislang nichts ausmacht. Im dritten Quartal setzte AWS 6,6 Milliarden Dollar um, gegenüber 4,5 Milliarden Dollar im Vorjahrsquartal. Die jährliche Wachstumsrate von damals 42 Prozent erhöhte sich sogar auf 46 Prozent. Der Wermutstropfen: Im zweiten Quartal lag die Wachstumsrate gar bei 49 Prozent. Doch das Trostpflaster ist, dass das Geschäft trotz der reichlichen Konkurrenz noch lukrativer für Amazon geworden ist. Die 31 Prozent hohe Marge ist die beste seit 2014 und steuerte 2,1 Milliarden Dollar zum Betriebsgewinn bei. „Es ist im Wesentlichen die bessere Effizienz unserer Datenzentren“, erklärt Amazon Finanzchef Brian Olsavsky.

Die eigentliche Überraschung der aktuellen Quartalszahlen ist Amazons „teures Hobby“ – das Handelsgeschäft. Zwar verliert Amazon außerhalb Nordamerikas damit weiterhin Geld, bei einem Umsatz von 15,5 Milliarden Dollar rund 385 Millionen Dollar. Doch in Nordamerika gelang es, den Betriebsgewinn bei einem Umsatz von 34,3 Milliarden Dollar auf stattliche zwei Milliarden Dollar zu steigern; etwa das Zwanzigfache vom dritten Quartal 2017. Das liegt unter anderem an den Umsätzen und Profiten der Edel-Supermarktkette Whole Foods, die Amazon im vergangenen Jahr erwarb. Inbegriffen sind auch die Verkäufe von Abos für Lieferdienste und Musik.

Das demonstriert, dass Amazons Online-Handelssparte zumindest in Nordamerika das Image als wenig lukratives Hobby abstreifen und künftig eine verlässliche Profitquelle sein kann. Und so Amazon Web Services zur Seite springen kann, wenn der Wachstumsquell dort mal dünner sprudeln sollte.
Hinzu kommt, dass Amazon inzwischen stärker seine Online-Anzeigensparte ausbaut, mit wesentlich lukrativeren Margen als dem Handel. Laut dem Marktforschungsunternehmen eMarketer wollen Anzeigenkunden in Nordamerika in diesem Jahr rund 4,6 Milliarden Dollar auf Amazon investieren. Somit würde sich Amazon als Nummer 3 hinter Facebook und Google einreihen.

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Dass die Amazon-Aktie trotzdem im nachbörslichen Handel um bis zu acht Prozent nachgab, liegt am gerade begonnenen Weihnachtsgeschäft, das Amazon-Finanzchef Olsavsky zwar mit einem Wachstum zwischen 10 und 20 Prozent als „stark“ erwartet.
Doch das ist schwächer als in den Vorjahren. Die Analysten waren von über 20 Prozent ausgegangen. Dass die Amazon-Aktie trotz Rekordprofit nach Börsenschluss verlor, liegt auch daran, dass Technologieaktien nach den großen Zuwächsen der vergangenen Jahre generell unter Druck geraten sind.
In den vergangenen vier Jahren hat sich die Amazon-Aktie mehr als vervierfacht, der Börsenwert liegt derzeit bei 869 Milliarden Dollar. Alphabet hat sich im gleichen Zeitraum in etwa verdoppelt, Apple hat um das 2,5-Fache zugelegt und Facebook hat seinen Wert verdreifacht. Demnach wäre Amazon bei einer Korrektur besonders betroffen. Doch bekanntlich folgt die Börse rationalen Aspekten nur bedingt.

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