Bonus für Impfung Warum eine Firma ihren Mitarbeitern 5000 Euro Impfprämie zahlt

2500 Euro pro Schuss: Böttcher Büromarkt setzt klare monetäre Anreize für die Belegschaft, sich impfen zu lassen. (Symbolbild) Quelle: Getty Images

Ein Unternehmen aus Thüringen bietet seinen Mitarbeiter einen in Deutschland wohl einzigartigen Impfanreiz: eine Prämie in Höhe von 5000 Euro. Vorstand Danilo Frasiak sagt, warum die Firma nicht auf die Politik warten will – und sich das Geld leisten kann.

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Böttcher Büromarkt aus Jena ist führender B2B-Versandhändler für Bürobedarf. Das Unternehmen verkauft nach eigenen Angaben 150.000 Artikel wie Drucker, Displays, Stühle, Schreibtischutensilien, aber auch Masken und Schnelltests direkt an Firmen. Umsatz 2020: 500 Millionen Euro. In diesem Jahr soll er auf bis zu 570 Millionen Euro steigen. Dem Homeoffice-Boom während der Coronapandemie sei Dank. Die Gewinne setzt der Händler jetzt auf ungewöhnliche Weise ein. Jedem geimpften Mitarbeiter bietet er 5000 Euro Prämie. Danilo Frasiak, einer von drei Böttcher-Vorständen, erklärt im Interview mit der WirtschaftsWoche, warum die Mitarbeiter diesen Anreiz offenbar nötig haben, ob das Unternehmen damit auch eine politische Botschaft aussenden möchte und wie er auf die nun eingeführte 3G-Regel für Unternehmen blickt.

WirtschaftsWoche: Herr Frasiak, wie viele Ihrer 550 Mitarbeiter sind geimpft?
Danilo Frasiak: Darüber haben wir aktuell keinen genauen Überblick. Diese Information durften wir ja bisher nicht einholen. Wir gehen aber davon aus, dass es eine ähnliche Größenordnung ist wie in Thüringen insgesamt, also etwas über 60 Prozent. Das ist natürlich viel zu wenig.

Deswegen haben Sie als Unternehmen zu einer in Deutschland wohl einmaligen Maßnahme gegriffen: 5000 Euro Prämie für jeden Mitarbeiter, der bis zum 14. Januar 2022 vollständig geimpft ist. Wie hat die Belegschaft reagiert?
Der eine oder andere hat erstmal nachgefragt, ob wir eine Null zu viel drangeschrieben haben. Die Mitarbeiter freuen sich natürlich. Diejenigen, die schon geimpft sind, haben ganz leichtes Spiel und müssen einfach nur ihren Nachweis einreichen. Und man merkt, dass bei allen anderen noch mal ein Ruck reinkommt. Manche haben sich nun bereits impfen lassen.

Der Betriebswirt Danilo Frasiak, 47, leitet die Böttcher AG seit April 2019 gemeinsam mit zwei Vorstandskollegen. Quelle: Böttcher AG

Machen bis Januar alle 550 Mitarbeiter mit, kostet die Firma das 2,75 Millionen Euro. Sie haben während der Pandemie sehr gut verdient. Hätten Sie das auch gemacht, wenn Sie nicht so vom Homeoffice-Boom, der Nachfrage nach Bürostühlen, Bildschirmen und Tastaturen, profitiert hätten?
Das ist eine sehr spekulative Frage, dazu kann ich wenig sagen. Uns geht es vielmehr darum: Wir haben ein unbedingtes Interesse, dass die Mitarbeiter gesund sind. Jetzt zum Jahresende ist die Nachfrage am höchsten, die Mannschaft muss vollständig an Bord sein. Die steigenden Fallzahlen beschäftigen uns natürlich. Eine hohe Zahl von Ausfällen in der Belegschaft wäre für uns ein unkalkulierbares Geschäftsrisiko.

Sie locken auch sonst mit vielen Benefits. In Stellenausschreibungen werben Sie mit VIP-Tickets für RB Leipzig, Gratisangeboten und durchschnittlich 18.250 Euro Gewinnbeteiligung pro Mitarbeiter. Finden Sie anders am Standort Jena keine Mitarbeiter?
Wir sind die letzten Jahre deutlich überproportional gewachsen. Das ist unserem Geschäftsmodell geschuldet, der E-Commerce wächst seit 20 Jahren immer überproportional. Unser Wachstum wollen wir natürlich beibehalten. Dafür brauchen wir gutes Personal. Um das zu bekommen, wollen wir geeigneten Kandidaten natürlich Alleinstellungsmerkmale anbieten.

Wollen Sie mit der Impfprämie auch eine politische Botschaft senden?
Nicht direkt, aber wir haben eben festgestellt, dass die politischen Antworten keinerlei Wirkung entfalten. Und wir können gerade jetzt zum Weihnachtsgeschäft nicht warten, dass politisch etwas passiert. Deswegen haben wir gesagt, wir müssen selber handeln und für unsere Mitarbeiter eine Motivation schaffen.

Welche Maßnahmen hätten Sie denn von der Politik erwartet?
Ich hätte mir gewünscht, dass viel früher und viel stärker Anreize gesetzt worden wären, als es jetzt der Fall ist. Herr Wiehler vom RKI hat erst vor kurzem wieder gesagt: Die Modelle waren im Sommer alle da. Wenn man damals reagiert und Anreize geschaffen hätte, würden wir heute nicht da stehen, wo wir stehen. Man sieht‘s ja in Portugal oder Italien: jeweils deutlich höhere Impfquote – und deutlich geringere Inzidenzen.

Thüringen hat die dritthöchste Inzidenz in Deutschland. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Die südlichen Bundesländer Bayern, Sachsen und Thüringen sind schon ein bisschen hintendran. Die Überzeugung, sich impfen zu lassen, ist gegenüber anderen Ländern nicht so durchgedrungen. Aber ich habe nicht den Eindruck, hier wurde so viel anders gemacht.

Finden Sie es richtig, dass die epidemische Notlage auslaufen wird?
Das ist eher ein psychologischer Effekt, dass das jetzt nicht mehr so genannt wird. An den Möglichkeiten der Maßnahmen ändert sich ja nichts. Wichtig ist, dass viele sehen, wie ernst die Lage wieder ist und Impfen hilft und notwendig ist. Die Kliniken laufen wieder voll. Ministerpräsident Ramelow hat gestern mitgeteilt, dass Thüringen schon Patienten in andere Bundesländer verlegen muss.

Befürworten Sie eine Impfpflicht?
Nein, keine allgemeine. Jeder sollte eigenverantwortlich für sich entscheiden, außer in bestimmten Bereichen wie der Pflege und der Medizin, weil da die Risiken einfach höher sind. Ich fand in den letzten Wochen kritisch, dass es in Pflegeheimen Ausbrüche aufgrund von ungeimpftem Personal gab, die am Ende zu Todesfällen geführt haben. Pfleger und Mediziner haben eine besondere Verantwortung für das Leben.

Akzeptieren, begrüßen Ihre Mitarbeiter die 3G-Regel für Unternehmen, die nun gilt?
Sie sind aktuell noch nicht so darüber informiert. Die Voraussetzungen für die 3G-Regel zu schaffen, bedeutet natürlich noch mal einen sehr hohen Aufwand für uns. Wir müssen kontrollieren, wer geimpft ist und wer getestet. Wir testen in der Firma so viel wie noch nie. Das alles müssen wir in die Abläufe integrieren, und das im Weihnachtsgeschäft.

Mehr zum Thema: Aus Angst vor dem Stimmverhalten der Impfgegner hat die Politik wertvolle Zeit verloren. Und die Idee eines Exinnenministers wurde sträflich ignoriert.

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