Flugliniensubventionen Eine weitere Farce aus Brüssel

Hohles Zeichen - Demonstration in Rom gegen das Subventionsverbot für Alitalia Quelle: AP

Mit der Alitalia-Beihilfe hat die EU erneut eine staatliche Zahlung für eine Fluglinie gekippt. Doch auch wenn die Linie das Geld zurückzahlen muss, wird das wenig ändern. Schon gar nicht für die Lufthansahilfen.

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Wenn sich die italienische Fluggesellschaft Alitalia um eines nie Sorgen machen musste, dann um die Hilfen des italienischen Staats. So sehr sich bei der Linie auch die Milliardenverluste häuften dank ihrer teilweise abenteuerlichen Arbeitsweise mit hanebüchenen Privilegien für die Belegschaft: die Regierung in Rom zahlte die Zeche.

Das ist jetzt offenbar anders. Denn heute urteilten die Wettbewerbshüter der EU-Kommission, die Linie habe rechtswidrige staatliche Beihilfen in Höhe von 900 Millionen Euro erhalten. Italien müsse das Geld daher zuzüglich Zinsen von Alitalia zurückfordern, teilte die Brüsseler Behörde am Freitag mit. So könne zur Wiederherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen in der europäischen Luftverkehrsbranche beigetragen werden, sagte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.  Bei den beanstandeten Hilfen gehe es um Zahlungen aus der Zeit vor der Coronakrise, mit denen Alitalia seinen Betrieb habe aufrechterhalten können. Dem Unternehmen sei im Mai 2017 ein Darlehen in Höhe von 600 Millionen Euro und einige Monate später ein weiteres Darlehen in Höhe von 300 Millionen gewährt worden.

Auf den ersten Blick könnte das Urteil dramatische Folgen haben. Denn die Linie kann angesichts ihrer hohen Verluste und der schwachen Bilanz das Geld wohl nicht zurückzahlen. Doch tatsächlich bedeutet der Beschluss der Wettbewerbshüter gar nichts für die italienische Fluggesellschaft - und erst recht nicht für andere staatlich unterstützte Linienflieger wie die Lufthansa

Der simple Grund: der Beschluss ist eher eine Farce und wird wohl erstmal folgenlos bleiben. Denn die heutige Alitalia steht kurz vor der Auflösung und wird bald ihren Betrieb inklusive ungefähr der Hälfte ihre Personals und der Flugzeuge an eine Nachfolgegesellschaft namens Italia Trasporto Aereo (ITA) übergeben.

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von Rüdiger Kiani-Kreß

Von der wegen ihrer Verluste und Unzuverlässigkeit gefürchteten Altgesellschaft bleibe dann wenig mehr als Schulden. „Und da kann der Staat alles fordern, ohne die neu ITA zu behindern“, so ein Kenner der Branche. Dagegen kann die ITA auf üppige Staatshilfen hoffen. Denn die vom Staat überwiesene erste Hilfe von 1,35 Milliarden Euro hat die EU genehmigt. Lediglich weitere 1,65 Milliarden sind noch offen.

Das Urteil gehört in eine Reihe von Verfahren, die sich zulegt gegen Coronahilfen für europäische Fluglinien wandten. Losgetreten hat sie der irische Billigflieger Ryanair im Dezember 2020 mit einer wahren Klagewelle. Bereits im Juni hatten die Europäischen Wettbewerbshüter die 550 Millionen Euro des Landes Hessen sowie des Bundes für die Condor gekippt. Zuvor im Mai hatte der Europäische Gerichtshof den Iren nach mehrere Niederlagen erstmals recht gegeben. Danach waren sowohl die rund 3,4 Milliarden Euro für Air France als auch die 1,2 Milliarden Euro für TAP aus Portugal ein Verstoß gegen EU-Recht.  

Doch hier war die EU immerhin so ehrlich, dass sie erst gar keine Rückzahlung der eigentlich unzulässigen Hilfen anordnete. „Denn das hätte für alle das Aus bedeutet, und zumindest Frankreich hätte nie ein Urteil akzeptiert, dass seine Nationallinie schwächt, geschweige denn in die Insolvenz treibt“, so ein Kenner der Branche.

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Darum bedeutet das Verbot inklusive der zahnlosen Rückzahlungsanordnung im heutigen Alitalia-Urteil auch nichts für die vielen noch laufenden Verfahren – und erst recht nicht für die Lufthansa. Denn die Hilfen der Bundesregierung haben die deutsche Linie zwar gerettet. Aber ein Geschäft sind sie nur für den Geldgeber Bund. Die Unterstützung muss nicht nur zurückgezahlt werden. Der Bund verlangt dazu „Gewinnbeteiligung“ genannte Zinsen, die über die Zeit von vier Prozent pro Jahr auf 9,5 Prozent ansteigen. Die Spanne reiche „von sportlich bis unverschämt“, meint ein führender Lufthanseat etwas bitter. Der Staat erreiche damit „eine Rendite, die wir selbst in unseren besten Jahren nie erreicht haben“.

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