Hardware-Offensive Mit diesen Produkten will Amazon die Konkurrenz abhängen

Echo Plus Quelle: Apple

Mit neuen Alexa-Geräten mit besserem Klang sowie größerem Display steigt Online-Händler Amazon noch vehementer ins Hardwaregeschäft ein. Die Offensive soll den Vorsprung zu Konkurrent Google wieder vergrößern.

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Amazon startet eine neue Hardware Offensive fürs Weihnachtsgeschäft. Am Donnerstag stellte Amazons Hardware-Chef Dave Limp im Hauptquartier in Seattle neue Lautsprecher, Displays und Steckdosen vor, die auf Amazons digitalen Assistenten Alexa basieren. Laut Limp wurde bei den Lautsprechern vor allem die Lautstärke und der Klang aufgerüstet. Für Musik-Liebhaber kommt nun noch ein 130 Euro Subwoofer hinzu. Wer lieber auf Lautsprecher von Premium-Anbietern setzt, kann sie via des 40 Euro teuren Echo Input mit Alexa versehen.

In einem hart umkämpften Markt hat Amazon die Preise bei der neuen Generation beibehalten. Das Einstiegsgerät Echo Dot kostet knapp 50 Euro, der größere Bruder Echo Plus 100 Euro mehr. Die teurere Version verfügt über einen Sensor, der die Umgebungstemperatur misst und bei Bedarf Klimaanlage und Heizung einschaltet. Zudem ist ein Smart Home Hub integriert, mit dem Produkte externer Hersteller wie Türschlösser, Lampen oder Kameras angesteuert und kontrolliert werden können. Dazu gehören auch die Türklingel, Überwachungskamera und Alarmanlage des Start-ups Ring, das Amazon in diesem Jahr für eine Milliarde Dollar übernommen hat.

Auch Amazon setzt wie die Smartphone Anbieter Apple und Samsung auf größere Displays. Sein 230 Euro Kompaktcomputer Echo Show erhält mit 10 Inch einen doppelt so großen Bildschirm. Neu ist eine Kooperation mit Microsoft, die Videotelefonate via Skype ermöglicht.

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Mit einem intelligenten Stecker lassen sich alle möglichen Geräte verbinden, die allerdings über eine Alexa App oder ein anderes Alexa-Gerät bedient werden müssen.
Für den US-Markt präsentierte Limp eine Mikrowelle mit integriertem Sprachassistenten sowie eine kompakte Alexa-Box für das Auto. Diese Produkte sollen erst später nach Deutschland kommen. Die neuen Produkte zeigen auch, dass Amazon keine Probleme hat, gegen eigene Partner zu konkurrieren. So bietet General Electric bereits eine Mikrowelle mit integriertem Alexa-Sprachassistenten an. Und Lautsprecherhersteller wie Sonos, die ebenfalls Alexa unterstützten, geraten durch die besseren Klangeigenschaften der Amazon-Produkte unter Druck.

Alexa überall

Die frische Runde für das Weihnachtsgeschäft ist eine weitere Etappe in dem Marathon mit digitalen Assistenten, den Konzernchef Jeff Bezos vor vier Jahren gestartet hat. Bezos will Alexa als eine Art persönlichen Helfer für den Alltag etablieren. Zunächst in Wohnzimmern, später „überall“.
Nicht nur zum Abspielen von Songs, dem Steuern der Heizung, Beleuchtung oder Mikrowelle, sondern auch für das Bestellen von Taxen und natürlich dem Online-Einkauf. Grenzen beim Automatisieren setzt nur die Phantasie. Mehr als fünfzigtausend solcher Routinen – Fachjargon Skills – von Amazon und unabhängigen Entwicklern sind derzeit verfügbar.

Wie immer ließ sich Limp allerdings bei der Zahl der verkauften Geräte nicht in die Karten schauen. „Der Echo Dot ist der bestverkaufte Lautsprecher der Welt“, behauptet der Amazon Hardwarechef.
Klar ist: Die Skepsis, dass Kunden die virtuellen Assistenten als Eindringlinge in ihre Privatsphäre ablehnen, sie gar als modernen Big Brother empfinden, hat sich bislang nicht bewahrheitet. In diesem Jahr hat sich die Zahl der Alexa-fähigen Geräte von 4000 auf 20.000 mehr als verfünffacht, verfügbar in 180 Ländern. Darunter sind nicht nur Lautsprecher, etwa von Sonos oder Bose oder Heizungssteuerungen von Honeywell – sondern mehr und mehr Haushaltsgeräte wie Kaffeemaschinen, Waschmaschinen und Mikrowellen. 3500 Marken unterstützen laut Limp derzeit Alexa.

Autohersteller wie BMW, Mercedes, Toyota und VW bieten ihren Kunden Alexa in einigen Modellen an. Der E-Tron, Audis gerade vorgestellter erster Elektro-SUV, ist ebenfalls mit Amazons Sprachsteuerung ausgestattet.

Google und Apple holen Amazons Vorsprung bereits auf

Der Markt boomt. Vor vier Jahren war er quasi nicht existent. Bis 2023, so erwartet das Marktforschungsunternehmen Strategy Analytics nun, sollen mit Diensten und Geräten mit Sprachassistenten weltweit 23 Milliarden Dollar umgesetzt werden.
Die Rolle als universeller Assistent war eigentlich Smartphones zugedacht. Weil die eigene Fire-Smartphone Reihe floppte, fokussierte Amazon sich auf günstige Lautsprecher und später Bildschirme mit integriertem Sprachassistent. Und landete damit einen Überraschungshit. Nicht nur weil die Sprachsteuerung immer besser geworden ist: Stationäre Geräte sind einfach praktischer als ihr mobiles Pendant. Sie müssen nicht extra entriegelt oder aus der Tasche genestelt werden, sondern warten im Hintergrund auf Befehle.

Bezos Strategen erkannten früh, dass Smartphones zu individuell sind, um als universelle Fernbedienung genutzt zu werden, weil sie von ihrem Eigentümer meist herumgetragen werden und auf ihn angepasst sind. Smarte Lautsprecher hingegen haben in der Regel ihren festen Standort, können von der ganzen Familie genutzt werden und kommen sich im Gegensatz zu Smartphones nicht untereinander ins Gehege. Bezos erleichterte die Entscheidung für smarte Lautsprecher, indem er sie mit Kampfpreisen in den Markt drückte. Am besten, so Amazons Ziel, für jeden Raum einen.

Der Frühstart hat Amazon einen Vorsprung beschert. Strategy Analytics schätzt, dass Amazon im vergangenen Jahr den Markt für smarte Lautsprecher in Nordamerika und Westeuropa mit einem Anteil von knapp achtzig Prozent dominierte.

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Amazon ist im chinesischen Markt nicht präsent

Zwar liegt Amazon auch derzeit nach wie vor in Führung, mit mindestens der Hälfte des Marktes. Doch seit Wettbewerber wie Google mit Assistant, Samsung mit Bixby und Apple mit Siri die Verfolgung aufgenommen haben, schmilzt der Vorsprung. Hinzu kommt, dass Amazon, aber auch Google im Wachstumsmarkt China, wo die Lautsprecher ebenfalls einen Boom erleben, gar nicht präsent sind.
In den USA und Westeuropa schließt Konkurrent Google, der vor zwei Jahren in den Markt einstieg und seine Lautsprecher ebenfalls ab 50 Euro offeriert, immer dichter auf. Der Suchkonzern profitiert dabei davon, dass viele traditionelle Händler lieber Googles Lautsprecher vertreiben, als Angstgegner Amazon noch dominanter zu machen.

Apple hechelt hinterher. Nicht nur, weil sein auf Klang und Design statt Dienst getrimmter Lautsprecher HomePod mit einem Preis von 350 Dollar kein Massenprodukt ist. Sondern auch, weil sich sein Marktstart mehrfach verzögert hat.
Apples im Verkauf von Smartphones bewährte Hochpreisstrategie könnte bei den smarten Lautsprechern und Displays allerdings nach hinten losgehen.

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Bezos setzt auch deshalb auf relativ günstige Anschaffungspreise, weil er möchte, dass sich seine Kunden an Alexa gewöhnen und so gar nicht erst auf den Gedanken kommen, auf ein Konkurrenzprodukt umzusteigen. Bei seinen iPhones profitiert Apple seit Jahren von diesem Gewöhnungseffekt. Wer einmal mit der Bedienoberfläche der iPhones und des iPads vertraut ist, steigt nicht so schnell auf Android um. Gut möglich, dass Apple deshalb demnächst mit günstigeren Geräten kontert.
Noch ist unklar, wie häufig Alexa zum Einkauf genutzt wird. Amazon schweigt sich über Nutzungsgewohnheiten aus. Doch selbst wenn der Einkauf selten sein sollte, kann der Konzern über den Sprachassistenten digitale Dienstleistungen wie etwa die Premiumversion von Amazon Musik vermarkten. Beim Abopreis von knapp 100 Dollar im Jahr sind die Verluste bei der Hardware damit schnell wieder ausgeglichen.

Die Börse reagierte kaum auf die neue Produktoffensive. Klar ist, dass sie in absehbarer Zeit aufgrund der Kampfpreise Verluste verursachen wird. Die Amazon-Aktie stieg leicht auf ein Prozent. Der Börsenwert bleibt mit 950 Milliarden Dollar weiterhin unter der Marke von einer Billion, die Anfang September kurzzeitig überschritten wurde. Konzernchef Bezos wird es nicht gekümmert haben. Er verfolgt den Aktienkurs nicht regelmäßig. Behauptete er jedenfalls am Donnerstag in einem Interview im US-Fernsehen: „Darauf verschwende ich keine Zeit.“

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