Haustiermarke Hunter Das Hundeimperium aus Bielefeld

Auf Augenhöhe: Mit der Zuneigung zwischen Menschen, hier ein Bild von der diesjährigen World Dog Show, und ihren Haustieren lässt sich viel Geld verdienen. Quelle: dpa

Von der Spezialfirma für Hundehalsbänder ist das westfälische Unternehmen Hunter zur Hunde-Großmacht gewachsen, auch dank Corona-Pandemie. Jetzt lahmt die Nachfrage. Und Hunter-Chefin Trautwein setzt auf eine kühne Strategie: Mehr machen, wenn alle vom Sparen reden.

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„Tztztz, koooomm mal her“, ruft eine Dame durch die helle Ausstellungshalle, in der sich die Regale bis unter die Decke stapeln. „Jaaaa komm“, versucht sie es noch einmal, während ein paar Meter weiter eine jüngere Frau in gebieterischem Tonfall sagt: „Sitz“. Was in vielen Unternehmen wohl sehr merkwürdige Kommandos wären, gehört in den Büros und Fertigungshallen in einem Gewerbegebiet am Rand von Bielefeld zum guten Ton. Draußen auf der Wand prangt ein großer Windhund auf einem U, das zum Markennamen gehört: Hunter. Das ist hier das Reich für Hunde – und ihre Besitzer.

Unter Hundeliebhabern ist das Unternehmen schon seit Urzeiten bekannt: als Hersteller von hochwertigen und auch hochpreisigen Hundehalsbändern aus Leder, die bis heute ausschließlich in Bielefeld hergestellt werden, zum größten Teil in Handarbeit. Bis zu 90 Euro pro Stück legen Fans der Marke für ein Halsband auf den Tisch. Doch in den vergangenen Jahren ist das Unternehmen der noblen Nische mehr und mehr entwachsen: Unter Chefin Nadine Trautwein hat Hunter sich zu einer Größe im sowieso stark wachsenden Milliardenmarkt des Heimtierbedarfs gemausert. Und zwar weltweit. War das Unternehmen lange vor allem in Deutschland aktiv, sind es heute 80 Länder, von Peru bis China, die heute 60 Prozent zum Umsatz beisteuern. 20 Prozent des Umsatzes werden online erzielt, Tendenz wie in der gesamten Branche: steigend.

„Die vergangenen Jahre sind gut für uns gelaufen“, sagt Trautwein. Das klingt beinahe ein bisschen bescheiden, denn Trautwein weiß um die Besonderheiten, die diesen Aufschwung möglich gemacht haben: „Die Leute hatten einfach sehr viel Zeit für ihren Hund während der Pandemie“, sagt die 48-Jährige. „Niemand konnte wegfahren, nicht essen gehen, das Geld ist ins Zubehör für das Tier geflossen.“

Im Markt für Heimtierbedarf stagnieren die Umsätze. Hunter-Geschäftsführerin Nadine Trautwein will neue Kundengruppen erschließen – und kaufte ein Reisebüro für tierfreundliches Reisen.
von Nils Wischmeyer

Bei Hunter ließ das die Kassen klingeln. Den Gewinn kommuniziert das Unternehmen nicht. Doch allein während der Coronapandemie hat das 150-Mitarbeiter starke Unternehmen seinen Umsatz eigenen Angaben zufolge um 40 Prozent auf zuletzt 50 Millionen Euro gesteigert und übertrumpft damit den schon gut laufenden Markt für Heimtierbedarf. Zwischen 2013 und 2021 stiegen die Umsätze dort von 3,9 auf zuletzt mehr als 6,4 Milliarden Euro kontinuierlich, berichtet Detlev Nolte, Sprecher beim Industrieverband Heimtierbedarf (IVH). „Immer mehr Menschen haben sich Haustiere angeschafft, das hat die Umsätze und Absätze nach oben getrieben.“ Und ist der Hund erstmal da, folgt die Nachfrage nach Futter und Zubehör, etwa zum Spielen oder für den Transport: 2013 gaben deutsche Hundehalter noch 162 Millionen Euro für Hundezubehör aus, 2021 waren es 240 Millionen Euro.

Doch was zwei Jahre für Jubelstimmung gesorgt hat, wird für Hunter-Chefin Trautwein nun zum Problem: Nach dem Ende der Pandemie ist der Umsatz mit Zubehör und Bedarfsartikeln im Fachhandel gesunken, ging 2022 um 0,9 Prozent auf nun 1,091 Milliarden Euro zurück, bei Hundezubehör stand am Ende gar ein Minus von 4,6 Prozent. Hunter-Chefin Nadine Trautwein geht für 2023 von einer Stagnation des Wachstums bei Hunter aus. Also, Katerstimmung?

Manufaktur statt KI

Im Eingang der Luxus-Zubehör-Firma für die Vierbeiner streckt sich Iken, eine Vizsla-Hündin, die ein rotes Halsband mit Herzen aus der neuesten Serie von Hunter trägt. Sie gehört seit sieben Jahren zur Chefin, die in weißer Bluse und Leoparden-Pumps um die Ecke kommt, ein paar kurze Begrüßungsworte, dann ab in die Manufaktur, die sie so gern zeigen will. Für Trautwein ist es bis heute das Herzstück der Firma, die ihr Vater 1980 gegründet hat und in der sie als Jugendliche arbeitete, damals noch ein paar Kilometer entfernt. Vier Mal sind sie seither umgezogen, weil der Platz nie lange reichte für die mittlerweile über 50 Werksmitarbeiter, die größtenteils händisch und mit altmodisch wirkenden Nähmaschinen die Halsbänder und Leinen bearbeiten.

Obwohl die Firma zuletzt stark gewachsen ist, sieht es hier immer noch nach Manufaktur aus, in der die Nähmaschinen sich aneinanderreihen, dazwischen offene Kartons, halbfertige Produkte, organisiertes Chaos. Roboter? Künstliche Intelligenz? Eine völlig andere Welt.

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Besonders günstig kann die Handarbeit nicht sein, doch Trautwein gönnt sich diesen Luxus. „Wir könnten natürlich irgendwo billig in Asien produzieren, aber ich kann nicht beurteilen, wie eine Ledergerberei in Asien aussieht und kann daher auch nicht davon ausgehen, dass alle unsere Qualitätsvorgaben erfüllt werden“, sagt Trautwein. „Außerdem schätzen die Menschen die Langlebigkeit der Produkte, sehen den Unterschied und geben dafür auch gern mal ein paar Euro mehr aus.“

Vieles kommt heute aus Asien

Dennoch ist das nur die halbe Wahrheit. Zwar wirbt das Unternehmen mit Made in Germany und das trifft auf Lederwaren auch zu. Über die Jahre sind bei Hunter aber allerlei Produkte hinzugekommen, ​​beispielsweise Spielzeug, Hundebetten oder Regenjacken für Hunde. Sie bringen schon heute mehr als 60 Prozent des Umsatzes. Einkaufen lässt Trautwein sie in Europa und Asien. „Das kann ich in Deutschland einfach nicht wettbewerbsfähig produzieren“, sagt sie.

2007 wurde die Unternehmenserbin Trautwein Geschäftsführerin, seither versucht sie aus dem kleinen, aber feinen Betrieb des Vaters einen globalen Mittelständler zu machen. Gut sei die Übernahme von ihrem Vater gelaufen, berichtet Trautwein, oder zumindest besser als bei den meisten anderen Unternehmen. „Natürlich haben wir uns gestritten und dann knallt es mal so richtig“, sagt sie. „Aber es geht immer um die Sache.“ Beispiel Investitionen: Während sie wesentlich stärker expandieren und dafür auch Geld in die Hand nehmen möchte, sei ihr Vater eher zurückhaltend, konservativ.

Markt stagniert

Auch jetzt wieder steht das Familienteam vor harten Entscheidungen. „Wir spüren durch die Inflation eine Zurückhaltung bei höherpreisigen Produkten“, sagt Trautwein. Sorge macht ihr das aber nicht, sagt Trautwein mit Verweis auf vergangene Krisen: „Wir haben am Ende eigentlich immer gut überstanden, weil die Menschen ihren Hund niemals vernachlässigen“, sagt Trautwein.

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Um den Wachstumsmotor wieder ans Laufen zu kriegen, will Trautwein dann künftig mit ungewöhnlichen Geschäftsmodellen punkten. Schon heute hat die Firma beispielsweise eine Hundeversicherung, eine tierärztliche Beratung oder Kooperationen mit einer Futterfirma im Repertoire. Seit Kurzem gehört auch ein Reisebüro zu ihren Expansionsplänen. „Wir wollen Reisen anbieten, die für Hund und Mensch gut passen, das ist eine sehr lukrative Nische.“

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