Insolvenz Von der „Höhle der Löwen“ in die Pleite: Der Fall von The Social Chain

Ausgebrüllt: Georg Koflers Firma The Social Chain ist pleite. Quelle: imago images

Im TV präsentierte sich Georg Kofler als Unternehmer, der weiß, was erfolgreich macht. Nun ist seine Firma The Social Chain pleite. Mehr als 100 Anleger fühlen sich getäuscht – und überlegen, Schadenersatz zu fordern.

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Keine zwei Jahre ist es her, dass Georg Kofler und Ralf Dümmel gemeinsam die Glocke an der Frankfurter Börse läuteten. Die beiden Manager waren damals längst bekannt als schonungslose Juroren der Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ – und schwärmten nun von der eigenen großen Erfolgsgeschichte. Im Jahr darauf wollten Kofler und Dümmel mit ihrer Firma The Social Chain in den SDax aufsteigen, 2023 eine Milliarde Euro Umsatz erzielen. Eingetreten ist von all den Plänen nichts. Stattdessen: Ernüchterung. Von der „Höhle der Löwen“ führte der Weg in die Pleite.

Kofler hat für sein Online-Handelsunternehmen The Social Chain Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Der Vorstand des Unternehmens sei „nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Gesellschaft keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht“, teilte The Social Chain mit. Die Vorstandsmitglieder hätten daher beschlossen, „unverzüglich Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen“. Das zuständige Amtsgericht hat der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mittlerweile zugestimmt. Ermöglicht hat die Insolvenz in Eigenverwaltung ein „Massedarlehen in erheblicher Höhe“ von Ralf Dümmel und anderen Altgesellschaftern.

Erst die Pleite, dann der Weggang

Kofler legte sein Amt als Vorstandsvorsitzender „mit sofortiger Wirkung“ am Montag nieder. Auch Vorstandsmitglied Stefan Kiwit kündigte seinen Rücktritt an. An ihre Stelle werden nun zwei Rechtsanwälte der Kanzlei Görg treten: Der Aufsichtsrat hat am Dienstagmittag die beiden Juristen Gerrit Hölzle und Thorsten Bieg zu neuen Mitgliedern des Vorstands berufen. Die beiden sollen das anstehende Insolvenzverfahren begleiten. Außerdem bestellte das zuständige Gericht den Berliner Rechtsanwalt Friedemann Schade von der Kanzlei BRL zum vorläufigen Sachwalter der The Social Chain. Dieser soll die Interessen aller Gläubiger wahren.

Unter Aktionären der Firma grassiert Wut. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) prüft nach eigenen Angaben derzeit für mehr als 100 Anleger, ob diese Ansprüche auf Schadenersatz gegen Koflers Firma und deren Vorstand geltend machen können. Die Schutzgemeinschaft plant außerdem, in den nächsten Tagen Strafanzeige wegen mutmaßlichen Kapitalanlagebetrugs gegen Verantwortliche der Social Chain zu stellen. Marc Liebscher von der SdK sagt, Social Chain könnte Anleger getäuscht haben, indem das Unternehmen unter anderem ein Darlehen als Teil des operativen Geschäfts im Konzernabschluss 2021 ausgewiesen habe. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat diese Fehlbuchung jüngst gerügt. The Social Chain kommentierte den Vorwurf nicht.

Zweifel an Sanierungsfähigkeit

Liebscher zweifelt daran, dass sich The Social Chain in einem Insolvenzverfahren selbst sanieren kann. Er sagt: „Angesichts der Tatsache, dass nach unserer Einschätzung die aktuelle Verschuldung der Gesellschaft rund 160 Millionen Euro beträgt, dass die eigentlich verbindlich versprochene und als vom Unternehmen als umgesetzt dargestellt Kapitalerhöhung gescheitert ist, dass das Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren insgesamt über 170 Millionen Euro Verlust erwirtschaftet hat (...), haben wir Zweifel hinsichtlich der Aussichten von Sanierungsbemühungen.“

Mit seiner Einschätzung ist Liebscher nicht allein. Auch der Branchenkenner Philipp Kloeckner bezweifelt, dass die Insolvenz in Eigenverantwortung für The Social Chain der richtige Weg ist: „In Anbetracht dieser Unstimmigkeiten, die sich aus dem Geschäftsbericht 2021 ergeben, würde ich diesen Leuten die nötige Eignung eher absprechen“, sagt Kloeckner. „Ich glaube, dass einige Einzelbeteiligungen der Social Chain eventuell werthaltig sind. Dass es für die Gruppe insgesamt eine Fortführungsfantasie gibt, halte ich für eher unwahrscheinlich.“ 

Der Unternehmer und Investor Christian Röhl kritisiert das Geschäftsgebaren der beiden Löwen Kofler und Dümmel: Beide seien Menschen, die im Fernsehen eloquent über Geschäftsmodelle und Finanzierung urteilten und deshalb wissen müssten, wie man einen Konzernabschluss richtig erstellt. „Entweder da haben alle Kontrollmechanismen versagt oder da wurde absichtlich schlampig gearbeitet“, sagt Röhl. The Social Chain ist nach Ansicht Röhls in der Finanzbranche bereits in den vergangenen Jahren hauptsächlich eine Quelle für Memes gewesen. „Das wäre lustig, wenn nicht so viele Menschen dabei ihr Geld verloren hätten“, sagt er.

Nüsse und Kopfkissen

Das Geschäftsmodell von The Social Chain sah vor, Firmen aufzukaufen, um deren Produkte vor allem über soziale Medien zu vermarkten. Beispielsweise vertrieb The Social Chain unter der Marke Urbanara Bettwäsche und Kopfkissen. Mit einer anderen Beteiligung verkaufte Social Chain Nüsse und Trockenfrüchte. Auch für ein jüngeres Zielpublikum bot Koflers Unternehmen Dienstleistungen an: In der Düsseldorfer Filiale der Mabyen GmbH können Eltern ihren Babys eine Behandlung in einem Spa spendieren, um deren Entwicklung „körperlich, geistig und seelisch“ zu fördern. The Social Chain ähnelt damit einem Gemischtwarenladen. Das Unternehmen weist in seinem Konzernabschluss für das Jahr 2022 80 Beteiligungen aus. Dazu gehören zahlreiche Beteiligungen, die Kofler und Dümmel in der „Höhle der Löwen“ aufgegabelt hatten.

Mit diesem Geschäftsmodell schreibt das Unternehmen seit Jahren rote Zahlen. Im Jahr 2022 betrug das Minus mehr als 100 Millionen Euro. Im Jahr zuvor lag das Defizit bei 70 Millionen Euro.

Wieso naht das Ende nun? The Social Chain wollte bei Investoren frisches Geld einsammeln, doch die geplante Kapitalerhöhung ist geplatzt. Ein Investor sei seiner vertraglich zugesicherten Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen, teilte The Social Chain mit. Deshalb habe die Gesellschaft ihren kurzfristigen Finanzbedarf nicht mehr decken können. Um welchen Investor es sich handelt und wie groß die fehlende Summe ist, ist derzeit nicht bekannt.

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Von der Insolvenz nicht betroffen sei die Konsumgütertochter DS, die Kofler vor einigen Jahren von seinem Fernsehkollegen Ralf Dümmel aufgekauft hat. „Der Geschäftsbetrieb dieser Gesellschaften geht uneingeschränkt weiter“, heißt es in der Mitteilung.

Lesen Sie auch: Die Insolvenz von The Social Chain ist nicht die erste Pleite nach der Höhle. Auch das Pizza-Start-up Lizza ist pleite.

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