Metro-Tochter unter Druck Der Poker um Real belastet das Geschäft

Ungewisse Zukunft: Der Druck bei Real wächst. Quelle: imago images

Der zähe Verkaufsprozess der Metro-Tochter Real schlägt auf das Geschäft der Handelskette durch. Marktdaten zeigen: Als einziger großer Lebensmittelhändler in Deutschland verliert Real Umsatz – und will an anderer Stelle jetzt trotzdem punkten.

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Der Onlinemarktplatz real.de wirkt wie eine Art Fremdkörper im Reich der SB-Warenhauskette: Erfolgreich und erstaunlich wachstumsstark entwickelt sich die Digitalsparte des Unternehmens – damit ganz anders als das Kerngeschäft in den deutschlandweit gut 270 Märkten. Wurden über den Internetauftritt im vergangenen Jahr noch Waren im Gesamtvolumen von 380 Millionen Euro verkauft, waren es im gerade abgeschlossenen Geschäftsjahr schon 608 Millionen Euro.

In diesem Tempo soll es möglichst weiter gehen. Dafür hat Real nun eine Allianz mit weiteren Händlern geschlossen. International Marketplace Network heißt die Konstruktion, mit der man hofft, selbst Marktführer Amazon Paroli zu bieten. Partner sind neben real.de der französische Händler C-Discount, die rumänische Kette E-Mag und die italienische Plattform E-Price. Ziel sei es, den Zugang zu 230 Millionen potenziellen Kunden in Europa zu bündeln, teilte das Unternehmen am Dienstag mit.

In den klassischen Märkten ist die Stimmung derweil bedrückt: Der bereits vor über einem Jahr gestartete Verkaufsprozess zieht sich weiter hin und scheint zunehmend auf die Motivation der Beschäftigten durchzuschlagen – und damit auf das Geschäft.

So verbuchte Real von Jahresanfang bis September ein deutliches Umsatzminus beim Verkauf von Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs (FMCG) – als einzige der großen deutschen Handelsketten. Das zeigen vertrauliche Marktdaten des Nürnberger Marktforschers GfK, die der WirtschaftsWoche vorliegen.

Die Supermarktkette Rewe führt demnach das Wachstumsranking an und konnte seit Januar um 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zulegen. Edeka folgt mit Abstand auf dem zweiten Platz und 4 Prozent mehr Umsatz. Auch bei den Discountern Aldi Nord (+1,9%), Aldi Süd (+1,5%), Lidl (+1,4%) und Penny (+1,4%) stimmt die Richtung. Real verbuchte den Daten zufolge dagegen ein Umsatzminus von 3,5 Prozent beim Verkauf von FMCG-Gütern. Auch Kennzahlen wie Frequenz und Käuferzahlen weisen nach unten. Lediglich die Bonsumme blieb laut GfK stabil, was angesichts inflationsbedingter Preissteigerungen aber kaum Anlass für Zufriedenheit sein dürfte. Zumal nicht nur die Umsatzverluste belasten. Auch Lieferanten sollen die unsichere Lage von Real derzeit ausnutzen und um Konditionen bei den Einkaufspreisen feilschen, heißt es in der Branche. Real will sich erst im Rahmen der Quartalsberichterstattung des Mutterkonzerns Metro zur Geschäftsentwicklung äußern.

Klar ist auch so: Die Zeit drängt. Metro-Chef Olaf Koch hat Real schon vor über einem Jahr ins Schaufenster gestellt, die Supermarktkette mit rund 34.000 Beschäftigten passt nicht mehr zu seiner Strategie, auf das Geschäft rund um den Großhandel zu setzen. Metro verhandelt seit Monaten mit einem Konsortium um den Immobilien-Investor Redos über einen Verkauf. Nur ein Teil der Märkte wird von Redos und Metro weitergeführt, einzelne Filialen sollen geschlossen, andere an Wettbewerber aus dem Handel weiterverkauft werden. „Das hat durchaus Ähnlichkeit mit einem komplexen Puzzlespiel“, hatte Redos-Chef Oliver Hermann den Prozess Anfang Juli gegenüber der WirtschaftsWoche beschrieben.



Metro-Chef Olaf Koch ist in einer brisanten Lage

Nur langsam fügt sich daraus ein Bild zusammen. Als erster Interessent hat jüngst Edeka beim Bundeskartellamt Interesse an einzelnen Standorten angemeldet. Konkret wurde vom Kartellamt die Zahl von 87 Märkten genannt, deren Übernahme die Wettbewerbshüter nun prüfen. Auch weitere Bieter sollen an Redos Angebote abgegeben haben, bisher allerdings ohne Anmeldung. Die Kartellwächter prüfen Übernahmen im deutschen Einzelhandel in der Regel sehr genau, da die Marktkonzentration hoch ist.

Von entscheidender Bedeutung ist, wie sich Wettbewerber Kaufland verhält. Bislang hat der wichtigste Real-Rivale kein Angebot abgegeben. Gleichzeitig berichtet ein Insider von Kontakten „zwischen allen Beteiligten“. Ob daraus ein Angebot resultiert, ist dennoch fraglich.

Die Kaufland-Vertreter wissen, dass sie Redos das Leben schwer machen, wenn sie dem Immobilienunternehmen keine Real-Märkte abnehmen. Zudem arbeiten sie bislang mit dem Immobilienunternehmen x+bricks zusammen, das in der Vergangenheit ebenfalls Real übernehmen wollte, mit zwei Angeboten aber bei Metro-Chef Koch abgeblitzt war.

Das Spiel allerdings ist gefährlich: Wenn Redos und Metro ausreichend Alternativen finden, geht Kaufland womöglich komplett leer aus. Für Kaufland wäre das ein harter Schlag. Das Unternehmen liegt mit einem Umsatzplus von 1,4 Prozent bis September weit entfernt von früheren Wachstumsraten und könnte einen zusätzlichen Umsatzschub durch neue Flächen auch für Verhandlungen mit Lieferanten gut gebrauchen. Ziehen starke Wettbewerber wie Edeka in zahlreiche Real-Märkte ein, dürften zudem die Umsätze der Kaufland-Märkte in der Nachbarschaft bröckeln. Bisher profitiert der Konzern ebenso wie die meisten Wettbewerber vom Real-Niedergang. Zudem gilt Real als eine der letzten Möglichkeiten, an große Flächen im deutschen Lebensmitteleinzelhandel zu kommen.

Noch brisanter ist indes die Lage für Metro-Chef Koch: Er muss liefern. Beschäftigte wie Aktionäre erwarten nach den langwierigen Verhandlungen Ergebnisse. Zudem ist offen, wie lange Real in der Metro-Bilanz noch als nicht fortgeführter Geschäftsbereich ausgewiesen werden darf. Bislang konnte Koch seine Wirtschaftsprüfer mit Fortschritten beim Verkaufsprozess – wie der Kartellamtsanmeldung – überzeugen, den Status quo zu halten.

Verzögert sich der Deal jedoch weiter, könnte schnell die Frage auftauchen, ab wann die Real-Zahlen wieder in die Metro-Bilanz einfließen müssten.

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