Modehändler im Lockdown „Warum darf Aldi Hosen verkaufen, wir aber nicht?“

In einem Wutbrief an Peter Altmaier beschwert sich ein Mannheimer Modehändler über ausbleibende Hilfen und Wettbewerbsverzerrung. Dass Aldi weiter Hosen verkaufen darf, er aber nicht, findet er absurd. Quelle: imago images

In einem Wutbrief an Peter Altmaier beschwert sich der Mannheimer Modehändler Christian Burkardt-Leitner über ausbleibende Hilfe. Hier erklärt er, warum ihn die Lockdown-Politik ärgert und wie lange er noch durchhält.

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Herr Burkardt-Leitner, seit Mitte Dezember ist Ihr Modegeschäft in Mannheim geschlossen, jetzt haben Sie einen Wutbrief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut geschickt. Gibt’s schon eine Antwort?
Nein, damit rechne ich auch nicht, aber ich musste meinem Ohnmachtsgefühl einmal Ausdruck verleihen. Sicher muss etwas gegen die hohen Infektionszahlen getan werden – aber wenn man künftig keine toten Innenstädte haben will, muss man uns besser helfen. Die großen Player werden gehört, aber wir kleinen Händler fallen durchs Raster. Herr Altmaier hat uns vergessen.

Das Wirtschaftsministerium hat verschiedene Programme für Überbrückungshilfen aufgesetzt. Helfen die Ihnen nicht?
Die Plattform für die Dezemberhilfen ist noch nicht einmal programmiert, erst Ende Januar solle das Geld über die Länder fließen. Unter Soforthilfe verstehe ich etwas Anderes. Wenn ein großes Unternehmen wie die Tui nach Hilfe schreit, geht’s doch auch Ruckzuck. Uns aber läuft die Zeit davon. Mode ist ein verderbliches Produkt, wie eine Banane. Die kauft auch niemand, wenn sie zu braun geworden ist, so, wie im März niemand einen Wintermantel kauft.

Sie meinen, der Mantel ist dann quasi auch braun geworden?
Genau. Im Februar kommt die Frühjahrs- und Sommerware. Wovon soll ich die aber bezahlen, wenn ich gerade keinen Umsatz mache? Ich verstehe das nicht. Wir haben seit neun Monaten eine Pandemie, aber die Konzepte werden offenbar immer von heute auf morgen gestrickt.

von Max Haerder, Henryk Hielscher, Melanie Raidl, Dieter Schnaas, Lukas Zdrzalek

Wäre das Problem denn kleiner, wenn Sie selbst die vergangenen Monate genutzt hätten, um einen Online-Shop aufzusetzen?
Nein, wir haben uns bewusst dagegen entschieden. Wir wollen nicht einfach Klamotten verkaufen, sondern bei uns gibt es Mode. Die muss man fühlen, wir wollen unsere Kundinnen und Kunden beraten, ihnen neue Marken präsentieren. Eine Hose ist doch nicht gleich eine Hose. Wir machen das seit zehn Jahren sehr erfolgreich – aber jetzt dürfen wir nicht mehr. Dabei könnten gerade wir kleinen Händler Konzepte bieten, die sicherer sind als das, was jeder Supermarkt macht.

Was ist Ihre Idee?
Wir könnten Slots vergeben, nur ein, zwei Kunden sind dann pro Termin im Laden, die Hygiene- und Abstandsregeln lassen sich so problemlos einhalten. Das habe ich neulich auch der Bürgerreferentin im Stuttgarter Wirtschaftsministerium vorgeschlagen. Aber die hat nur gefragt, wie ich denn anschließend die Hose desinfizieren will, die anprobiert worden ist. Das ist doch absurd. Als wenn im Supermarkt Obst und Gemüse ständig desinfiziert werden. Und auch dort wird ja oft Kleidung verkauft. Das ist auch unmöglich.

Christian Burkardt-Leitner, Modehändler Quelle: PR

Sie fordern, das Penny, Aldi, Lidl & Co nur noch auf Lebensmittel und Drogerieartikel im Sortiment haben dürfen?
Ja, alles andere ist Wettbewerbsverzerrung. Die Discounter und Drogerien dürfen Hemden, Hosen, Schuhe, Dekorationsartikel und Spielzeug verkaufen und wir kleinen Händler sind dicht gemacht worden. Ein Discounter bewirbt gerade Faschingskostüme. Das sind doch sicher keine lebenswichtigen Güter für den alltäglichen Bedarf – und dazu indirekt eine Aufforderung, zu Hause Fasching zu feiern.

Hilft es Ihnen denn, dass Sie Kurzarbeit für Ihre Mitarbeiter beantragen können?
Ich habe vier Mitarbeiter, die ich auf 450 Euro Basis beschäftige. Die bezahle ich gerade alle weiter, obwohl sie nicht arbeiten. Ich sehe mich da in der sozialen Verantwortung.

Der Lockdown wird nach der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz zunächst bis zum 14. Februar verlängert. Wie lange können Sie noch durchhalten?
Maximal zwei Monate, dann ist Schicht im Schacht. Wir hatten letztes Jahr schon Umsatzausfälle von hunderttausend Euro. Wir brauchen dringend Liquidität, aber es kann mir auch niemand sagen, wie viel Geld ich überhaupt bekomme, wenn die Hilfen endlich mal fließen würden. Ich muss jetzt die Frühjahrs- und Sommermode bezahlen, dann die Herbst- und Winterware bestellen für die nächste Saison.

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Eine Bestellung ins Ungewisse?
Ja, aber das muss man immer ein halbes Jahr im Voraus gemacht werden. Ich bestell aber lieber 40 Prozent weniger, denn ich bin sicher, dass das nicht der letzte Lockdown in Deutschland war.

Was würden Sie sich denn jetzt von der Ministerin und dem Minister wünschen, wenn sie schon nicht auf Ihren Brandbrief antworten?
Schnelle und unbürokratische Hilfe, damit wir unsere Kosten decken können. Für die großen Unternehmen ist das ja alles kein Problem, die sind too big to fail. Aber wir bekommen von der Bank kein Geld mehr, weil das Ausfallrisiko zu hoch ist, so lange es keine Öffnungsperspektive gibt. Warum lässt man das nicht übers Finanzamt laufen, die haben doch alles? Die Kontoverbindung, den Überblick über die Umsätze. Eine Abschlagszahlung in Höhe von 25.000 Euro würde uns sofort helfen.

Wann rechnen Sie damit, dass Sie Ihren Laden wieder öffnen können?
Nicht vor dem ersten März. Am 11. Februar beginnt mit dem Altweiberfest der Fasching, da wird der Lockdown sicher nicht aufgehoben, denn sonst würde man ja womöglich alles wieder riskieren. Aber zieht sich der Lockdown noch weiter als in den März rein, weiß ich nicht, wie es weitergeht.

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