Weihnachtsgeschäft in Gefahr Diese Geschenke werden jetzt schon knapp

Die Bescherung könnte dieses Jahr für Kinder oft traurig ausfallen. Quelle: Imago

Ausgerechnet im wichtigen Weihnachtsgeschäft kämpft der Einzelhandel mit Lieferproblemen. Welche Waren, die gern zum Fest verschenkt werden, bereits vergriffen sind und wo weitere Engpässe drohen.

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Wer zu Weihnachten die Spielekonsole Playstation 5 verschenken will, sollte besser nach Alternativen suchen: „Leider keine Lieferung möglich“, heißt es derzeit im Onlineshop des Elektronikhändlers Saturn. Auch die Wettbewerber Otto, Galaxus oder Expert haben allenfalls Zubehör im Angebot. „Derzeit nicht verfügbar“, teilt selbst Onlineprimus Amazon Kaufwilligen mit. Bei Ebay offerieren derweil Privatverkäufer das rare Spielgerät mit sattem Aufschlag zum Listenpreis: Bis zu 800 Euro soll die Konsole kosten. Ein stolzer Preis für ein Daddelgerät, das seit Ende 2020 auf dem Markt ist. Wobei „Markt“ in diesen Tagen wohl ein dehnbarer Begriff ist. 

Auch das Konkurrenzprodukt von Microsoft, die Xbox Series X, ist Mangelware und nicht immer lieferbar. Der Grund: Bei Xbox wie Playstation sind Chips des Herstellers AMD im Einsatz – und die sind derzeit Mangelware. Wie so vieles in der Wirtschaft. Es fehlt nicht nur an Halbleitern, auch Holz und Kunststoffe sind knapp, selbst an Verpackungsmaterialien wie Wellpappe und Karton mangelt es – ebenso wie an Containern, in denen die Ware von Asien nach Europa verschifft wird. All das hat Folgen für Bau- und Handwerksbetriebe, Industrieunternehmen, Maschinenbauer – und für den Einzelhandel, für den jetzt eigentlich die umsatzstärkste Zeit des Jahres beginnt: das Weihnachtsgeschäft. Drohen ausgerechnet zum Fest leere Regale?

Soweit werde es schon nicht kommen, heißt es in der Branche. Es gebe schließlich genug Ausweichmöglichkeiten. Aber klar sei auch: Die Suche nach dem passenden Weihnachtsgeschenk könnte in diesem Jahr noch etwas mühsamer werden als sonst – und teurer.

von Jacqueline Goebel, Tobias Gürtler, Henryk Hielscher, Martin Seiwert, Peter Steinkirchner

Vor allem bei Elektronikartikeln und Kleidung zeichnen sich Schwierigkeiten ab. Aber auch bestimmte Spielwaren könnten knapp werden. Der Grund: Vom Legostein, über die Playmobilfigur bis zu Gravitrax-Bahn und Tiptoi Set – überall sind Kunststoffe, aber auch Kautschuk, Holz und teilweise Mikrochips enthalten. „Wir haben in der Spielwarenbranche nun einmal einen hohen Anteil an Kunststoffspielwaren oder Spielwaren, bei denen Kunststoffe mit verbaut werden“, sagte Ulrich Brobeil, Geschäftsführer des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie, jüngst dem Onlineportal des Fernsehsenders n-tv. Die Knappheit dieses Grundstoffes treffe die Branche „wirklich hart“. Es werde daher „ganz sicher so sein, dass gerade die großen Weihnachtsartikel, die ja auch im TV und auf anderen Kanälen beworben werden, sehr frühzeitig vergriffen sein werden“, so Brobeil.

Immerhin, die Versorgung mit Geschenkebestsellern wie Barbie-Puppen und Hot-Wheels-Spielzeugautos scheint halbwegs gesichert: Der Hersteller, US-Spielzeugproduzent Mattel, habe die Produktion vorgezogen, mehr Seefrachtkapazitäten unter Vertrag genommen und sich den Zugang zu zusätzlichen Häfen gesichert, um die Versorgung in der Weihnachtssaison aufrecht zu erhalten, sagte Geschäftsführer Ynon Kreiz. 

Vor einem gewaltigen Kraftakt steht auch der Elektronikhandel. „Verschiedene Hersteller haben signalisiert, dass es beim Nachliefern in den kommenden Monaten zu Engpässen kommen könnte“, sagt der Geschäftsführer des Handelsverbandes Technik (BVT), Steffen Kahnt. 
„In unseren Märkten und Lagern ist ausreichend Ware vorhanden“, teilt dazu ein Sprecher der Branchenriesen Media Markt und Saturn mit. „Derzeit haben wir keinen Engpass“. Allerdings hätten „einige Lieferanten signalisiert, dass es – je nach Nachfrage – in den kommenden Monaten zu Engpässen bei der Verfügbarkeit“ von einzelnen Produkten kommen könnte. „Dazu könnten dann Smartphones, Tablets, Drucker, Geschirrspüler und Kühlgeräte gehören.“ Inwieweit und in welchem Rahmen dies tatsächlich so eintritt, lasse sich derzeit aber nur schwer vorhersagen. 

Jochen Cramer, Einkaufsleiter der Verbundgruppe ElectronicPartner, wird noch deutlicher: Bei fast allen Sortiments- und Warengruppen gebe es seit dem letzten Jahr Lieferengpässe beziehungsweise -probleme. „Die Situation wird auch noch unbestimmte Zeit andauern und sich somit aufs Weihnachtsgeschäft auswirken“, ist der Manager überzeugt.

„Die Lieferzeiten sind geradezu explodiert“

„Es kann zurzeit passieren, dass der Hersteller zugesagte und bestätigte Produkte kurzfristig absagt, da ein Vorlieferant dringend benötige Teile nicht liefern konnte“, beschreibt Cramer die aktuellen Schwierigkeiten der Händler. Betroffen seien Notebooks und Smartphones ebenso wie Fernseher oder Haushaltsgeräte. Die Verbundgruppe habe deshalb bereits die Lagerbevorratung deutlich erhöht. „Es reicht aktuell nicht, Ware dann zu bestellen, wenn der Kunde im Laden steht.“ Denn die Aufträge könnten oft nicht bedient werden oder es müsse mit sehr langen Lieferzeiten gerechnet werden.

Das kann Uwe Schmäing, Head of Supply Chain, beim Fahrradspezialisten Rose Bikes bestätigen: „In den letzten Monaten sind die Lieferzeiten geradezu explodiert“, sagt er. Das liege in seiner Branche vor allem an der weltweit wachsenden Nachfrage an Fahrradteilen, während die Verfügbarkeit aufgrund von Rohstoffmangel und Corona-bedingten, temporären Werksschließungen reduziert sei. „Außerdem übersteigt die Nachfrage an Frachtraum das Angebot, wodurch ein enormer Preisanstieg resultiert, der auch uns bei den Containerraten von Asien nach Europa betrifft.“ 

Letzteres macht auch Bekleidungshändlern zu schaffen. Nach einer gemeinsamen Umfrage der Handelsverbände Textil, Schuhe und Lederwaren registrieren aktuell lediglich fünf Prozent der Unternehmen keinerlei Ausfälle oder Verzögerungen bei Herbst- und Winterware. 30 Prozent der Teilnehmer vermelden Ausfälle und Verzögerungen bis zehn Prozent, weitere 40 Prozent sogar bis zu 20 Prozent der meist schon vor Monaten bei den Lieferanten bestellten Waren. „Bei einem Viertel der Textil-, Schuh- und Lederwarenhändler fehlen aktuell sogar 20 bis 40 Prozent der Herbst- und Winterware“, sagt Axel Augustin, Sprecher des Branchenverbandes BTE. „Überdurchschnittlich betrifft das den Niedrigpreisbereich, für den vor allem in Fernost produziert wird.“ So berichtete Ende September bereits die schwedische Modekette H&M von Engpässen bei der Produktion und Logistik. Konzernchefin Helena Helmersson sagte, die Situation verbessere sich zwar auf der Lieferantenseite, aber sie rechne im laufenden Quartal mit weiteren Verzögerungen. 



Nike-Finanzvorstand Matt Friend erklärte, die Lieferzeiten aus Asien in die USA hätten sich im vergangenen Monat auf 80 Tage verdoppelt. Auch Abercrombie & Fitch, Boohoo oder Asos klagten über Lieferschwierigkeiten und höhere Rohstoffpreise. Ein Opfer der Lieferprobleme ist auch Aldi Nord. Der Discounter musste den Verkaufsstart für seine jüngste Fashion-Kollektion in Teilen Deutschlands verschieben.

Die Probleme sind kaum verwunderlich: Eines der weltweit größten Herstellerländer für die Textilbranche ist Vietnam mit seinen über 6000 Bekleidungs- und Textilfabriken. Marken wie Ralph Lauren, North Face, Lacoste, Nike oder Zara produzieren hier. Das Land ächzt unter einer neuen Corona-Welle und staatlichen Restriktionen zu deren Eindämmung. Infolgedessen erlebt Vietnam eine Massenabwanderung von Arbeitern. „Die letzten drei Monate dieses Jahres werden eine extrem schwierige Zeit für Vietnams Textil- und Bekleidungsindustrie“, sagt die Regierung voraus. 

Zugleich bleiben Warenproduktion und Transport auch in China ein Nadelöhr für die Weltwirtschaft. Für Druck sorge dort unter anderem, dass „die arbeitsfreie Zeit aufgrund des chinesischen Neujahrsfestes dieses Jahr vorverlegt und verlängert werden soll“, berichtet Wilhelm Josten, Geschäftsführer der Einrichtungs- und Dekokette Butlers. „Wir erwarten daher, dass die Lage bis zum zweiten Quartal 2022 angespannt bleiben wird.“ Butlers habe sich aber rechtzeitig bevorratet. „Wir haben die Lieferengpässe schon vor mehreren Monaten kommen sehen und frühzeitig mehr von unseren Artikeln bestellt“, sagt Josten.

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Entwarnung geben auch all jene Händler, bei denen die Abhängigkeit von asiatischen Importen begrenzt ist. Beim Warenhausbetreiber Manufactum beispielsweise sind die Lieferschwierigkeiten nach eigenen Angaben überschaubar. Das Unternehmen beziehe den Großteil der Waren aus Deutschland oder dem nahen europäischen Ausland und sei „deshalb weniger von unterbrochenen Lieferketten aus Fernost betroffen“, erklärt Manufactum-Geschäftsführer Max Heimann. „Außerdem haben wir uns schon sehr frühzeitig auf das Weihnachtsgeschäft vorbereitet“. 

Mehr zum Thema: In China fällt der Strom aus, in Texas tobt ein Wintersturm, Vietnam geht in den Lockdown, im Suezkanal legt sich ein Schiff quer. Die Folgen für Deutschland? Produktionsausfälle und Lieferengpässe. Die Versorgungskrise verschärft sich beinahe täglich. Eine Geschichte über die Verletzlichkeit der Weltwirtschaft in sechs Kapiteln.

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