Zoff um Zugangsbeschränkungen Fehlende Kunden? So wirkt sich 2G im Handel wirklich aus

Eine Mitarbeiterin eines Kaufhauses kontrolliert am Eingang mit einem Smartphone nach der gültigen 2G Regel den Impfnachweis einer Kundin. Quelle: dpa

Omikron wütet, trotzdem nimmt die Debatte um Lockerungen Fahrt auf – vor allem für den Einzelhandel. Eine neue Studie zeigt, dass die Zahl der Besucher in den Innenstädten zuletzt vergleichsweise stabil blieb.  

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Trotz beispiellos vieler Corona-Neuansteckungen ist die Diskussion um Lockerungen im Einzelhandel voll entbrannt. So sagte FDP-Chef Christian Lindner dem Fernsehsender RTL, die 2G-Regel richte wirtschaftlichen Schaden an, ohne dass sie einen wirksamen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leiste. „Und deshalb ist 2G im Handel nicht erforderlich, die Maske ist es schon“, betonte der Minister. 

2G bedeutet, dass nur Geimpfte oder Genesene Zutritt haben. CSU-Chef Markus Söder sagte der „Bild“-Zeitung: „Mit einer FFP2-Maske können wir auf die 2G-Regel im Handel verzichten. Man hält sich nur kurz in Geschäften auf. Das könnte man bundesweit umsetzen.“ Auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann will die 2G-Regel für den Handel kippen. „Wenn Sie die Akzeptanz bestimmter Maßnahmen nicht haben, werden die Menschen auch nicht mitmachen“, sagte Linnemann. Es sei niemandem zu vermitteln, dass die 2G-Regel im Einzelhandel in einigen Bundesländern noch gelte, während sie ein paar Kilometer weiter in benachbarten Bundesländern schon abgeschafft sei. Und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger erklärte in der Rheinischen Post: „Es ist ungerecht, wenn der eine Einzelhändler die 2G-Regel kontrollieren muss und der andere nicht, wenn der eine Händler wegen 2G Umsatz verliert und der andere nicht.“

Tatsächlich ist in mehreren Bundesländern Shopping ohne Impf- oder Genesenennachweis bereits wieder erlaubt, weil Gerichte die entsprechende 2G-Regel gekippt hatten. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) kündigte am Mittwoch an, diese Regel mit Wirkung zum 9. Februar in seinem Bundesland ebenfalls aufzuheben. In Hessen sagte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), dass die 2G-Regel im Handel voraussichtlich Anfang kommender Woche aufgehoben werden soll.

Zuvor hatten bereits die vier großen Lebensmittelhändler – Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) – in einem Brief an mehrere Spitzenpolitiker ein Ende der Zugangsbeschränkungen, die noch immer in großen Teilen des Handels gelten. Dies ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Lebensketten selbst überhaupt nicht von der 2G-Regel betroffen sind. „Auf Basis unserer nunmehr fast zweijährigen Erfahrungen mit der Pandemie können wir feststellen, dass der Einzelhandel mit den geeigneten Hygienekonzepten (maßgeblich Maskenpflicht und Abstandswahrung) kein Infektionsherd ist“, schrieben die Handelsmanager in ihrem Brief. Das gelte unabhängig von den gehandelten Sortimenten.

Ob und was die 2G-Regel im Kampf gegen die Pandemie bringt, war von Anfang an umstritten. Während betroffene Händler vor herben Einbußen durch unsinnige Auflagen warnten, verwiesen zahlreiche Politiker und Gesundheitsexperten auf notwendige Kontaktbeschränkungen. 

Eine Datenauswertung des Kölner Informationsdienstleisters Hystreet, der mit Lasermessgeräten die Zahl der Passanten in vielen deutschen Innenstädten erhebt, deutet indes darauf hin, dass sich die Besucherzahlen im Verlauf der Corona-Pandemie überraschend robust entwickeln. 

Um die Auswirkungen der Covid 19-Pandemie auf die Passantenfrequenzen zu untersuchen, haben die Hystreet-Experten die Entwicklung der Besucherzahlen in 29 Einkaufslagen in 20 ausgewählten Städten jeweils in Abhängigkeit von behördlich angeordneten Kontaktbeschränkungen bis hin zu Lockdowns analysiert. Ein zentrales Ergebnis: Mit zunehmender Gewöhnung an das Leben mit der Pandemie hat sich die Frequenz in den Innenstädten zwar stabilisiert, liegt aber weiter deutlich unter den Vor-Corona-Werten. 

Entwicklung der Passantenfrequenz in deutschen Innenstädten

Das Vorpandemiejahr 2019 zeige einen typischen Verlauf der Passantenfrequenz: mit zunehmenden Besucherströmen im Jahresverlauf und  Spitzenwerten Richtung Weihnachten im November und Dezember, heißt es bei Hystreet. Bereits mit den ersten Covid-19-Ansteckungsfällen im Februar 2020 sei dann ein deutlicher Rückgang der Frequenz in den Innenstädten festzustellen – und damit noch bevor die Politik Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ergriffen hatte. 

Mit Inkrafttreten des ersten „Lockdowns“ im März 2020 geht die Mobilität stark zurück. Mit den schrittweisen Lockerungen im Sommer 2020 erreichen die Innenstädte aber weitgehend das Vorjahresniveau der Frequenz, im Schnitt rund 90 Prozent der 2019er Werte. 

Im September und Oktober 2020 fällt die Frequenz wiederum, noch bevor staatlich angeordnete Beschränkungen in Kraft. Der „Lockdown light“ im November 2020 und der „2. Lockdown“ ab Mitte Dezember bringen das Leben in der 1a-Einzelhandelslage bis in den Januar und Februar 2021 hinein wieder „komplett zum Stillstand“, heißt es bei Hystreet.  Lockerungen im März 2021 steigern die Frequenz kurzzeitig, bevor die „Bundesnotbremse“ ab April wieder zu sinkenden Zahlen bei den innerstädtischen Frequenzen führt. 



Im Juni, Juli, August 2021 erholen sich die Innenstadtfrequenzen trotz 3G-Regel wieder auf Vorjahresniveau. Das Jahresende 2021 ist zwar von stark steigenden Neuinfektionen geprägt, aber aufgrund von Impfungen, Testmöglichkeiten und der Öffnung von Gastronomie und Handel bleibt das Niveau der Passantenfrequenz vergleichsweise stabil. Im Dezember 2021 lag der Wert demnach im Vergleich zum Dezember 2019 bei 68 Prozent. Im Januar 2022 registrierte Hystreet einen „Füllstand“ zum 2019er Niveau von rund 75 Prozent

„Während anfangs Maske, Test- und Impfnachweis neu und hemmend waren, scheint dies heute beinahe schon zum Alltag der Menschen zu gehören und schränkt daher weniger bei der Freizeitgestaltung ein“, heißt es bei Hystreet dazu. Zudem zeige die Analyse, dass Frequenzrückgänge schon vor der Umsetzung behördlicher Maßnahmen beginnen, zum Beispiel vor Lockdowns. Viele Menschen würden die Notwendigkeit von Mobilitätseinschränkungen erkennen und sich während der Pandemie in der Mehrzahl verantwortungsvoll verhalten. Nach den Lockdowns kehren die Menschen wieder relativ schnell in die Innenstädte zurück. „Die Innenstädte erweisen sich mit Blick auf die Passantenfrequenzen als resilient“, konstatieren die Datenexperten.

Mehr zum Thema: Verschärfte Corona-Auflagen verderben Einzelhändlern das Weihnachtsgeschäft. Auch die Betreiber von Einkaufszentren trifft das hart.

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