WirtschaftsWoche: Herr Thiele, wieso verkriechen Sie sich so und nähren auf diese Weise Ihr Image des unerbittlichen, knorrigen Diktators?
Thiele: Von Verkriechen kann keine Rede sein. Ich bin sehr oft in der Öffentlichkeit, treffe Kunden und Geschäftspartner und bin auch sehr viel an unseren Standorten auf der ganzen Welt unterwegs. Letzte Woche erst war ich in Indien und habe eine Pressekonferenz zur Eröffnung unseres neuen Werkes gegeben. Da wir ein nicht börsennotiertes Unternehmen sind, besteht für mich allerdings keine Notwendigkeit, regelmäßig in der Presse zu erscheinen.
Das letzte Mal, als Sie etwas von sich preisgegeben haben, war vor zwölf Jahren zu Ihrem 60. Geburtstag. Seitdem haben Sie mehr zur Legendenbildung beigetragen als zur Klärung Ihrer Strategien.
Ich weiß, Journalisten sehen in mir lieber den exzentrischen, öffentlichkeitsscheuen Unternehmer. Aber das trifft nicht zu. Ich bin viel differenzierter.
Dann beweisen Sie uns das doch. Fangen wir mit der Politik an. Die große Koalition plant eine Frauenquote im Aufsichtsrat von Großunternehmen, einen Mindestlohn von 8,50 Euro sowie Einschränkungen bei Leiharbeit und Werkverträgen. Werden Sie deswegen Beschäftigung in Deutschland abziehen?
Nein, nach heutigem Stand nicht, da kann ich Entwarnung geben...
...obwohl die Eingriffe Ihre unternehmerische Handlungsfreiheit einschränken?
Das müssen Sie im Detail betrachten. Nehmen wir die Frauenquote. Ich bin nicht gegen Frauen eingestellt. Ich habe immer schon darauf gedrängt, in meinem von Männerberufen dominierten Unternehmen qualifizierte Frauen einzustellen. Aber eine Quote, ob im Management oder im Aufsichtsrat, würde ich nie akzeptieren und immer nach Auswegen suchen.
Warum?
Erstens würde das zu unsinnigen Personalentscheidungen im Einzelfall führen. Und zweitens gibt es zwischen Männern und Frauen Unterschiede, die unseren Fortbestand sichern. Es sind nun mal die Frauen, die die Kinder bekommen. Und diese oft sehr qualifizierten Mütter stehen dann dem Arbeitsprozess nicht mehr voll zur Verfügung. Das ist für die Gesellschaft so auch notwendig. Um eine Quote zu erfüllen, fehlt es daher oft an Frauen, die ihr Privatleben zugunsten des Berufes aufgeben oder stark einschränken und dann für eine Position etwa im Aufsichtsrat zur Verfügung stehen könnten.
Machen die geplanten Beschränkungen von Leiharbeit und Werkverträgen in Kombination mit dem Mindestlohn Ihre Standorte im Hochlohnland Deutschland nicht unattraktiver?
Uns tangiert das kaum. Wir haben zwar Leiharbeitskräfte und benötigen diese auch in Zukunft, um Produktionsspitzen und Sonderprojekte abzudecken. Werkverträge und Produktion auf billigere Kräfte auszulagern ist für uns jedoch kein Thema: Unsere Produktion ist so komplex, dass wir nichts auslagern können. Auch Mitarbeiter mit einfacheren Tätigkeiten sind und müssen sehr qualifiziert sein.
Gefällt Ihnen das Weiterwursteln in der Euro-Frage, auf das sich die Koalitionäre offenbar verständigt haben?
Als Unternehmer ist das für mich aufgrund unserer Standorte weltweit kein großes Thema, umso mehr aber für mich als Staatsbürger. Auch wenn es Ländern wie Spanien oder Portugal langsam besser zu gehen scheint, ist damit keine Tilgung ihrer Schulden verbunden. Ich rechne mittelfristig mit einem Schuldenschnitt, der zum großen Teil zulasten Deutschlands gehen und den Lebensstandard hier berühren wird. Wenn die Bundesregierung das Gegenteil behauptet, ist das eine totale Irreführung der Bevölkerung. Ich bedauere, dass es die Alternative für Deutschland, die AfD, nicht in den Bundestag geschafft hat. Ebenso vermisse ich dort die FDP. Zur Demokratie gehört auch eine ernst zu nehmende Opposition.
Wollen Sie raus aus dem Euro?
Nein, ich möchte den Euro beibehalten. Ich möchte aber, dass wir den Preis bestimmen, den wir für die Vorteile des Euro zu zahlen bereit sind. Jedes Ziel muss einen Preis, eine rote Linie haben, die man nicht überschreiten darf. Das vermisse ich.