Ukrainekrieg Wintershall Dea fordert Entschädigung für Nord-Stream-2-Stopp

Ein Schild ins Nirgendwo: Die Bundesregierung hat die Zertifizierung der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 vorerst gestoppt, US-Präsident Joe Biden verhängt Sanktionen. Quelle: REUTERS

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine rückt auch die BASF-Tochter Wintershall Dea von dem russischen Präsidenten ab. Bei einem Aus für die Ostsee-Pipeline rechnet das Unternehmen jedoch fest mit Entschädigung.

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Es ist eine heikle Lage, in der Mario Mehren, der Chef der Kasseler BASF-Tochter Wintershall Dea, sich gerade befindet. Mehren ist Russland-Kenner, Sprecher des Arbeitskreises Russland beim Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft. Die Verflechtungen sind eng. Russisches Erdgas macht einen Großteil der Produktion des Konzerns aus, 2021 waren es 38 Prozent.

Darüber hinaus gehört das Unternehmen zu einem Drittel der Letter One Gruppe des russischen Oligarchen Michail Fridman, BASF hält 67 Prozent. Und Wintershall Dea gehört zu den Finanziers der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Es ist Mehrens Job, die Kanäle so lange als möglich offen zu halten, so lange als möglich, mit Russland, mit Moskau im Gespräch zu bleiben.

Genau das hat Mehren in den vergangenen Tagen getan. Noch am vergangenen Wochenende äußerte er sich in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) skeptisch, dass Sanktionen gegen Russland der richtige Weg wären. „Mit wirtschaftlichen Sanktionen ist Menschen jedenfalls selten geholfen, wie die Vergangenheit regelmäßig gezeigt hat“, sagte Mehren. Er sagte auch, dass er gemeinsam mit anderen Wirtschaftsvertretern daran festhalten würde, mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin ein für kommende Woche geplantes Gespräch wahrzunehmen.

Ein Kredit für Nord Stream 2 in Höhe von 730 Millionen Euro

Nach der Anerkennung der von Separatisten dominierten Regionen im Osten der Ukraine durch Putin sowie dessen kriegslüsternen Rede am Montag schwenkte Mehren am Dienstag um. „Eine weitere kriegerische Eskalation wäre fatal“, sagte er in einem schriftlichen Statement. Er gehe nicht davon aus, dass das Treffen mit dem russischen Präsidenten wie geplant stattfinde. Am selbst Tag verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz den Stopp des Zertifizierungsverfahrens für Nord Stream 2 – ein Schlag für Wintershall. Der Konzern hat für das Projekt ein Darlehen in Höhe von 730 Millionen Euro gewährt. Für Fragen verwies Wintershall Dea jedoch auf das für diesen Donnerstag geplante „Jahrespressegespräch“, das nach der Vorstellung der Zahlen für das vergangene Quartal sowie für das Gesamtjahr 2021 stattfinden sollte.

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„Menschen sterben. Wir sind schockiert.“

Dazu ist es nicht gekommen. Am Donnerstagmittag sagte Wintershall Dea das „Jahresgespräch“ ab und veröffentlichte stattdessen ein schriftliches Statement Mehrens. „Der russische Staatspräsident hat eine Militäroperation gegen die Ukraine angeordnet“, sagte Mehren demnach. „Diese militärische Eskalation des Konflikts sehen wir mit sehr großer Sorge und Betroffenheit. Menschen sterben. Wir sind schockiert, was passiert.“ Es ist eine deutliche Distanzierung – auch von Wladimir Putin direkt. Die jüngste wirtschaftliche Eskalation erschüttere auch die über Jahrzehnte aufgebaute wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und Europa und werde „weitreichende Konsequenzen“ nach sich ziehen, sagte Mehren laut Statement. „Im welchem Umfang, das ist heute noch gar nicht abzusehen.“ Für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus Russland oder der Ukraine stammten, sei „diese Eskalation auf Anordnung der russischen Regierung ein harter Schlag.“

Gibt es eine Entschädigung für Nord Stream 2?

In Bezug auf Nord Stream 2 hieß es in dem am Donnerstag vorgelegten Geschäftsbericht für den „unwahrscheinlichen Fall, dass das Projekt nicht den Betrieb aufnehmen kann“: „Sollten politische Interventionen die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 verhindern, nehmen wir an, dass die Projektgesellschaft Ansprüche auf Entschädigung durchsetzen kann. Nach Einschätzung von Wintershall Dea ist zurzeit kein belastbares Szenario denkbar, in dem es zu politischer Intervention ohne Entschädigung käme.“ Neben Wintershall Dea gehören auch der Düsseldorfer Versorger Uniper, die österreichische OMV, die französische Engie und Shell zu den Finanziers.

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Geschäftlich läuft es für Wintershall Dea dank der hohen Energiepreise derzeit gut. Im vierten Quartal erzielte das Unternehmen einen bereinigten Betriebsgewinn von 1,5 Milliarden Euro – nach 500 Millionen Euro im Vergleichsquartal des Vorjahres. Für Wintershall Dea steht dieses Jahr eigentlich der – bereits zwei Mal verschobene – Börsengang an.

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