„The times they are a-changing“, sang Bob Dylan 1964 auf Vinyl. Längst gibt es das Lied auch digital. Es kommt nach einem Klick aus dem Netz auf den Computer oder das Smartphone – via Spotify, Napster und Youtube. Die Botschaft vom unaufhaltsamen Wandel gilt derweil weiter, auch für die Anbieter von Musikstreaming.
Die sind „derzeit der Wachstumstreiber auf dem deutschen Musikmarkt schlechthin“, wie Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbands der Musikindustrie (BVMI) erklärt. Nach einer Erhebung der Branchenorganisation stieg der Umsatz aus abobasierten und werbefinanzierten Streaming-Diensten 2014 um 80 Prozent. Der Boom hält an, doch nicht alle Dienste können davon profitieren. Im Gegenteil: Viele haben sogar ernsthafte Probleme.
Der bekannte deutsche Dienst Simfy hat Anfang Mai aufgegeben. Die Berliner Betreiberfirma ist bereits aufgelöst. Große Plattenfirmen hatten dem Musik-Abo-Anbieter zuvor die Lizenzen entzogen. Musikfans werden von simfy.de auf die Seite des französischen Anbieters Deezer weitergeleitet. Der Hinwies dazu ist bittersüß: „Deezer ist wie Simfy und viel mehr…“ steht auf der Seite. Viel erfolgreicher soll das wohl heißen. Mit Sicherheit aber viel überlebensfähiger. Deezer hat 2014 bereits Ampaya übernommen und kündigt an, jetzt in Europa noch stärker wachsen zu wollen.
Stark schluckt schwach, ein Branchentrend. „Nach der intensiven Wachstumsphase im Musikstreamingbereich folgt jetzt die Marktbereinigung“, sagt Peter Tschmuck, Professor für Kulturbetriebslehre an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. „Und die wird heftig.“
Der deutsche Musikmarkt im Wandel
2005: 1,748 Milliarden Euro
2009: 1,575 Milliarden Euro
2013: 1,452 Milliarden Euro
2014: 1,479 Milliarden Euro
Veränderung 2013/14: +1,8 Prozent
* Gesamtumsatz aus Musikverkauf, Synchronisation und Leistungsschutzrechten
Quelle: Jahrbuch der Musikindustrie
2005: 1,717 Milliarden Euro
2009: 1,402 Milliarden Euro
2013: 1,124 Milliarden Euro
2014: 1,107 Milliarden Euro
Veränderung 2013/14: -1,5 Prozent
* Cds, Schallplatten etc.
2005: 30 Millionen Euro
2009: 173 Millionen Euro
2013: 328 Millionen Euro
2014: 371 Millionen Euro
Veränderung 2013/14: +13,1 Prozent
* Downloads und Streaming
An dem Tag als Simfy sein Aus verkündete, stellte auch der US-Dienste Grooveshark nach verlorenen Gerichtsprozessen mit Musiklabels den Betrieb ein. Alles was von dem Urgestein des Musikstreamings übrig bleibt, ist eine Entschuldigung für Linzenzverletzungen der Vergangenheit.
Unter den verbliebenen Streamingdiensten wird der Ton derweil merklich rauer. Apple, dessen neuaufgelegter Dienst Beats im Frühsommer groß durchstarten soll, greift offenbar tief in die Kiste mit den schmutzigen Tricks. Die „New York Post“ und „The Verge“ berichten, dass der iPhone-Bauer derzeit Plattenfirmen unter Druck setzt, ihre Musik nicht mehr für Gratisangebote – etwa von Spotify – freizugeben. Gelänge das Manöver, bleibe die Konkurrenz stark geschwächt zurück. Amerikanische und europäische Wettbewerbshüter gehen den Vorwürfen bereits nach.
Die Apple-Episode zeigt, mit welchen Mitteln um die Aufteilung des jungen Marktes gerungen wird. Die Zukunft der Streaminganbieter entscheidet sich dabei an fünf grundlegenden Fragen.
1. Wie viele Streamingdienste verträgt der Markt?
Mehr als 15 Streaming-Anbieter listet der BMVI allein in Deutschland. Die meisten sind international aufgestellt. Mit weltweit 60 Millionen Nutzern auch hierzulande klarer Branchenprimus: Spotify. Auf den Plätzen folgen Konkurrenten wie Deezer und Napster. Sie alle gewähren Zugriff auf fast den gesamten Katalog der drei großen Musik-Labels (Universal, Sony und Warner) und die Musik hunderter kleiner Musikverlage.
Umsatzentwicklung digitaler Musikverkäufe
2008: 47 Millionen Euro
2013: 108 Millionen Euro
2014: 100 Millionen Euro
Veränderung 2013/14: -7,4 Prozent
Quelle: Jahrbuch der Musikindustrie 2014
2008: 41 Millionen Euro
2013: 147 Millionen Euro
2014: 145 Millionen Euro
Veränderung 2013/14: -1,2 Prozent
2008: 12 Millionen Euro
2013: 61 Millionen Euro
2014: 108 Millionen Euro
Veränderung 2013/14: 78,6 Prozent
Und auch große IT-Konzerne drängen in den Markt: Apple will nach der Übernahme von Beats seinen eigenen Dienst auf die Erfolgsspur setzen und wird ihn vorrausichtlich eng mit dem neuen iOS-Betriebssystem verknüpfen. Google betreibt mit Play Music All Access ein ähnliches Angebot wie Spotify, ein eigener Musikableger von Youtube ist in der Testphase. Und Amazon hat in den USA mit Prime Music ebenfalls einen Streamingdienst im Angebot. Bis der nach Deutschland kommt ist, es wohl nur eine Frage der Zeit.
Auch ohne Amazon sind es schon jetzt zu viele Anbieter. Selbst wenn bis 2018 tatsächlich 22 Millionen Deutsche zu Streamingnutzern geworden sind, wie der BMVI prophezeit. Für kleine Anbieter stehen die Chancen schlecht. „Grundsätzlich wird der Markt immer umkämpfter. Eine gewisse Größe ist zwingend erforderlich, um Skaleneffekte und Synergien richtig nutzen zu können“, sagt Thorsten Schliesche, beim Streaminganbieter Napster verantwortlich für das Geschäft in Europa.
Nicht profitabel, nicht besonders
Schliesche weiß wovon er spricht. Um die Jahrtausendwende war Napster der Inbegriff der illegalen Downloadszene. Später wurde er legal – und lernte die Regeln der Marktwirtschaft kennen: 2011 schluckte der internationale Musikkonzern Rhapsody den Dienst.
Branchenkenner Tschmuck ist überzeugt, dass die Kleinen ihr Heil bald nur noch in den Armen der Branchengrößen finden oder untergehen werden. „Binnen der nächsten zwei Jahre wird die Zahl der Musikstreamingdienste in Deutschland deutlich in den einstelligen Bereich fallen“, glaubt er. Wann Schluss ist mit der Schrumpfkur, vermag auch der Branchenkenner nicht zu sagen. Das hängt entscheidend davon ab, wie die Dienste in Zukunft ihr Geld machen.
2. Wann verdienen die Dienste endlich Geld?
Egal ob Spotify, Deezer oder Napster: Gewinn wirft keiner von ihnen ab. Streamingdienste sind bislang ein Zuschussgeschäfte. Nicht nur Expansionen in neue Märkte kosten. Werbung und Weiterentwicklung der Plattformen verschlingen viel Geld – und für die eigentlichen Inhalte werden gewaltige Summen an Lizenzgebühren fällig. Einen zweistelligen Millionenbetrag muss man für den Katalog eines Majors schon auf den Tisch legen, heißt es in der Branche.„Die Markteintrittshürden und die Kosten, um dabei bleiben zu können, sind immens“, sagt Tschmuck. „Allein ist das kaum zu stemmen.“
Download vs. Streaming
In welchen Ländern wird besonders viel gestreamt - und wo besonders viel heruntergeladen? Einige Daten zum Verhältnis von Einnahmen aus dem Musikstreaming zu Einnahmen aus klassischen Downloadverkäufen in ausgewählten Ländern.
Quelle: IFPI
Stand: 2014
Kanada gehört zum "Download-Lager". Hier machen Einnahmen aus Downloads 83 Prozent der Einnahmen aus der digitalen Musikvermarktung aus. Nur 8 Prozent der Einnahmen kamen aus Gebühren für Musikstreaming.
Auch die Australier sind Fans des Herunterladens von Musik auf ihre Computer und Handys. 82 Prozent der Einnahmen aus der digitalen Vermarktung von Musik kamen hier aus dem Geschäft mit dem Kauf per Download. 12 Prozent der Einnahmen hingegen stammen aus dem Streaming-Bereich.
Auch die Deutschen besitzen ihre Musik gerne permanent (70 Prozent der Einnahmen aus der digitalen Vermarktung von Musik stammen hier aus dem Geschäft mit Downloads). Aber: Immerhin 24 Prozent der Einnahmen aus dem Geschäft mit der digitalen Musikvermarktung stammen hier schon von Streaming-Plattformen.
Die Einwohner der USA stehen dem Streaming wohl mehrheitlich skeptisch gegenüber (hieraus stammen nur 14 Prozent der Einnahmen aus der digitalen Musikvermarktung), aber auch Downloads von einzelnen Titeln und Alben generieren nur 55 Prozent der Einnahmen aus dem Geschäft mit der digitalen Musikvermarktung.
In Finnland hingegen können Streaming-Dienste 75 Prozent der Einnahmen (digitale Vermarktung) mit Musik für sich verbuchen. Nur noch 11 Prozent der Einnahmen stammen aus dem Geschäft mit Downloads.
Auch die Norweger müssen ihre Musik nicht zwingend dauerhaft besitzen (aus dem Downloadgeschäft stammen 12 Prozent der Einnahmen aus der digitalen Musikvermarktung). 88 Prozent der Einnahmen aus der norwegischen digitalen Vermarktung von Musik kommen von Streaming-Diensten.
91 Prozent der Einnahmen aus dem Geschäft mit der digitalen Vermarktung von Musik stammen in Südkorea von Streaming-Diensten. Der Download macht gerade einmal 5 Prozent der Einnahmen aus.
Genau wie in Schweden. Hier kommen ebenfalls nur 5 Prozent der Einnahmen aus der digitalen Musikvermarktung aus Downloads. 92 Prozent der Einnahmen generieren sich aus der Nutzung von Musikstreaming-Diensten.
Um Geld zu machen, setzten die meisten Anbieter auf ein Abomodell. Für zehn Euro im Monat legen die Dienste ihren Kunden das gesamte Portfolio zu Füßen. Um Reichweite aufzubauen, erlauben manche Dienste werbefinanziertes Gratishören. So sind 45 der 60 Millionen Spotify-Kunden eigentlich Gratisnutzer. Das Problem: Rentabel ist das Geschäft mit der Werbung nicht. Für die Anbieter bleibt nur die Hoffnung, dass möglichst viele Hörer ins Premium-Lager wechseln.
Bis die Gewinne sprudeln, sammelt Spotify mit neuen Finanzierungsrunden Millionenbeträge bei Risikokapitalgebern ein. Auch über einen Börsengang wird immer wieder spekuliert. Die Musikindustrie selbst stärkt dem Branchenprimus den Rücken: Wie auch bei Wettbewerbern wie Deezer und Rdio sind Majorlabels an Spotify beteiligt. Napster wird vom größeren Mutterkonzern Rhapsody mitgetragen.
Im Vorteil sind die Streaminganbieter der großen IT-Konzerne. „Google, Apple und Amazon ist erstmal egal, ob die Streamingdienste profitabel sind“, sagt Tschmuck. „Die wollen vor allem ihr Kerngeschäft stärken.“ Während Google von Traffic und Daten profitiert, wird Apple Beats in sein eigenes Ökosystem einbinden und so die Nutzer bei der Stange halten. Ohne allzu großen wirtschaftlichen Druck können die Dienste in der Nische wachsen, sind aber auch auf das Wohlwollen der Konzerne angewiesen.
3. Wo bleibt das Alleinstellungsmerkmal?
Selbst wer die erste Auslese übersteht, hat mittelfristig ein Problem. Obwohl die Anbieter es vehement bestreiten: Bislang sind die Streamingdienste ziemlich austauschbar. 30 bis 40 Millionen Titel haben die meisten im Angebot. Mehr oder weniger ein Standardrepertoire, mit wenigen Ausnahmen. Die Klangqualität ist auf einem ähnlichen Niveau.
„Über die bloße Anzahl der Titel werden sich die Anbieter in Zukunft kaum differenzieren können“, sagt Industrieverbands-Chef Drücke. Es braucht ein Alleinstellungsmerkmal. Etwas, das die Dienste von den Konkurrenten abhebt.
Das wirkt umso schwerer, weil sich die Streamingdienste nicht nur untereinander Konkurrenz machen. CD, Musikdownloads und selbst Vinyl machen nach wie vor den größten Anteile am Umsatz der Musikindustrie in Deutschland aus. „Viele deutsche Musikhörer sind ihrer physischen Welt derzeit durchaus zufrieden“, sagt Drücke. Im Vergleich zu Schweden, wo Streamingdienste bereits den Löwenanteil am Musikgeschäft ausmachen, ist Deutschland eine Nation von CD-Verrückten und Vinyl-Verliebten. Wollen die Streamingdienste sie als Nutzer, müssen sie sich etwas einfallen lassen.
„Die Dienste müssen emotionaler und persönlicher werden“, glaubt Tschmuck. „Als anonyme Technikplattform kann es für sie nicht weitergehen.“ Erste Ansätze sind bereits gemacht. Anbindungen an die Sozialen Netzwerke haben längst die meisten, vorgefertigte Playlisten und computergenerierte Empfehlungen auch. Immer mehr Anbieter wollen aber weg von den maschinell gefertigten Vorschlägen, hin zu Hörtipps von echten Musikredakteuren. Apple geht bei dem Versuch, seinen Diensten einen individuellen Anstrich zu geben, noch einen Schritt weiter – und wertet seinen Beats-Vorgänger iTunes Radio mittlerweile mit hochkarätigen BBC-Moderatoren auf.
Aufbegehren der Musiker
„Personalisierung und bessere Empfehlungen für Nutzer liegen derzeit besonders im Fokus“, bestätigt Napster-Manager Schliesche die Überlegungen der Branche. Und schiebt ein weiteres Thema hinterher, dass den Streaminganbietern unter den Nägeln brennt: „Exklusivität bei den Inhalten“.
4. Wer mit wem?
Im Videostreaming-Segment sorgen Netflix und Amazon gerade mit hochwertigen Eigenproduktionen für Aufsehen, im Kampf um die beliebteste TV-Produktion liefern sie sich einen Bieterwettstreit. Film- und Serienfans wägen sorgfältig ab, welcher Anbieter welchen Star im Angebot hat. Lange es so es so aus, als wäre eine ähnliche Entwicklung in der Musikbranche undenkbar. In jüngster Vergangenheit zeichnet sich jedoch ein Trend zu Exklusiv-Deals ab.
Treibende Kraft sind mitunter die Künstler selbst. Die stöhnen laut, dass von den Streamingebühren nur Kleckerbeträge bei ihnen ankommen. Entnervt und öffentlichkeitswirksam erteilten schon Branchengrößen wie Taylor Swift den Streamingdiensten eine Absage. Jay Z, nicht nur selbst eine HipHop-Größe sondern auch ein einflussreicher Produzent, ging vor wenigen Wochen mit seinem eigenen Streamingdienst Tidal an die Öffentlichkeit und verkündete feierlich die „Wiedereinführung des Wertes der Musik“. Bei ihm, so das Versprechen, wird bis zum Doppelten der üblichen Abspiellizenzen an die Künstler ausgezahlt.
Wer am Musikstreaming verdient
Wirtschaftsexperten von Ernst & Young haben im Auftrag des Verbandes der französischen Musikindustrie SNEP exemplarisch ausgerechnet, wieviel die einzelnen Parteien von jenen 9,99 Euro erhalten, die ein Premiumabo bei Diensten wie Spotify und Deezer kostet.
… behält demnach 2,08 Euro .
… bekommt 1,67 Euro insbesondere durch die Umsatzsteuer.
… bekommen einen Anteil von 1 Euro.
… behalten 4,56 Euro.
… bleiben am Ende 0,68 Euro. Die werden nach Häufigkeit der Abrufe unter den Musikern aufgeteilt. Unbekanntere Bands erhalten entsprechend wenig.
Dahinter steckt freilich Kalkül. Nicht nur, dass Jay Z geschickt die Werbetrommel rührt. Mit den Versprechungen und guten Branchenkontakten hat er Künstler wie Madonna, Kanye West, Rihanna und Beyoncé zu exklusiven Deals und frühere Veröffentlichungen auf Tidal bewegt. Schafft er bedeutende Künstler zu Sonderverträgen zu überreden, wäre dies das wichtigste Alleinstellungsmerkmal überhaupt. Auch Apple hat bereits angekündigt, Musiker exklusiv unter Vertrag nehmen zu wollen.
Unter den Wettbewerbern stößt die Strategie auf Skepsis: „Grundsätzlich sehen wir hier eine riskante Bewegung für den Endkonsumenten und die Musikindustrie“, sagt Napster-Manager Schliesche. „Streaming ist noch nicht im Massenmarkt angekommen und konkurriert weiterhin mit verschiedenen anderen Entertainment- und Musik-Angeboten. Da ist es schwer, einem Kunden zu vermitteln, dass bestimmte Künstler nur bei diesem und andere Künstler wiederum nur bei einem anderen Service sind.“ Man könne doch nicht vom Konsumenten erwarten, dass er zwei bis drei Services bezahlt, um alle Musiker zu hören.
Top Ten der Digitalverkäufe (Singles) 2014
Bailando (Enrique Iglesias feat. Sean Paul, Descemer Bruno, Gente de Zona)
Verkäufe: 8 Millionen
Rude (MAGIC!)
Verkäufe: 8,6 Millionen
Problem (Ariana Grande feat. Iggy Azalea)
Verkäufe: 9 Millionen
Fancy (Iggy Azalea feat. Charli XCX)
Verkäufe: 9,1 Millionen
Timber (Pitbull feat. Ke$ha)
Verkäufe: 9,6 Millionen
Let It Go (Idina Menzel)
Verkäufe: 10,9 Millionen
All About That Bass (Meghan Trainor)
Verkäufe: 11 Millionen
All Of Me (John Legend)
Verkäufe: 12,3 Millionen
Dark Horse (Katy Perry feat. Juicy J)
Verkäufe: 13,2 Millionen
Happy (Pharrell Williams)
Verkäufe: 13,9 Millionen
Tatsächlich würden mehr Exklusiv-Deals wohl vor allem den kleineren Diensten aus der zweiten Reihe zusetzen, die ohne finanzstarken Partner auskommen müssen. Wer auf lange Sicht nicht mit großen Stars aufwarten kann, wird auf der Strecke bleiben.
Das Interesse der drei großen Musiklabels, Universal, Sony und Warner, ihre Publikumslieblinge Stars künftig nur noch bei ein oder zwei Streaminganbietern zu platzieren, dürfte aber begrenzt sein. Sie verdienen an der Vermarktung ihrer ganzen Kataloge an verschiedene Anbieter schließlich besonders gut.
Da die drei Majors rund 80 Prozent des globalen Umsatzes machen und noch immer die überwiegende Mehrzahl der Publikumslieblinge unter Vertrag haben, ist von einer Zersplitterung der Musikstreaming-Branche wie im Videosegment derzeit nicht auszugehen.
5. Welche Technik hilft beim Durchbruch?
Ihre Einführung wurde als Revolution gefeiert, die die Art Musik zu hören grundlegend verändern würde. Plötzlich hatten Musikfreunde Zugriff auf Millionen Titel – dank Smartphones sogar nahezu überall.
Nach dem Vorwärtssprung, den ihr Markteintritt brachte, sind große Innovationen in der Streaming in den vergangenen Jahren rar geworden. Die Entwicklung geht langsam voran, beschränkt sich meist auf Verbesserungen an den Plattformen und darauf die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. In der Klangqualität haben einige Dienste CD-Qualität erreicht. Andere bleiben so knapp darunter, dass es dem normalen Hörer nicht auffällt. Viel Bewegung ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.
Das heißt jedoch nicht, dass der technische Fortschritt keinen maßgeblichen Einfluss auf die Zukunft der Streamingbranche hat. Es sind jedoch vor allem externe Faktoren, die die Entwicklung vorantreiben. „Entscheidend für das Wachstum im Streamingbereich ist der Netzausbau und die Verfügbarkeit von schnellem Internet unterwegs“, sagt BMVI-Geschäftsführer Drücke.
Mit dem Ausbau des schnellen Mobilnetzes und neuen, großen Datentarifen auch für normale Smartphonenutzer, wächst das Interesse an den digitalen Musikbibliotheken in der Cloud. Kein Wunder, dass Streaminganbieter Mobilfunkkunden derzeit als eine Kernzielgruppe auserkoren haben, die sie mit Bundle-Angeboten erreichen wollen: Als Dreingabe zu bestimmten Verträgen gibt es Abos für die Musikdienste, entweder vergünstigt oder so, dass das Abspielen das Datenvolumen nicht auffrisst.
In der Branche gelten die Deals, die Spotify etwa mit der Telekom oder Napster mit O2 und E-Plus geschlossen hat, als fruchtbares und vor allem wirtschaftlich zukunftsfähiges Modell. Die Dienste profitieren von den neuen Hörern, die Telefonanbieter vom zusätzlichen Service und dem Inhalt, mit dem sie Vertragskunden locken können.
Kooperationen gehen die Streaminganbieter immer häufiger auch mit Anbietern von Zubehör ein. Weil drahtlose Soundsysteme von Sonos oder Teufel die Wohnzimmer erobern, versuchen die Musikdienste ihr Angebot bei möglichst vielen Anbietern unterzubringen. Auch Autohersteller haben sie längst als vielversprechende Partner auserkoren. Stolz verkünden Spotify, Deezer und Napster, das sie bald auch über die Infotainment-Systeme von BMW oder Audi zu empfangen sind.
Markt für drahtlose Soundsysteme für zu Hause
Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat den Markt für drahtlose Musikübertragung in Deutschland zwischen Januar 2013 und August 2014 untersucht.
Januar 2014 - August 2014 | Wachstum im Vergleich zum Vorjahr (jeweils Januar bis August) | |
Stückzahlen | 369.244 | 145% |
Verkaufswert (Euro) | 91.483.207 | 110% |
Dem Drang, auf immer mehr Geräten abspielbar zu sein, kann sich kein Musikdienst verschließen. „Der Kunde möchte nicht vorgeschrieben bekommen, wie und wo er seine Musik nutzen kann“, sagt Napster-Manager Schliesche. Im Klartext: Wer bei den Verhandlungen mit wichtigen Soundsystemherstellern, Geräte-Produzenten, ja selbst Autobauern pennt, verliert wichtige Kundesegmente – und könnte daran auf Dauer zugrunde gehen.