Tausendsassa Hans Reitz Vom Indien-Abenteurer zum Multi-Unternehmer

Der Bayer Hans Reitz berät Dax-Konzerne, hilft indischen Kaffeebauern, betreibt einen Kinderladen und ein afghanisches Lokal. Für manch einen Dax-Vorstand ist der Mann mit Hut gewöhnungsbedürftig. Aber gebraucht wird er oft.

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Hans Reitz Quelle: Silv Malkmus

Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, der Erfinder der Mikrokredite, zählt zu seinen Geschäftspartnern – aber auch der Düsseldorfer Energiekonzern E.On, der Ludwigshafener Chemieriese BASF, der Sportartikelhersteller Adidas und andere große Unternehmen. „Er verbindet geschäftliche Energie und Mitgefühl“, urteilt Yunus über seinen deutschen Geschäftspartner.

Hans Reitz heißt der Mann, ist 44 Jahre alt und gründet Unternehmen auf Teufel komm raus. „Unternehmer zu sein“, sagt er, „ist wie ein Abenteuer: Man weiß nie, was auf einen zukommt.“ Immer wieder stürzt sich der gebürtige Bayer, der gern in legerer, bequemer Kleidung auftritt und zuweilen Hut trägt, in neue Abenteuer. Reitz rief Veranstaltungsagenturen, eine kleine Kaffeehauskette, ein Kindermodegeschäft und ein afghanisches Lokal ins Leben. Insgesamt schätzt er den Jahresumsatz seiner Unternehmen in diesem Jahr auf 20 Millionen Euro.

Reitz braucht den Kick, das Neue. Mit Anfang 20 verlässt er seinen Heimatort Bad Abbach bei Regensburg, reist nach Indien, lebt dort sieben Jahre auf dem Land, studiert klassische südindische Musik. Zurück in Deutschland, managt er eine Artisten- und Theatertruppe. Schnell merkt der Bayer, das es ihm liegt, Veranstaltungen zu organisieren und macht sich selbstständig. Aus dem zeitweiligen Aussteiger wird ein Dauerunternehmer.

Reitz’ Agentur Circ organisiert heute unter anderem Veranstaltungen für BASF und Adidas. Es sind oft Zusammenkünfte der anderen Art. Zweimal wurde Circ von Branchenkollegen als kreativste Event-agentur Deutschlands ausgezeichnet. Als der Energiekonzern E.On vor etwa sechs Jahren in Bulgarien investierte, brachte Reitz die Führungskräfte mit ganz normalen bulgarischen Familien zusammen und ließ sie etwa mit dem inzwischen verstorbenen Theaterregisseur Christoph Schlingensief oder Gerd Bakeberg, den Einsatzleiter beim Zugunglück in Eschede, diskutieren. Er wolle Horizonte erweitern und verändern, sagt Reitz, auch das Denken von Energiemanagern. Für manche altgediente E.On-Führungskraft war das alles ziemlich gewöhnungsbedürftig.

Waffenfreie Zone

Zwischendurch zieht es Reitz immer wieder nach Indien. Im südindischen Kumily erwirbt er – gemeinsam mit seinem besten Freund Reinhold Treitinger – Land, kommt mit den Kaffeebauern ins Gespräch und lässt den Kaffee nun zu fairen Preisen – die Bauern erhalten fünf Euro für das Kilo – nach Deutschland importieren. In seiner kleinen Kaffeehauskette „Perfect Day“, die er an seinem Wohnort Wiesbaden, am Frankfurter Flughafen und in Kolumbien betreibt, bietet Reitz den Latte macchiato aus indischen Bohnen für 3,40 Euro an. 1000 Gramm der Sorte „Organic Kemala Shakti“ gibt es für 22,50 Euro.

Um „Perfect Day“ in der Wiesbadener Fußgängerzone hat Reitz gleich weitere Unternehmen gruppiert: das afghanische Speiselokal „Fasan“ in der angrenzenden Friedrichstraße und „Lalaland“, ein Geschäft für ausgefallene Kindermode nur wenige Meter entfernt. Auf der Karte im „Fasan“ stehen Reis, Hühnchen, Rosenkohl und Couscous. Die Menüs kosten zwischen sechs und sieben Euro. Reitz ist hier vor Jahren eingestiegen, nachdem die afghanische Familie Zadran, die das Lokal betreiben wollte, keinen Kredit erhielt. Im „Lalaland“, das seine Freundin führt, möchte Reitz demnächst ein Begegnungs-café für Mütter und Kinder einrichten.

Reitz wirkt, bei allem was er unternimmt, wie ein kleiner Missionar. Der Kiosk nebenan etwa gehört ihm zwar nicht. Doch Reitz hat den Besitzer überredet, künftig – als wahrscheinlich einziger Büdchenbesitzer in Deutschland – Alkohol und Tabak aus den Regalen zu nehmen und stattdessen lieber mehr Schreibwaren und Hefte für Schüler anzubieten. Auch den Besitzer des benachbarten Waffengeschäfts „Okay“ hat Reitz im Visier, er möge doch auf das Schießgerät verzichten und sich auf das Geschäft mit Gravuren und Stempeln beschränken. „Das wird noch einige Jahre dauern“, sagt Reitz, ist aber überzeugt, dass die Zeit für ihn arbeitet.

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