Ergo, Allianz und Co. Der digitale Nachholbedarf der Versicherer

Die bislang trägen Versicherer wollen schneller und besser erreichbar für ihre Kunden werden. Gerne auch über soziale Medien.

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Ergo, Allianz und Co. müssen beim Thema Digitalisierung noch aufholen. Quelle: imago images

An guten Tagen ist die Aussicht aus der 20. Etage der Ergo-Zentrale in Düsseldorf atemberaubend, sie reicht dann den Rhein hinunter fast bis nach Köln. Allzu viele Mitarbeiter der Versicherung haben bisher nichts davon. Denn etliche Räume in den oberen Etagen des gläsernen Büroturms stehen noch leer. Ergo-Chef Markus Rieß will das ändern.

Der Mann ist ehrgeizig. Bis vor eineinhalb Jahren leitete er das deutsche Geschäft der Allianz, eigentlich wollte er gern an die Spitze des Münchner Konzerns rücken. Allianz-Chef aber wurde Oliver Bäte. Bei der deutschen Nummer zwei will Rieß zeigen, dass er es auch gut, wenn nicht sogar besser kann.

Besser werden kann es auf jeden Fall. Im vergangenen Jahr schrieb die Ergo tiefrote Zahlen. Ihr Chef will ausmisten, aufräumen, mit frischen Leuten für frischen Wind sorgen. Das behäbige Unternehmen soll zu einem modernen, coolen und – natürlich – total digitalen Dienstleister werden, der seine Kunden begeistert. Das ist der Plan.

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Gut finden den nicht alle. Die Beharrungskräfte sind beträchtlich, in manchen Büros geht es zu wie in der TV-Serie „Stromberg“. „Da fällt um fünf Uhr der Griffel“, stöhnt einer, der neu zum Management gestoßen ist. Manche Mitarbeiter ließen es gern geordnet und gemütlich angehen. Deshalb hätten sie sich den Job ja auch ausgesucht.

Nun aber soll bei Ergo und anderen Versicherern auf einmal alles ganz schnell gehen. Sie wollen in die digitale Welt aufbrechen, lockern interne Strukturen, beschleunigen Abläufe, kooperieren mit Start-ups, schaffen die Krawattenpflicht ab und gründen Ableger in Berliner Hinterhöfen. Doch kaum eine Branche tut sich mit dem Wandel so schwer. Die Strukturen sind starr, vor allem aber haben die Versicherer den Trend erst spät entdeckt. Nun wollen sie Versäumtes nachholen, aber leicht wird das nicht. Sie drohen Geschäft an Wettbewerber zu verlieren, die früher angefangen haben.

„Die Versicherer haben sehr lange sehr gut verdient“, sagt Christian Mylius, Versicherungsexperte und Partner der Beratungsgesellschaft EY Innovalue in Hamburg. Deshalb beschäftigten sich etliche erst seit dem vergangenen Jahr ernsthaft mit der technologischen Revolution. „Viele Versicherer sind behäbig und langsam“, findet Mylius.

Der Druck ist groß, das zu ändern. Immer mehr Kunden schließen Policen über Computer, Tablet und Smartphone ab. Laut einer aktuellen Studie der Münchner Beratung Bain & Company informieren sich bereits 33 Prozent aller Befragten über Sachversicherungen auf digitalen Kanälen, 22 Prozent schließen die Versicherung auch online ab. Selbst bei komplizierteren Produkten wie Lebensversicherungen erkundigen sich 21 Prozent der Befragten digital, 13 Prozent zeichnen die Police online.

Außerdem belasten die niedrigen Zinsen das Geschäft, die klassische Lebensversicherung ist bereits so gut wie tot. Ergo, Allianz und Co. müssen Alternativen finden, Kosten senken, digital auf ihre Kunden zugehen. Und dabei erkennen, dass diese mehr sind als abstrakte Wesen, die einmal im Jahr Post vom Vertreter bekommen oder gelegentlich in dessen Agentur vorbeischauen.

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