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Rhetorik: So wehren Sie sich gegen unfaire Diskussionsmethoden Quelle: imago images

Rhetorik: So wehren Sie Schläge unter die Gürtellinie ab

Unfaire Diskussionsmethoden haben einen Vorteil: Sie wirken. Wenn Sie schnell erkennen, dass Ihr Gegenüber Sie im Gespräch fies angeht, können Sie locker reagieren.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

In einer perfekten, aber auch sehr langweiligen Welt würden Gesprächspartner ihre Standpunkte in aller Seelenruhe austauschen und sich dann am Ende für die inspirierenden Ergüsse des Anderen bedanken. Doch im wahren Leben geht es in den wenigsten Gesprächen um reinen Gedankenaustausch.

Meist geht es den Beteiligten darum, andere vom eigenen Standpunkt zu überzeugen. Sei es den Gesprächspartner selbst oder in Konferenzen, bei Podiumsdiskussionen oder in Fernsehtalkshows vor allem das Publikum.

Streng genommen gilt hier nur eine Regel: Es sind alle Mittel erlaubt, solange sie nicht strafbar sind. Was nicht heißt, dass alles, was erlaubt ist, wohlwollend, nett und freundlich ist. Im Gegenteil. Oftmals wenden Gesprächspartner fiese rhetorische Methoden an (sehr häufig sogar ohne es selbst zu wissen). Doch wenn Sie die Methoden erkennen, können Sie schnell professionell kontern:

1. Frechheit: Absichtlich dazwischen quatschen

Stellen Sie sich vor, Sie sind Soziologe und erläutern gerade, dass es sinnvoll wäre, ausreisepflichtige Ausländer schneller als bislang abzuschieben, um die Akzeptanz von Zuwanderung in der Gesellschaft zu erhöhen. Daraufhin redet einer der Diskussionsteilnehmer dazwischen: „Aha, mit den Schwächsten der Schwachen kann man es also machen.“

Oder Sie sind Umweltexperte und vertreten den Standpunkt, dass es für das Klima besser wäre, so schnell wie möglich von Verbrennungsmotoren auf Elektroautos umzusteigen. Und während Sie das gerade ausführen, brummt ein Vertreter der Autoindustrie dazwischen: „Sind Ihnen tausende Arbeitsplätze in Deutschland also egal?“

Ihnen mal eben einen unhaltbaren Standpunkt unterzujubeln, das ist nur eine Möglichkeit, wie Dazwischenquatschen einen aus dem Konzept bringen kann und Sie damit unter Druck setzt. Denn der Reiz ist einfach zu groß, sofort auf diese unfairen Unterstellungen anzuspringen: „Das habe ich so nicht gesagt.“ Woraufhin der Andere kontern könnte: „Gesagt nicht, aber gemeint, denn nichts anderes bedeutet es.“

Und schwupp ist der Einwurf nicht nur Bestandteil der Sachdiskussion. Sie stehen obendrein als Ignorant mit dem Rücken zur Wand. Ihr roter Argumentationsfaden ist gerissen und Sie sind im schlimmsten Fall aus dem Konzept geraten.

Das geht leider noch einfacher. Einwürfe wie „das ist nichts Neues“, „Sie wiederholen sich“, „das glaubt Ihnen doch kein Mensch“, „da sind Sie aber falsch informiert“, verlocken, seinen Gedankengang abzubrechen und zu erwidern: „Wie kommen Sie denn darauf, dass das nicht stimmt, was ich sage? Lesen Sie die Studie XY...“. Und schwupp ist der Redefluss flöten.

Das sollten Sie sich nicht gefallen lassen. Was tun? Faustregel: Gehen Sie nicht inhaltlich auf die Unterbrecher-Einwürfe ein. Sonst lassen Sie sich vom Störer vor sich her treiben. Sondern legen Sie offen, was gerade passiert:

Entlarven Sie etwa die unfaire Unterstellung zu Abschiebung und Elektroautos in aller Ruhe: „Sie wissen hier offenbar mehr über meine inneren Beweggründen als ich. Woher?“

Oder sagen Sie: „Wenn Sie ständig dazwischen reden, kann ich mein Anliegen nicht richtig darlegen.“

„Ich habe den Eindruck, Sie unterbrechen mich nur, weil Sie nicht möchten, dass ich meine Argumente vortrage.“

Tun Sie das vor Publikum am besten nicht in heller Empörung: „Jetzt lassen Sie mich endlich mal ausreden, Sie durften eben auch ewig reden!“ Sondern versuchen Sie, ganz gelassen zu wirken. Umso blöder steht der Störer da.

2. Frechheit: „Selten so einen Mist gehört!“

Stellen Sie sich vor, Sie müssen als Unternehmensberater Mitarbeiter von unbeliebten Veränderungen überzeugen. Wenn Sie vor vielen Menschen sprechen, die Ihnen nicht sonderlich zugeneigt sind, kann die Stimmung, von einzelnen angeheizt, schnell gegen Sie umschlagen. Denn Sabotage-Versuche Einzelner werden in solch kritischen Situationen gerne von den Anderen aufgegriffen.

Stellen Sie sich dann vor, einer ruft dazwischen: „Ich habe selten so einen Mist gehört.“ Was tun? Naheliegend wäre, an die Vernunft zu appellieren: „Ach, seien Sie doch nicht so unfair. Ich mache doch auch nur meinen Job.“ Sie decken auf und entlarven, okay. Aber damit zeigen Sie andererseits auch, dass Sie auf das Wohlwollen der Vielen angewiesen sind. Das kann gut gehen. Im Zweifel kann das aber auch nach hinten los gehen.

Mehr Zeit für gut überlegte Argumente

Noch ungünstiger wäre es natürlich, mit breitem Hals auf gleichem Niveau zu kontern: „Reden Sie doch selbst keinen Mist.“ Damit bringen Sie das Publikum erst recht gegen Sie auf.

Es geht besser. Mit dem Gegenteil. Mit „Engelszungen“ nämlich. Packen Sie den Störer in Watte.

Sagt der: „Sie reden echt hirnverbrannten Bullshit“, gehen Sie auf den Störer zu und antworten Sie: „Ok. Und was möchten Sie mir noch mit auf den Weg geben?“

Oder: „Verstehe. Und haben Sie sonst noch ein Anliegen?“

In der Regel musste der Zwischenrufer schon genug Mut und Energie aufbringen, um unsachlich dazwischenzufunken. Dezidierte Listen mit Argumenten hat der gar nicht im Kopf. Und wird aller Wahrscheinlichkeit nach peinlich berührt schweigen. Denn natürlich merkt der nun: Sie nehmen ihn gerade ein wenig auf den Arm. Aber dies so charmant, dass Sie die Herzpunkte sammeln. Und alle wissen Bescheid: Wer stört, wird in den Mittelpunkt gerückt und befragt. Das schreckt ab.

3. Frechheit: Gespräch hemmungslos sabotieren

Ich hatte das vor einigen Jahren mal als Moderator im Fernsehstudio: Der über den vorab gesendeten Beitrag zu seinem Thema verärgerte Gast antwortete auf meine Fragen absichtlich nicht, sondern äußerte sich zu Dingen, die wir zehn Minuten vorher in einem anderen Themenblock behandelt hatten, die ihn aber eigentlich gar nicht betrafen: „Aber eins will ich noch zu dem anderen Thema sagen...“ Und die Uhr tickte. Die komplette Sabotage. Was tun?

Wenn Sie vor Publikum auftreten, können absichtliche Störungen verpuffen, wenn Sie sie ignorieren. Das muss aber nicht in jedem Fall heißen, dass Sie so tun, als hätten Sie sie nicht gehört. Ignorieren kann auch heißen, den Störer mit seiner Attacke abblitzen zu lassen.

Ein Beispiel. Einwurf aus der letzten Reihe: „Hier stinkt's. Haben Sie da vorne einen fahren lassen oder war ich das?“ Ja, auch so etwas ist letztendlich ein rhetorischer Trick: Stören, wie es nur geht.

Oder anonym aus der Masse getuschelten Beleidigungen wie Lügner, Verräterin, Idiot -  alles inakzeptable Unverschämtheiten. Aber soll es auf diese Weise einfach gelingen, Ihren Auftritt zu ruinieren?

Lassen Sie die reingerufenen Bemerkungen einen Moment lang wirken. So dass das Publikum Zeit genug hat, sich zu denken: „Auweia, wie reagiert der oder die jetzt wohl auf diese Provokation?“ Und dann antworten Sie gelassen und ohne sich Ärger anmerken zu lassen: „Können wir dann jetzt weitermachen?“

Eiskalte Schulter. Das ist das souveränste, was ich mir in diesem Fall vor Publikum vorstellen kann.

So ähnlich habe ich es auch in meinem Fernseh-Interview versucht. Einfach ohne Umschweife zurück zum Thema. Die wertvollen Sekunden waren allerdings trotzdem futsch.

Übrigens: Ein gutes Gefühl ist es, bei allem Krawall unter der Gürtellinie eines im Hinterkopf zu haben. Nämlich die Option, das Gespräch sofort zu beenden. Abbrechen heißt nicht, dem Anderen Recht zu geben.

Das musste ich auch erstmal lange lernen. Gut, in einer Fernsehtalkshow mag es zwar sehr theatralisch wirken, als Gast mitten in der Sendung das Studio zu verlassen. Und als Moderator wäre dies höchstens denkbar, wenn der Gast körperliche Gewalt androht. Aber gerade im Gespräch unter vier Augen kann es sinnvoll sein zu sagen: „Wir kommen auf diese Art nicht weiter. Lass es uns beenden.“

Für mich ist ein toller Mittelweg zwischen Reden um des Redens willen und Abbrechen die 5-Minuten-Regel. Gerade bei hitzigen Diskussionen oder gar handfesten Streits, die sich mittlerweile auf der zwischenmenschlichen Ebene hochgeschraubt haben, lohnt sich der Einwurf: „Lass uns fünf Minuten Pause machen.“ Danach sind persönliche Anfeindungen meist wieder ad acta gelegt und es kann um die Sache gehen. Mein Tipp: Führen Sie die 5-Minuten-Regel als gängiges Stilmittel in Ihrem Unternehmen ein. Und auch in Ihrer Familie. Warum nicht? Diese fünf Minuten sind bestens angelegte Zeit.

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Mehr zum Thema: Studien zeigen: Wer nie lügt, schadet sich selbst. Machen Lügner etwa schneller Karriere?

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