Online-Jobbörse für Selbstständige Fiverr in Deutschland: Zwischen Akquise und Ein-Euro-Job

Per Online-Plattform zum Auftrag als Freelancer. Quelle: imago images

Fiverr will eine Art Amazon für Freelancer-Dienstleistungen sein. Stundenlöhne von teils unter zwei Euro sorgen aber für Kritik. Ein Experte rät auch bei anderen Jobbörsen für Selbstständige zur Vorsicht.

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Die Online-Partnersuche hat sich längst durchgesetzt. Nun sollen deutsche Selbstständige im Internet auch ganz leicht Auftraggeber finden können. Im Februar hat die Jobbörse Fiverr ihren deutschen Marktplatz gestartet. Das israelische Start-up, das an der New Yorker Börse notiert ist, bietet nach eigenen Angaben mit Millionen von Nutzern in mehr als 160 Ländern den weltweit größten Marktplatz für digitale Dienstleistungen. Dazu gehören einfache Büroarbeiten, Übersetzungen, Design oder das Programmieren von Internetseiten. Ein in Zeiten des Fachkräftemangels fülle das Angebot eine Marktlücke, so glaubt man bei Fiverr. Kritiker warnen hingegen, dass Online-Börsen für Dienstleistungen das Lohnniveau drastisch absenken könnten.

Dabei sind Plattformen für Selbstständige grundsätzlich nichts Neues, einige Anbieter haben ihren Kundenstamm seit mehr als 15 Jahren aufgebaut. Fiverr sieht dennoch Bedarf. „Wir sind kein Vermittler von Freelancern, wie man es von anderen Plattformen kennt, sondern setzen auf ein 'Services as a Product'-Modell“, versucht Peggy de Lange, Vice President Global Expansion, sich an einer Abgrenzung. Der Anbieter will die Zusammenarbeit mit Selbstständigen so einfach gestalten wie Online-Shopping auf Amazon. Das bedeutet: Dienstleistungen werden nicht grundsätzlich stundenweise, sondern als Komplettpaket angeboten, zum Beispiel als Übersetzung von 400 Wörtern aus dem Englischen ins Deutsche.

Fiverr ist teuer

Die Optik von Fiverr erinnert an Airbnb. Selbstständige bieten konkrete Dienstleistungen an in verschiedenen Paketen und Preiskategorien. Die unterscheiden sich bezüglich Umfang, Service und Lieferzeit. Dienstleistungen können sofort oder nach Absprache gekauft werden. Das Geld wird treuhänderisch verwaltet, bis der Auftraggeber mit der Arbeit zufrieden ist. Freelancer werden in einem Sternesystem bewertet.  

Den Service lässt sich der Konzern mit einem saftigen Umsatzanteil bezahlen. Das Unternehmen behält 20 Prozent des Honorars ein. Käufer zahlen eine zusätzliche Servicepauschale. Sie liegt bis zu einem Preis von 40 Euro bei 1,94 Euro, danach werden fünf Prozent berechnet. Mindestens ein Viertel des Werts eines Auftrags fließt also an Fiverr.

Der namensgebende „Fünfer“ ist auf der Plattform eine weit verbreitete Zahlungseinheit. Aus den fünf US-Dollar Mindesthonorar werden in Deutschland 4,85 Euro. Dafür übersetzt beispielsweise ein 22-jähriger Industriekaufmann („habe mehrere Monate in den Vereinigten Staaten und Irland verbracht“) 400 Wörter aus dem Englischen ins Deutsche. Geliefert wird binnen zwei Tagen. Wer es schneller braucht, kann für weitere 4,85 Euro eine Expressübersetzung bestellen. Für 4,85 Euro lässt sich auch drei Stunden lang ein Büro-Assistent von einer indischen Firma buchen. Der überträgt PDF-Dokumente in Excel-Tabellen, postet auf Word Press und Facebook oder zieht per Copy and Paste Informationen von Internetseiten.

Kritik an Jobbörsen für Selbstständige

Bei solchen Preisen ist die Grenze zum Ein-Euro-Job gefährlich nah. „Zur Übersetzung von 400 Wörtern benötigt der Industriekaufmann schätzungsweise 1,5 Stunden und läge als Selbstständiger weit unter Mindestlohn. Davon würde ich die Finger lassen, außer man braucht unbedingt eine Referenz oder betrachtet das als Übung“, kritisiert Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD). „Sollten das auf Fiverr typische Preise sein, kann ich mir nicht vorstellen, dass viele Menschen aus Deutschland dafür arbeiten.“

Tatsächlich scheinen auf Fiverr, zumindest in einigen Kategorien, die billigen Preisen zu dominieren. Bei einer stichprobenartigen Suche mit den Schlagworten „Übersetzung Englisch Deutsch“ gab es 3660 Treffer, 2349 davon bis fünf Euro. 1641 Dienstleister sprachen nach eigenen Angaben Deutsch, 736 davon lebten in Deutschland. Dahinter folgten Pakistan (264), Kamerun (162) und Österreich (108). Die meistverkaufte Deutsch-Englisch-Übersetzerin ist eine in Mexiko lebende Muttersprachlerin.

Es finden sich aber auch viele Preise, die Selbstständigen in Deutschland nicht gleich den Angstschweiß auf die Stirn treiben müssen. Ein Übersetzer etwa verlangt rund 170 Euro, um 500 Wörter unter SEO-Gesichtspunkten ins Deutsche zu übertragen. Eine Grafikdesignerin aus dem Vereinigten Königreich entwirft für rund 2400 Euro binnen eines Monats ein Firmenlogo und gibt Tipps, wie es platziert werden kann. Für etwa 10 bis 200 Euro gibt es von deutschen Verkäufern in der Kategorie „Grafik & Design“ Visitenkarten und Bürobedarf.

Auf Fiverr sind alle Freelancer

Das „breite Preisspektrum“ sei ein Ergebnis von Angebot und Nachfrage, sagt Fiverr-Managerin de Lange. „Es liegt ganz klar in unserem Interesse, den Preiswettbewerb nach oben und nicht nach unten zu unterstützen.“ Bei der Zahl der deutschen Nutzer hält sich das Unternehmen mit Verweis auf das US-Börsenrecht bedeckt. 70 Prozent der weltweiten Einnahmen seien aber aus englischsprachigen Ländern gekommen, da Fiverr bis Mitte Februar nur auf Englisch verfügbar gewesen sei. „Durch die Einführung des deutschen Marktplatzes könnte sich diese Zahl jedoch schnell ändern“, hofft de Lange. Fiverr konnte für 2019 gerade ein Umsatzplus von 42 Prozent auf 107 Millionen Dollar melden.

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