Führungsdilemma Millennials als Manager: Nun müssen sie vermitteln

Die Generation Y, auch Millennials genannt, kommt allmählich im Management an und müssen zwischen den Generationen vermitteln. Quelle: imago images

Die Millennials – Ende 20 bis Anfang 40 – reiben sich zwischen der rebellischen Gen Z und den arbeitswütigen Babyboomern auf. Was hilft ihnen dabei, nicht verrückt zu werden?

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Bevor das Vorstellungsgespräch richtig startet, will der Berufsanfänger gleich zwei Punkte klären: Kann er vier Tage pro Woche remote arbeiten? Und wie viele Urlaubstage wird es geben? Der Personaler ist – gelinde gesagt – irritiert. Er antwortet dem Bewerber, dass es für die Einarbeitung schon gut wäre, wenn er auch vor Ort sei. Und dass es 25 Urlaubstage gibt. Da klappt der Kandidat seine Mappe zusammen: Man könne das Gespräch dann direkt beenden.

„Stinksauer“ sei der ältere Personaler gewesen, erzählt Philipp Riehm. Die Anekdote sei ihm kürzlich bei einem seiner Führungskräfte-Coachings zugetragen worden – und kein Einzelfall. Riehm, auch Soziologe und Professor für Digital Media Management an der Hochschule Macromedia, berichtet sogar: „Ich gerate häufig in die Diskussion, ob man mit diesen Leuten der Generation Z überhaupt noch arbeiten kann.“

Das Beispiel ist eines von vielen, das die Konflikte zwischen Generationen am Arbeitsmarkt zeigt. Die älteste Kohorte, die Babyboomer, treffen auf die Unter-25-Jährigen (Generation Z). Und ein besonderer Blick legt sich nun auf diejenigen, die vermitteln müssen: Die Millennials, auch Generation Y genannt.

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Diese Gruppe besetzt in der Wirtschaft zunehmend Managementposten. Wer zu ihr gehört, ist gerade Mitte 20 bis Anfang 40 und eine Art Puffer: Zwischen einer Generation mit hohem Arbeitsethos, die den Begriff Burnout geprägt hat. Und einer, die den Älteren Wörter wie „Me-Time“ beibringt. Die sich ihrer mächtigen Position im Arbeitsmarkt bewusst ist und wenig Lust auf Mehrarbeit hat. Keine Mails am Abend oder am Wochenende beantworten möchte. Aber über denen eine Führungsriege in den Unternehmen sitzt, die häufig genau das erwartet.

Wie können Millennials gut mit dieser Rolle umgehen – und vermitteln?

Darüber diskutieren auch Nutzer in den sozialen Medien. Zum Beispiel beim Kurznachrichtendienst Twitter. Anfang Januar berichtete dort eine Nutzerin – eigenen Angaben zufolge Millennial – über ihre Rolle als Führungskraft. Sie stieß damit auf Resonanz. „Ich berichte im Job an Baby Boomer und führe in meinem eigenen Team GenZ Angehörige“, schrieb sie. Und weiter: „Ich stelle fest, das ist ne Kombination direkt aus der Hölle“. Auf der einen Seite der Boomer-Chef: Arbeitswütig, ständig erreichbar, verschickt Mails während des Urlaubs. Auf der anderen Seite eine junge Kollegin, die zwischen den Jahren gekündigt hätte – weil sie einen „Vibe Change“ brauche.

Die Generationen auf dem Arbeitsmarkt

Sie bekam viel Zuspruch: Die Sandwichposition zwischen den Generationen sei ein „Ritt auf der Messerklinge“, schreibt eine Nutzerin. Sie müsse der Generation Z die Entscheidungen der Babyboomer als „intelligent“ verkaufen, klagt eine andere. Wieder eine andere träumt davon, ihren Job kündigen und die beiden Gruppen ungebremst aufeinandertreffen zu lassen.

Millennials als Übersetzer

Dass Millennials in Managementpositionen eine „sehr, sehr große Übersetzungsaufgabe“ zu leisten haben, kann Managementexperte Riehm gut nachvollziehen. Sie müssten zum einen berufliche Tätigkeiten für die Generation Z attraktiv machen. Aber zum anderen auch dem Austausch, den sich die Babyboomer wünschen, gerecht werden.

Man müsse, sagt Riehm, manchmal fast aufpassen, dass Babyboomer und Gen Z „nicht zu viel miteinander reden“, wenn sie am Arbeitsmarkt aufeinandertreffen.

Er beobachte dabei vor allem, wie „lehrbuchhaft“ die transaktionale Beziehung zwischen den Generationen zum Vorschein komme. Vereinfacht gesagt gehe es darum: Was gebe ich als Unternehmen und was bekomme ich dafür. Und wenn nun – vielleicht aus Angst vor Kontrollverlust – Unternehmen Beschäftigte zurück aus dem Homeoffice holen wollen, reagieren junge Angestellte darauf entsprechend verschnupft. Und machen Dienst nach Vorschrift.

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Die Generation Y im mittleren Management könnte dazu beitragen, aus diesem „Wie du mir, so ich dir“-Stil auszusteigen. Dafür rät er zu der sogenannten transformationalen Führung: „Millennials müssen es schaffen, über Storytelling eine Anschlussfähigkeit zwischen den Generationen herzustellen.“ Was er damit meint, sind typische Dinge, mit denen man Generationen für sich gewinnen kann: Den Jungen zeigen, wie Arbeit Sinn stiftet. Welchen Beitrag sie leisten. Und ihnen in ihren Bedürfnissen entgegenkommen.

Boomer und Gen Z: Positives Bild der Generationen erzeugen

Boris Kasper trainiert ebenfalls Führungskräfte. Der Psychologe rät Millennials, regelmäßig die Vorteile von Mehrgenerationenteams hervorzuheben. Und die jeweiligen Generationen mit einem positiven Bild zu besetzen: „Die Babyboomer haben beispielsweise unheimlich viel Erfahrungswissen. Verlassen sie das Unternehmen, ohne es an jüngere Generationen weiterzugeben, ist das sehr schwer zu kompensieren.“

Auch Kasper betont die transformationale Führung, an der sich heutzutage viele Manager orientieren: „Die transformationale Führung ist total zugeschnitten auf die Generation Y.“ Heißt: Die Millennials fördern Talente, führen auf Augenhöhe und sind Ansprechpartner für fachliche und emotionale Themen. Und nehmen mehr die Rolle eines Coaches ein. Und letztlich, sagt Kasper, müssten Unternehmen eine Führungsphilosophie entwickeln, an der sich Manager jeder Altersklasse orientieren können.

US-Forscher der University Bradley befassten sich 2021 in einer Studie mit dem Führungsstil der Millennials im mittleren Management. Sie heben in ihrer Untersuchung hervor, dass es – obwohl die Generation Y eine zunehmend wichtige Rolle in Unternehmen spiele – nur wenig empirische Forschung zu den Verhaltensweisen und Managementpraktiken von Millennials gebe. Und sich Untersuchungen vor zehn bis 15 Jahren noch darum drehten, wie Babyboomer und Generation X die damals als rebellisch geltenden Millennials führen können.



In kleineren Erhebungen kamen US-Forscher grob gesagt zum Schluss: Millennial-Manager wissen um die Bedeutung von regelmäßigem Feedback, können virtuelle Teams gut steuern und schätzen Zusammenarbeit mehr als Wettbewerb.

In einer qualitativen Befragung von knapp 100 Gen-Z-Berufsanfängern fanden US-Forscherinnen 2018 wiederum heraus, dass die Jungen einen fairen, selbstbewussten und offenen Führungsstil schätzten. Drei Viertel der Befragten gaben an, lieber eine Millennial-Managerin als eine der Generation Babyboomer oder Gen X zu haben.

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Die Nutzerin, die bei Twitter von ihren Erfahrungen als Millennial-Managerin berichtet hat, schloss ihre Ausführungen jedenfalls damit ab, jeden Tag weiter für ein bisschen ihrer eigenen Work-Life-Balance kämpfen zu wollen.

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