Werner knallhart
Quelle: imago images

„Besser als vorher“: Die besten Corona-Errungenschaften (außer Homeoffice)

In unserem Corona-Alltag kristallisiert sich einiges heraus, von dem viele sagen: „Och, das bitte so auch nach der Pandemie.“ Wir müssen jetzt damit anfangen, die Verbesserungen für immer festzuzurren. Hier eine sehr subjektive Besten-Liste.

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Kennen Sie den Impuls, bei einem aufkommenden Nies- oder Hustenreiz die Nase-Mund-Maske vom Gesicht zu reißen, damit das Ding nicht direkt wieder in die Wäsche muss?

Nicht alle neuen Routinen in unserem Alltag laufen rund und sind angenehm. Andererseits: Wie oft haben wir in den vergangenen Tagen selber gedacht oder von Freunden und Kollegen gehört: „Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich finde das so, wie wir es jetzt machen, besser als vor Corona“?

Es gibt neben Homeoffice und dem Videochat mit Oma und Opa noch einiges andere, von dem wir auch noch nach Corona profitieren könnten. Hier:

1. Tickets online buchen: nie mehr fremdes Deo am Shirt

In Menschentrauben vorm Panda-Gehege und hinten am Horizont irgendwas flauschiges Schwarzweißes. „Das könnte Meng Meng sein!“ Und erst beim Ranzoomen auf dem Foto sieht man: Das war ein Kind mit Pudelmütze.

von Konrad Fischer, Rüdiger Kiani-Kreß, Nora Schareika

Im Europapark anderthalb Stunden anstehen für eine zwei Minuten lange Achterbahnfahrt neben einem Wildfremden, der erst noch kreischt und gegen Ende hörbar den Würgereiz unterdrückt.

Trubel und Gedrängel waren über all die Jahrzehnte für nur einen von Vorteil: für den Veranstalter. Kein Platz ist kein Anreiz für uns Gäste. Sondern einfach das übliche Übel.

Jetzt: Berliner Zoo. Das Schild am Kassenhaus sagt: keine Tagestickets. Ich gucke online: heute ausverkauft. Und denke: gut gelöst. Endlich haben wir Menschen im Zoo zumindest wieder so viel Platz wie die Erdmännchen. Auch der Europapark in Rust wird nach seiner Wiedereröffnung Ende Mai nur noch online gekaufte Tagestickets akzeptieren - und damit auch weniger Leute reinlassen. Ganz ähnlich das kleinere Phantasialand bei Köln.

Es wird sich regelrecht wie eine Frechheit anfühlen, sollten die Abstandsregeln aufgegeben: ab heute wieder Hackentreten für mehr Umsatz. Wenn wir abends nach dem Deo fremder Leute riechen. Nein danke. Ihr König Kunde.

2. Ein freundliches Nicken schützt auch vor Magen-Darm

30 Sekunden Hände waschen. Das wurde uns zu jeder Grippe-Saison gepredigt. Aber früher haben wir das höchsten durchgezogen, wenn wir beim Blumenpflücken versehentlich an eine tote Ratte gegriffen haben. Heute waschen wir bei jeder Gelegenheit auch den Daumen und die Fingerzwischenräume – es ist einfach State-of-Hygiene. Das ist gut. Und das könnte uns in Zukunft vor Nächten über der Toilettenschüssel hängend bewahren. Handhygiene schützt gerade auch vor Kontakt-Infektionen, wie sie typisch sind etwa für Magen-Darm-Geschichten.

Das Gleiche gilt fürs Händeschütteln. Stattdessen einfach Hand aufs Herz oder nett nicken. Mann, waren wir bis März 2020 eklig!

3. Bargeld ist jetzt endgültig blamiert

Dass der deutsche Handel den Kunden einmal sagen würde: „Wir bevorzugen Kartenzahlung“ – also ich hätte mir nicht ausmalen können, was dafür passieren muss. Jetzt ist es klar.

Bargeld ist ein Keimträger im Hosentaschenformat, auf dem sich Krankheitserreger mitunter Tage lang halten.

Und jetzt kommt man plötzlich wochenlang ohne Cash aus. Man könnte es abschaffen. Hoho!

Aber gut: Fans von prallen Geldbeuteln und Geldautomaten-Herstellern zuliebe können wir ja ein paar Scheinchen und Münzen im Umlauf lassen. Falls mal was ist.

Aber ich könnte mir vorstellen: Die 1- und die 2-Cent-Stücke verursachen als Virenträger einen größeren volkswirtschaftlichen Schaden, als sie zusammenrechnet wert sind. Weg! Oder?

4. Lebensmittel-Lieferdienste: auch ohne Pandemie praktisch

Es heißt ja immer: Lebensmittel liefern lassen ist schlecht für die Umwelt - wegen der Lieferfahrten. Ich kann jetzt nicht das Gegenteil beweisen, aber ich denke nur mal laut: Wenn ein Lieferwagen zwanzig Haushalte beliefert, ist das nicht besser, als wenn zwanzig Leute für den Wocheneinkauf mit ihrem Auto zum Supermarkt fahren?

Nimm das, Corona!

Wer sich Milch, Eier und Bier liefern lässt, hilft dabei mit, Kontakte an der Supermarktkasse zu reduzieren.

Und das geht jetzt mehr und mehr sogar in mittelgroßen Großstädten. In der Hochzeit der Coronakrise war etwa bei REWE online der Ansturm so hoch, da musste man gut planen: Auf welche Sorte Ritter Sport habe ich in zweieinhalb Wochen wohl Lust? Und wer sich drauf eingelassen hat, hat gemerkt: Nicht aus dem Haus zu gehen, kann die Lebensqualität auch steigern. Wohnungstür auf, Wohnungstür zu, Kühlschranktür auf und wieder zu. Alles in Puschen. Gut, fürs Trinkgeld an den Boten braucht man dann allerdings Bargeld.

5. Der „Sich blicken lassen“-Druck ist weg

Ich habe vor einigen Tagen in einem Podcast von einer Frau gehört, die hat sinngemäß gesagt: Ich bin Autistin und die Lockdown-Zeit ist jetzt meine Zeit. Ich bin jetzt Mainstream.

Aber wenn ich mich so umhöre: Nicht nur Menschen, die sich immer schon gerne zurückgezogen haben, genießen das Gefühl, dass der Druck weg ist, in der Masse mitzumischen, um dazuzugehören.
Ein Freund von mir ist PR-Berater und sagt jetzt: „Endlich ist der Kampf vorbei, auf Teufel komm raus auf die hippen Businesspartys eingeladen zu werden. Erst jetzt merke ich, wie mich das belastet hat: mein Name auf der Gästeliste als Messgröße für meinen Erfolg.“

Soll das nach der Krise wieder so werden? Auf Get-Togethers Häppchen stopfen mit Leuten, von denen wir gehofft hatten, sie nicht zu sehen („Oh Gott, shit, warte kurz, ich muss dahinter leider mal hallo sagen“). Partys als zeitaufwändiger Gruppenzwang. Ist die Sichtweise unprofessionell? Nun, es ist zumindest eine Erkenntnis: ohne ist für viele schöner.

6. Deutschland in schnell – bitte nicht nur, wenn es sein muss

Was sonst Jahre dauert, geht jetzt über Nacht. In Berlin etwa sind jetzt einige wichtige Verkehrsachsen um eine Autospur pro Fahrtrichtung verschlankt worden. Oder wie eingefleischte Autofahrer sagen würden: Die nehmen uns Land weg.

Denn dafür gibt es jetzt gelb markierte Radwege. Wegen Corona. Wegen Corona? Ja, wegen Corona. Damit die Radfahrer unterwegs die vorgeschriebenen 1 Meter 50 einhalten können. Öhöm. Die einen nennen es Fakten schaffen im Windschatten der Corona-Krise. Ich nenne es: erfrischend. Chinesisches Zack-bum-fertig funktioniert auch in der Demokratie.

Bald also sollen aus den gelben Fahrbahn-Markierungen weiße werden. Sie wissen, was das heißt: Diese Spuren gehen nie wieder weg. Die Popup-Radwege sollen überwiegend dort entstehen, wo ohnehin dauerhafte geplant seien, hat die grüne Verkehrssenatorin gesagt. Deutschland kann schnell. Diese Erkenntnis verdanken wir einem Virus.

Wir sollten all das nach dem Sieg über das Biest nicht vergessen. Nimm das, Corona!

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