Geldanlage global
Diese 10 größten Herausforderungen kommen 2022 auf Börsen und Anleger zu Quelle: imago images

Diese Top-Themen werden die Börse 2022 bewegen

Das Jahr 2022 steht vor der Tür. Schon jetzt zeichnen sich die Top-10-Themen ab, die als Einflussfaktoren im kommenden Jahr die Märkte dominieren werden.

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2021 neigt sich dem Ende zu. Dann veröffentlichen wir unseren Ausblick. Aber schon jetzt schälen sich wesentliche Eckpunkte, Herausforderungen und Treiber heraus, die die Märkte 2022 beeinflussen werden. Das nächste Jahr wird besonders herausfordernd, die Vielzahl der zu beachtenden Faktoren unterstreicht dies. Im Folgenden will ich meine Top 10 nennen, wie in einem Countdown in der Relevanz aufsteigend geordnet, wobei die Top 3 stark miteinander verflochten sind.

Platz 10 belegt aus meiner Sicht die Geopolitik. Frontstellungen über Taiwan, der Ukraine oder der Mittlere Osten dürften in den Headlines bleiben. Der Mittlere Osten bleibt angesichts gestiegener Ölpreise besonders marktrelevant. Große Impulse wird es aber aus meiner Sicht nur in Extremszenarien geben.

Platz 9 belegen die Wählerentscheidungen. Ganz vorne steht bei mir die Wahl des neuen französischen Präsidenten. Warum? Weil, ähnlich wie bei den USA, in Frankreich sehr viel Macht in der Hand des Präsidenten konzentriert ist. Macron ist der Favorit. Von den Dreien dahinter, dem eher den Republikanern nahestehenden Bertrand und den rechts außen positionierten Zemmour und Le Pen, ist nur einer europafreundlich. Grundannahme angesichts der Meinungsumfragen ist, dass im zweiten Wahlgang sich ein moderater Kandidat durchsetzt. Deswegen dürfte diese Wahl, genauso wie im Herbst die Zwischenwahlen zum US-Kongress, zwar viele Wellen schlagen, aber nur begrenzten Markteinfluss haben.

Platz 8 belegt Corona. Ich hatte vor einem Monat geschrieben, dass Corona ein Risikofaktor bleibt. Wir haben im letzten Jahr nicht zu denen gehört, die davon ausgingen, dass eine Herdenimmunität möglich oder gar im Mai 2021 erreichbar werden würde. Was dennoch überrascht, ist, wie offensichtlich notwendig Booster-Shots geworden sind. Aber die Märkte dürften sich mit Corona arrangieren, die Überzeugung, dass uns Corona erhalten bleiben wird, ist inzwischen eher Konsens. Die Bedeutung für die globalen Kapitalmärkte dürfte ab Frühjahr sinken.

Platz 7 nimmt das Thema Regulierung ein. Der Trend zu mehr Umweltverträglichkeit wird mit zahlreichen Auflagen, Umsetzungsvorschriften begleitet, die Wettbewerbsrelevanz von Umweltkosten wird ebenfalls immer deutlicher. Global einheitliche Vorgehensweisen gibt es nicht, so dass hier eher ein die Kapitalmärkte belastender Fleckenteppich aus regionalen Vorschriften, Subventionen, und eventuell auch Steuer- und Abgabenerhöhungen zu erwarten ist. Zunehmende Regulierung dürfte damit eher ein Belastungsfaktor werden.

Platz 6 ordne ich dem Thema China/Emerging Markets zu. Klar scheint, dass China sich mehr und mehr auf eine „gesündere“ Zusammensetzung des Wirtschaftswachstums konzentriert, also nicht mehr als globaler Stimulusgeber zur Verfügung steht. Zudem bleibt China mit den Herausforderungen der Krise der Immobilienentwickler absorbiert und dürfte nicht den japanischen Fehler von Beginn der 90er wiederholen, die Verluste komplett auf die Bücher der eigenen Banken zu nehmen. In Kombination mit dem gestiegenen US Dollar und voraussichtlich weiter steigenden US-Zinsen dürfte dies in 2022 damit eine Herausforderung für die fragilen der Emerging Markets werden.

Platz 5 nimmt eine alte Bekannte ein: Die Niedrigzinsphase dürfte uns weiter begleiten, zumindest in den großen westlichen Industrieblöcken. Das soll nicht heißen, dass keine Zinsanstiege möglich sind, ich denke vielmehr, sie sind sogar wahrscheinlich. Aber will mir jemand widersprechen, dass beispielsweise Zinsen für lange Bundrenditen immer noch als niedrig zu bezeichnen wären, wenn sie endlich mal wieder die Nullmarke nach oben durchbrächen?

Platz 4 ist ein Standardthema der Kapitalmärkte, das aber immer wichtiger wird: Die Bewertung von Assets. Spreads sind noch immer niedrig, Aktien nicht „billig“ und „sichere“ Anleihen führen derzeit nur ziemlich sicher dazu, dass die Returns unter der Inflationsentwicklung bleiben. Welche Assets noch als akzeptabel bewertet gesehen werden oder sonst Eigenschaften mitbringen, die ihre Bewertung akzeptabel erscheinen lassen, dürfte 2022 dringender werden, als es 2021 und 2020 war.

Damit kommen wir zu meinen Top 3, die alle miteinander verbunden sind, und sich wie ein Beschäftigungsprogramm für Volkswirte lesen. Da ist die Inflation auf Platz 3, das Wachstum inklusive der Narben aus Corona, der Lieferkettenprobleme und der Verhaltensanpassungen auf Platz 2 und Center Stage, Platz 1, gehört 2022 den Notenbanken.

Die Inflation hatte zuletzt global an Dynamik gewonnen. Waren es zur Jahresmitte noch viele Spezialeffekte wie Gebrauchtwagenpreise in den USA oder Effekte der letztjährigen Mehrwertsteuersenkung in Deutschland, kamen zuletzt die stärker als erwartet steigenden Energiepreise, und in den USA zusätzlich auch die Wohnkosten dazu. Zudem wächst die Unsicherheit, wie anhaltend inflationär die andauernden Lieferkettenprobleme wirken werden.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass wir die Hochpunkte in der Verbraucherpreisinflation, gemessen an den Raten gegenüber Vorjahr, um den Jahreswechsel sehen werden, in Deutschland voraussichtlich vor dem Jahreswechsel mit nahe 6 Prozent, in den USA nach dem Jahreswechsel mit Raten eher um die 7 Prozent. Je nach Intensität des Winters und der daraus abgeleiteten Energienachfrage können die Raten noch höher werden.

Unsicherheit besteht weiter, wie schnell die Lieferkettenprobleme gelöst werden können. Wenn sie, was ich glaube, sich mindestens bis Mitte nächsten Jahres hinziehen, könnten hieraus auch anhaltend preissteigernde Effekte resultieren. Vom Verlauf her sollten die Inflationsraten im Jahresverlauf zwar deutlich nachlassen, aber langsamer als ursprünglich von den Notenbanken erhofft. In Deutschland könnte zur Jahresmitte 2022 noch eine 3 vor dem Komma stehen, in den USA sogar eine 4. Der Rechtfertigungsdruck für die Notenbanken wird das ganze erste Halbjahr andauern.

Lieferkettenprobleme und Inflation wirken derzeit, und voraussichtlich auch noch im ersten Halbjahr 2022, dämpfend auf den Konsum. Dennoch sollten wir 2022 ein über dem Durchschnitt liegendes Wachstum bekommen. Zu hoch sind die gestiegenen Sparquoten immer noch. Zu sehr müssen Lager dann wieder aufgefüllt werden und werden Investitionen global verstärkt in schadstoffärmere Produktionsmethoden fließen. Und die Höhe des Wachstums ist wichtig, besonders für Investoren in Unternehmen, ob die eingepreisten Gewinnsteigerungen erreicht werden können, und für die Notenbanken, wie sehr sie sich auf die Inflation konzentrieren können.



Notenbanken sind die zentralen Spieler für die Kapitalmärkte 2022. Wie reagieren sie auf den Mix aus Wachstum und Inflation? Sind sie „behind the curve“, wie man sagt, wenn sie die Inflation unterschätzen, oder nicht? Eines zeichnet sich schon jetzt ab: Die Notenbanken dürften sehr unterschiedlich reagieren. Notenbanken der meisten Emerging Markets schrecken vor starken Zinserhöhungen nicht zurück, die Fed reduziert die Anleihekäufe schon jetzt und wird wohl mit vorsichtigen Zinserhöhungen folgen, die EZB versucht derzeit noch „durchzusehen“, wie lange das auch immer funktionieren wird.

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Ein „Goldilocks“ Szenario steht 2022 nicht zu erwarten: keine anhaltend niedrige Inflation verbunden mit sicherem Wachstum und anhaltendem geldpolitischen Stimulus. Vielmehr ein sich reduzierender geldpolitischer Stimulus mit Risiko einer stärkeren Verschärfung, im Jahresverlauf zwar rückläufige aber noch immer fühlbare Inflation und hohes, aber volatiles Wachstum. Was das für die Kapitalmärkte bedeuten dürfte, wie die von mir angesprochenen Themen für unseren Jahresausblick wirken, dazu demnächst mehr an dieser Stelle.

Mehr zum Thema: Inflation, teure Rohstoffe und steigende Zinsen bilden für das Anlagejahr 2022 einen gefährlichen Mix. Risiken an den Börsen aber lassen sich mit Zertifikaten begrenzen. Sogar hohe Extragewinne sind damit möglich.

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