Das Wasser des Springbrunnens blitzt im herbstlichen Sonnenlicht, sämtliche Plätze vor dem Café Brera am Cabot Square im Londoner Finanzviertel Canary Wharf sind besetzt. Doch mehr als ein schnelles Sandwich ist für die Banker nicht drin. Auch James hat nur 15 Minuten Zeit, dann muss er zurück in den von Bloomberg-Terminals matt erleuchteten Handelsraum einer großen Investmentbank. „Der Markt macht nie Pause, ich will ja nicht draußen sein, wenn Putin irgendwo einmarschiert“, sagt der 25-Jährige, der seit zwei Jahren als Händler für Unternehmensanleihen arbeitet und seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte.
Dabei ist James gerne bei der Investmentbank. Er hat sich schon immer für Finanzen interessiert, schwärmt von den „superintelligenten Kollegen“ aus vielen Ländern und dem Tempo im Handelsraum. Dafür opfert er viel. Sein Arbeitstag beginnt um 6.30 Uhr, um sieben Uhr steht die erste Besprechung im Team an, dann telefoniert er fast durchgehend mit Kunden – meist Fondsmanagern bei großen Pensionskassen oder Hedgefonds. Handelsschluss ist um 18 Uhr, danach bleibt er noch im Büro, wenn auch nicht bis spät in die Nacht wie Kollegen anderer Abteilungen. „Der Druck ist hoch, wer damit nicht umgehen kann, ist hier fehl am Platz“, sagt James. Er selbst kann und will den Job etliche Jahre machen.
Das ist längst nicht mehr selbstverständlich. Denn Attraktivität und Perspektiven des einstigen Traumjobs der besonders Ehrgeizigen haben deutlich gelitten. Die Finanzkrise 2008 hat das Ansehen ramponiert, gesetzliche Vorschriften begrenzen die Höhe der Boni, die zudem nur noch verzögert ausgezahlt werden. Banker verdienen zwar immer noch blendend, doch die Rechnung, nach einigen Jahren größtmöglicher Selbstausbeutung ausgesorgt zu haben, geht kaum noch auf. Interne Kontrollen schränken zudem die Freiheit im Handelssaal drastisch ein, Entlassungswellen haben das Vertrauen in die Sicherheit des Arbeitsplatzes lädiert. Selbst erste Adressen der Branche wie Goldman Sachs und die Deutsche Bank tun sich schwerer, die Besten für sich zu gewinnen und zu halten.
Mythos Unverwundbarkeit
Die Banken wollen reagieren, achten auf mehr Freizeit und interessantere Aufgaben auch für jüngere Angestellte, wollen mehr Frauen und Quereinsteiger rekrutieren. Doch der Wandel ist schwierig. Das liegt am Selbstverständnis einiger Führungskräfte, die ihren Job immer noch für die Krönung jeder Karriere halten. Und auch an den Erwartungen der Nachwuchsbanker selbst, die sich, so gut es geht, an die vermeintlichen Erwartungen der Bank anpassen wollen.
Über Jahre war die Kultur der Investmentbanken soldatisch geprägt und auf Selbstaufopferung aufgebaut. „Jeder wollte zeigen, dass er noch mehr einsetzt als andere, dass er bedingungslos loyal ist“, sagt ein Ex-Investmentbanker.
„Natürlich war man ein Held, wenn man möglichst lange am Schreibtisch gesessen und Nächte durchgearbeitet hat“, sagt ein anderer. „Das war zwar Schwachsinn, aber den hat keiner hinterfragt.“ Im Gegenteil: Dass ein Vorgesetzter um 23 Uhr einen Auftrag auf den Tisch knallte und anordnete, den bis zum ersten Morgenmeeting zu erledigen, passte zum Verständnis als Elitetruppe der Finanzwelt.
Schon die Finanzkrise hat dem einen Dämpfer versetzt. Seit weltweit die Staaten Banken retten mussten, ist der Mythos der eigenen Unverwundbarkeit dahin. Und seit sich vor allem die USA bemühen, den Banken mit Milliardenstrafen ihre Vergehen vor der Krise zumindest teilweise heimzuzahlen, ist der Kulturwandel in jedem größeren Institut ein Thema.