Riedls Dax-Radar
Düsterer Ausblick auf die Börsen: Bär erhebt sich gegen Bullen. Quelle: Getty Images, Montage

Crash auf Raten

Drohender Handelskrieg und Rückschläge bei den Technologieaktien werden zu einer gefährlichen Mischung für den Dax. Es gibt noch etwas Hoffnung, aber die Negativ-Signale häufen sich.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der Handelsstreit mit China erwischt die Börsen in einer brenzligen Verfassung. Erst Anfang März hatten sie eine Ausverkaufswelle überstanden, danach setzte eine vorsichtige Erholung ein. Die hätte durchaus noch etwas Luft nach oben gehabt. Doch der Handelsstreit mit China und die Folgen der erratischen Trump-Politik funken nun dazwischen.

Die Rivalität zwischen den USA und China ist nicht neu. Schon unter Obama haben die USA den Schwerpunkt ihrer Außenpolitik auf den pazifischen Raum gelegt. Nachdem Russland in den vergangenen Jahren als Großmacht immer weiter abgerutscht ist und Europa ein ziemlich heterogenes Gebilde bleibt, läuft es im großen Bild auf die Rivalität zwischen USA und China hinaus.

Die starke chinesische Wirtschaft war in den vergangenen Jahrzehnten eine Triebkraft der Weltwirtschaft. Ging es der chinesischen Wirtschaft gut, stieg die Nachfrage nach australischem Erz, deutschen Automobilen und amerikanischen Staatsanleihen. Längst ist China dem sogenannten Schwellenländer-Status entwachsen und wirtschaftlich wie politisch eine Großmacht.

Die spannendsten Aktien im Index

Die Börsen bekommen das nun zu spüren. Mehrmals schon gab es an den weltweiten Märkten schwere Kursrückschläge, weil sich die Angst breitmachte, die chinesische Wirtschaft könnte an Dynamik verlieren. Natürlich sind die in China veröffentlichten Wachstumsraten seit jeher mit Vorsicht zu genießen und nicht wörtlich mit europäischen Angaben zu vergleichen. Dennoch, bisher ist die Wirtschaft in China auf gutem Weg – und vor allem Unternehmen aus dem Dax gehörten zu den großen Gewinnern.

Ein Handelskrieg zwischen den USA und China wird diese Entwicklung nicht von heute auf morgen abbrechen. Auch schon bisher fand unter der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle eine harte wirtschaftliche Auseinandersetzung statt.

Ein Handelskrieg mit China ist für die Börsen nichts anderes als ein weiterer Risikofaktor, der zu den bisher schon bestehenden dazukommt: zu der Aussicht auf steigende Zinsen, der Gefahr einer konjunkturellen Erschlaffung und der Überspekulation an den Wertpapiermärkten.

Die Hightech-Märkte werden zum Risiko

Als neues und gefährliches Moment für die Aktienmärkte kommt die jüngste Schwäche der bisher wichtigsten Aktiengruppe dazu: der führenden Hightech-Papiere. Auslöser ist das Debakel um Facebook; eine Aktie, die seit Jahren den großen Trend mitgetragen hat und die nun nach unten dreht. Fast fünf Jahre ist die Facebook-Aktie wie mit dem Lineal gezogen nach oben geklettert. Anfang Februar, in der ersten Schwächephase der Börsen, hat sie zunächst eine ganz normale Korrektur eingeleitet. Doch nun, mit dem aktuellen Datenskandal, steht das gesamte Geschäftsmodell von Facebook auf dem Spiel.

Zum ersten Mal seit fünf Jahren gibt der Kurs der Facebook-Aktie mehrere schwere Verkaufssignale. Diese Signale haben die gleiche Qualität wie die Kaufsignale, die die Aktie 2013 gab und mit denen sie ihren großen Aufwärtstrend eingeleitet hatte. Für Facebook ist der Datenskandal und seine Folgen der tiefste Einschnitt seit Bestehen des Unternehmens. An der Börse wird es deshalb zu einer Neubewertung kommen, mindestens zu einer mehrmonatigen Korrektur, wenn nicht sogar zu einem längeren Abwärtstrend. Für strategische Anleger sind Facebook-Aktien auf absehbare Zeit uninteressant. Die jüngste Schwäche hat nicht nur Facebook erwischt, sondern den gesamten Technologiemarkt.

Im Nasdaq-100-Index, dem wichtigsten Barometer der Branche, ist dabei eine gefährliche Konstellation entstanden. Bis Mitte März war die Welt der Technologieaktien noch in Ordnung. Im Gegensatz zum Dow Jones fiel der Rückschlag Anfang des Monats moderat aus, der Nasdaq drang sogar auf neues Terrain vor. Doch in dieser Woche (seit 19. März) rutschte der gesamte Technologiemarkt unter dem Einfluss der Daten-Diskussion wieder unter seine Ausbruchszone.

Dieser Rückschlag ist das deutlichste Schwächezeichen, das dieser Markt seit zwei Monaten gegeben hat. Damit dürfte der Nasdaq 100 mindestens noch einmal so tief abtauchen wie Anfang Februar, also etwa in den Bereich um 6300. Erst hier wird sich dann mittelfristig entscheiden, ob der große Trend der Technologieaktien nach einigen Monaten Korrektur weitergeht oder sich sogar eine große Baisse entwickelt.

Schwere Einzelwerte drücken den Dax

Im Dax ist die Entwicklung noch weiter fortgeschritten. Die Anfang März gestartete Zwischenerholung kam nur bis knapp 12.500 Punkte. Sie erreichte damit nicht das entscheidenden Niveau 12.700/12.800, auf dem die Tiefpunkte vom vergangenen Herbst lagen und wo aktuell die 200-Tage-Linie verläuft. Dieses frühzeitige Abdrehen unter einer entscheidenden Wegmarke ist ein sehr negatives Signal. Eine solche Konstellation gab es letztmals Ende 2015. Damals verlor der Dax insgesamt mehr als 20 Prozent.

Wie kritisch die Situation mittlerweile ist, zeigt sich in seinen führenden Einzelwerten:

Allianz ist gerade unter die wichtige Unterstützung bei 185 Euro gerutscht. Allianz bietet zwar nach wie vor gute Geschäftsaussichten und ist ein Gewinner eines langfristigen Zinsanstiegs. Da die Aktie in den vergangenen zwei Jahren um 70 Prozent gestiegen ist, wäre eine mittelfristige Korrektur nun sehr wahrscheinlich. Sie könnte bis in den Bereich um 170 Euro gehen.

Trump-Zölle und Chinas Vergeltung drücken Dax unter 12000 Punkte

BASF hat im Februar einen mittelfristigen Abwärtstrend eingeleitet. Besonderer Verkaufsdruck besteht zwar nicht, womöglich kommt es zu einer Stabilisierung um 80 Euro. Gefährdet wäre diese Untergrenze erst, wenn es im Zuge des Handelskriegs zu einer Abschwächung der immer noch robusten Chemiekonjunktur käme.
Bayer gehört seit Monaten zu den schwächsten Titeln im Dax. Die Erlaubnis, Monsanto zu übernehmen, hat daran nichts geändert. In diesem Umfeld könnte die Aktie noch einmal die Tiefpunkte aus dem Jahr 2016 ansteuern, die bei rund 85 Euro lagen.
Daimler ist soeben unter die 200-Tage-Linie gerutscht. Über sein umfangreiches Nutzfahrzeuggeschäft wäre Daimler ein Leidtragender einer globalen Konjunkturabschwächung. Das Rückschlagpotenzial der Aktie reicht zunächst bis auf etwa 60 Euro.

Die Deutsche Telekom gehört seit Monaten zu den schwächeren Titeln im Dax. Sie leidet darunter, teure Investitionen, hohe Dividendenzahlungen und die strategische Expansion finanziell unter einen Hut zu bringen. Von den aktuellen Marktturbulenzen ist sie als typischer Eigenbrötler im Dax nicht besonders betroffen. Mittelfristig geht das Risiko in den Bereich 12 bis 11 Euro.

Die schlechtesten Aktien der vergangenen fünf Jahre

SAP hat sich nach der besonderen Schwächephase Anfang des Jahres (nach enttäuschenden Zahlen) zunächst etwas stabilisiert. Dennoch ist es für den wichtigsten Hightech-Wert Deutschlands eine Belastung, wenn die Hightech-Aktien weltweit unter Druck geraten. Der Kurs signalisiert mittelfristig keine Entwarnung. Die hohe Abwärtsdynamik seit Anfang des Jahres deutet darauf hin, dass dabei in den nächsten Monaten ein Risiko bis in den Bereich um 75 Euro besteht.
Siemens hat vom Börsengang seiner Medizintechnik bisher nicht profitiert. Die Aktie konnte sich nicht wieder über die entscheidende Zone um 108 Euro retten. Wahrscheinlich wird es längere Turbulenzen um die Marke von 100 Euro geben.

Volkswagen kam mit der allgemeinen Marktschwäche Anfang des Jahres wieder unter die Räder. Geschäftlich hat das Unternehmen die Abgasdiskussion, in dessen Mittelpunkt VW immerhin steht, erstaunlich gut verkraftet. Einen Malus an der Börse hat VW deshalb nicht mehr. In den nächsten Wochen könnten bei rund 140 Euro die Käufer wiederkommen.

Fazit für den Dax: Die führenden Aktien im Dax, von denen die Richtung des Index bestimmt wird, zeigen kurz- bis mittelfristig nach unten. Sollte sich die weltweite Konjunktur als Folge von Handelsstreitigkeiten abkühlen, wird dies in den nächsten Monaten zu Gewinnrevisionen und Herabstufungen bei den Unternehmen führen. Fundamental wäre durchaus Spielraum für eine mittlere Korrektur, die im Dax in der Regel rund 20 Prozent ausmachen kann. Dies ergäbe als nächstes Ziel den Bereich um 11.000 Punkte. Da das Risiko hoch ist, dass aus den aktuellen Turbulenzen in einem zweiten Schritt sogar eine große Abwärtswende mit längerer Baisse werden könnten, sollten Anleger weiterhin vorsichtig sein und im Zweifel ihr Pulver trocken halten. So schnell wie in den vergangenen Jahren dürften die Kurse nicht mehr nach oben weglaufen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%