Riedls Dax-Radar
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Fünf Gründe, die für ein gutes Börsenjahr 2020 sprechen

Mit bisher 25 Prozent Kursplus war 2019 für den Dax ein erfolgreiches Jahr. Auch für 2020 stehen die Zeichen zunächst auf Hausse. Schon nach wenigen Wochen könnte der Dax ein neues Hoch erklimmen.

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Erster Grund: Im Handelskonflikt USA-China ist ein Kompromiss wahrscheinlicher als eine Eskalation.
Manchmal hat man den Eindruck, der Handelskonflikt USA gegen China sei etwas völlig Neues, das US-Präsident Donald Trump vom Zaun gebrochen habe. Neu an dem Konflikt ist dabei nur die rüde Art und Weise, wie Trump auf der politischen Bühne agiert – von den wenig diplomatischen Tweets des Präsidenten bis hin zu den Hakenschlägen in seiner Argumentation.

Der tiefere Machtkampf USA gegen China, der hinter diesen Aktionen steht, besteht schon seit Jahrzehnten – im Grunde seitdem sich durch den Zerfall der Sowjetunion das alte, bipolare Weltsystem überlebt hat. Seit dieser Zeit betrachten die US-Präsidenten China als den kommenden, großen Rivalen und nicht mehr Russland. Durch den immensen wirtschaftlichen Aufstieg, den China in den vergangenen zwei Jahrzehnten genommen hat, wurde diese Rivalität noch verstärkt.

Der aktuelle Handelskonflikt zwischen den Supermächten ist ohne Frage ein Risikofaktor für die Märkte. Die US-Wirtschaft und die chinesische Konjunktur haben mittlerweile beide an Fahrt verloren. Jede weitere Belastung, die der Handelsstreit mit sich bringt, würde umso empfindlicher auf den Wirtschaftsverlauf durchschlagen.

von Stefan Reccius, Malte Fischer, Jörn Petring, Julian Heißler, Sven Böll, Dieter Schnaas

Indes, Trump steht mitten im Wahlkampf und innenpolitisch unter Druck. Er braucht gute Nachrichten. In China geht es um den Fortbestand des großen, staatskommunistischen Wachstumstrends. In diesem Umfeld ist es für 2020 wahrscheinlicher, dass es zwischen beiden Ländern zu Kompromissen kommt, die dann nach außen gesichtswahrend als gute Deals verkauft werden, als zu einer echten Eskalation. Natürlich besteht darüber aktuell noch Unsicherheit, und dieses Risiko wird an den Märkten eingepreist. In dem Moment aber, in dem sich eine einigermaßen verträgliche Lösung abzeichnet, ist an den Börsen eine Erleichterungsrally wahrscheinlich.

Zweiter Grund: Die Konjunktur wächst moderat – und das ist gut für die Börsen.
Zwischen 2,0 und 2,5 Prozent dürfte das Wachstum der US-Wirtschaft 2019 gelegen haben. Für 2020 gehen die Prognosen in Richtung zwei Prozent; für die Jahre danach pendeln sich die Hochrechnungen zwischen ein und zwei Prozent ein. Viel Optimismus steckt in den Prognosen also nicht, aber immerhin wird kaum von einer schweren Rezession ausgegangen. Für die EU liegen die Erwartungen an das Wirtschaftswachstum im Bereich um 1,5 Prozent – das wäre das Niveau, um das Europa schon 2019 zugelegt haben dürfte.

Wenn diese Prognosen in etwa aufgehen, wäre das für die Börsen ein gutes Umfeld. Geringe Wachstumsraten sind für Aktienmärkte vorteilhaft: Der grundlegende Trend zeigt, wenn auch nur leicht, erst einmal nach oben. Vorübergehende Enttäuschungen und Korrekturen sind kein Nachteil, weil sich der Markt im Zuge eines langen Trends wie mit einer Sperrklinke am Drahtseil nach oben hangelt. Zugleich bewahren solche Korrekturen die Börse vor einer Überhitzung. Und schließlich führt eine nur moderat anziehende Wirtschaft dazu, dass das allgemeine Zinsniveau niedrig bleibt.

Dritter Grund: Die Geldversorgung bleibt großzügig, ein nachhaltiger Zinsanstieg findet nicht statt.
Neunmal hat die amerikanische Notenbank von 2015 bis 2018 die Leitzinsen angehoben; dreimal ging es seitdem wieder nach unten. Notenbank-Chef Jerome Powell hat die jüngsten Zinssenkungen nicht als Beginn eines neuen, großen Trends bezeichnet, sondern nur als mittelfristige Anpassung in einer größeren Aufwärtsentwicklung der Zinsen. Wie lange und wie tief aber könnten die Zinsen bei so einem mittelfristigen Szenario noch gehen?

von Karin Finkenzeller, Malte Fischer, Julian Heißler, Stefan Reccius, Christof Schürmann, Silke Wettach

2020 ist Wahljahr in den USA. Wahljahre sind oft gute Börsenjahre, weil die Regierung möglichst viele Hebel in Bewegung setzt, damit die Wirtschaft läuft. Dass die Notenbank dem Präsidenten dabei in die Parade fährt, ist nicht üblich. Powells mittelfristige Zinsentspannungsphase sollte also mindestens bis Herbst 2020 anhalten. Erst dann dürfte sich die Frage stellen, ob die US-Wirtschaft robust genug für die Wiederaufnahme der Zinserhöhungen ist oder ob sich die Fed doch von ihrem langfristigen Zinsanstiegsszenario verabschiedet.

In Europa ist bis auf weiteres kein Gegensteuern zu erwarten. Die neue EZB-Chefin Christine Lagarde hat zwar einen eigenen Stil der Geldpolitik angekündigt. Anzeichen dafür, dass sie den Kurs ihres Vorgängers grundlegend ändert und in klassischer Manier die Zinsen schrittweise auf das Niveau vor der Finanzkrise anheben könnte, gibt es keine. Selbst wenn Anleger 2020 nicht neue expansive Methoden einkalkulieren sollten, ist angesichts knapper Wachstumsraten und hoher Staatsschulden eine Fortsetzung des Niedrig- und Negativzinses wahrscheinlich.

Vierter Grund: Die Unternehmensgewinne steigen, positive Überraschungen sind möglich.
Die Gewinnhochrechnungen der Banken für die Unternehmen fallen passabel aus. Um zehn Prozent, so die durchschnittlichen Erwartungen, sollen die Nettogewinne der Unternehmen im Dax und im amerikanischen S&P 500 in der neuen Saison zulegen. Impliziert ist hier eine Fortsetzung der moderat anziehenden Konjunktur und kein größeres politisches Querfeuer. Für den europäischen Aktienindex Stoxx 600 gehen die Gewinnhochrechnungen mit plus acht Prozent von einem ähnlichen Aufschlag aus.

Für einzelne Unternehmen sind die Prognosen sehr unterschiedlich. Für Leistungsträger im Dax wie die Softwareschmiede SAP erwarten Banken einen Gewinnzuwachs von gut 30 Prozent. Dagegen rechnen sie bei konjunkturgebeutelten Unternehmen wie BASF mit einem leichten Gewinnrückgang. Im Mittelfeld liegen Industrieklassiker wie Siemens mit einem durchschnittlich erwarteten Gewinnplus von sieben Prozent.

Eine besondere Entwicklung könnte ausgerechnet ein 2019er-Loser wie Daimler nehmen. Hier kalkulieren Banken für 2020 im Schnitt mit einem Gewinnanstieg vom fast 50 Prozent. Grund dafür ist aber nicht ein plötzlich wieder boomendes Fahrzeuggeschäft, sondern schwache 2019er-Zahlen, die von hohen Rückstellungen für Rechtsrisiken wegen des Abgasskandals geprägt sind. Für den Gesamtmarkt wären solche individuellen Comeback-Stories eine zusätzliche Stütze.

Fünfter Grund: Die wichtigsten Marktkurven zeigen für 2020 ein vielversprechendes Bild.
Der Kupferpreis, zentrales Industriemetall und zugleich zuverlässiger Konjunkturindikator, hat mit dem Anstieg über 6000 Dollar je Tonne ein mittelfristiges Kaufsignal gegeben. Nachdem der Kupferpreis davor zwei Jahre gesunken ist, also die bisherige Wirtschaftsschwäche angezeigt hat, ist der jüngste Anstieg ein gutes Signal für Konjunktur und Anlagemärkte.

Die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen haben mit 1,94 Prozent die Kursspitzen von November und September und das kleine Tief vom Juli erreicht. Ob die Wirtschaft robust genug ist, dass die Renditen sogar in die nächste Bandbreite (2,0 bis 2,5 Prozent, Spitze von Anfang 2017) vordringen, ist fraglich. Der Kapitalmarkt signalisiert derzeit weder schwache Wirtschaftsaussichten noch eine baldige weitere Zinssenkung durch die Fed.

Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen haben mit minus 0,22 Prozent die Spitzen von Juli und November um einen Schnaps übertroffen. Auch hier ist der Markt mittlerweile weit entfernt von der Rezessionsangst, von der die Renditen im Sommer auf minus 0,7 Prozent gedrückt wurden. Der Zinsabstand von rund 2,2 Prozentpunkten zum US-Pendant ist seit Monaten kaum verändert; das spricht in absehbarer Zeit für keine zu großen Währungsschwankungen zwischen Dollar und Euro.

Der Philadelphia Semiconductor Index, in dem die wichtigsten Chipaktien stecken, notiert mit mehr als 1800 Punkten auf Rekordniveau. Diese Stärke signalisiert einen robusten Geschäftsverlauf in der Chipbranche, und das wiederum ist wegen der zentralen Rolle der Halbleiter eine Bestätigung der großen Technologietrends. Mehr als kurzfristige Korrekturen sind hier vorerst nicht zu erwarten.

Sehr stabile ist die Verfassung an der Technologiebörse Nasdaq. Die 8000er-Hürde hat der Nasdaq-100-Index souverän genommen. Solange er über diesem Niveau bleibt, ist der große Aufwärtstrend intakt. Die Stärke des Nasdaq-Marktes ist ebenfalls eine Bestätigung für die technologiegetriebenen Trends, deren Bedeutung über reine Konjunkturschwankungen weit hinausgeht.

Der Dow Jones notiert mit 28.380 Punkten ein gutes Stück über den jüngsten mittelfristigen Kursspitzen (um 27.200) und über der mehrjährigen Unterstützungszone sowie der 200-Tage-Linie (um 26.500 Punkten). Damit besteht ein stabiler Aufwärtstrend, dessen Dynamik kurzfristig sogar noch zunehmen könnte. Im positiven Fall könnte sich wie Ende 2016 daran eine längere Hausse anschließen. Im negativen Fall könnte aus mehreren, ausgedehnten Korrekturen aber auch eine Topbildung entstehen. Allerdings, selbst 2007 bis 2008, direkt vor der Finanzkrise, hatte es von der ersten Korrektur des Dax bis zu seinem Absturz fast ein Jahr gedauert. Selbst wenn man für 2020 also ein negatives Szenario unterstellt, dürfte es zu früh sein, jetzt schon auf einen Crash zu wetten.

Aussichten für den Dax: Der Anstieg des Dax im Jahr 2019 spielte sich in zwei Phasen ab. Der erste Schub ging von Januar bis Juli und brachte von 10.380 Punkten auf 12.600 Punkte 21 Prozent Kursgewinn. Nach der scharfen Sommerkorrektur begann im August die zweite Anstiegsphase bei 11.400 Zählern. Würde man die extrapolieren, ergäbe das eine theoretische Zielzone um 13.800 Punkte und ein Zeitfenster bis Februar. Ein solches positives Szenario würde zu einer Erholung der Wirtschaft, einer Beruhigung der politischen Fronten und weiterhin niedrigen Zinsen passen. Vom Sentiment, der Anlegerstimmung, dürfte zudem beim Überschreiten des bisherigen Hochs im Dax (um 13.560 Punkte) noch einmal neue Dynamik in den Markt kommen.

Einen Automatismus für einen starken Aktienmarkt gibt es natürlich nicht. Nachdem der Dax Mitte Dezember ein kurzfristiges Kaufsignal gegeben hat, könnte schon Mitte bis Ende Januar die nächste Nagelprobe für den Trend anstehen. Hält sich der Dax dann oberhalb der Unterstützungszone 12.600 bis 13.000 Punkte, ist das große positive Szenario weiter intakt.

Hinweis: Der nächste Dax-Radar erscheint Anfang 2020.

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