Riedls Dax-Radar
Banken und Sparkassen im Gewitter durch den Zinsschock. Quelle: Collage: Marcel Reyle

Gefährliche Bankgeschäfte in Zeiten steigender Zinsen

Während Probleme der Banken die Finanzwelt nach unten ziehen, gibt es im Dax immer noch stabile Favoriten. Und ins Leere fallen sollten die Börsen ohnehin nicht – dafür sorgen derzeit sogar die Notenbanken.

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Die jüngste Leitzinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte durch die EZB kommt an den Börsen gut an. Nach einem ersten Zögern setzt sich im Dax Zuversicht durch; vom Tagestief bei 14.664 Punkten geht es bis Sitzungsschluss hoch auf 14.967 Zähler. Abends, im Fahrwasser starker amerikanischer Technologiewerte, werden dann sogar 15.057 Punkte erreicht. Ob der Abwärtstrend der vergangenen zwei Wochen damit gedreht wurde, ist offen; aber eine Erleichterung für Anleger ist es schon, wenn die Märkte im Strudel der Abwärtsbewegung einmal Luft holen.

Denn atemraubend genug ist die Lage an den Weltbörsen. Die Krise amerikanischer Regionalbanken, von der SVB bis zur First Republic in Kalifornien, wird nun auch in Europa virulent. Im Auge des Sturms ist die ohnehin seit Monaten angeschlagene Schweizerische Großbank Credit Suisse (CS). Mit 531 Milliarden Franken Bilanzsumme, ein Zehntel mehr als die der Commerzbank, und zuletzt 7,3 Milliarden Franken Verlust handelt es sich hier um eine echte Großbaustelle mit systemischer Relevanz.

Mit einem Kreditrahmen von bis zu 50 Milliarden Franken greift die Schweizerische Notenbank der CS nun unter die Arme. Auch wenn deren Überleben damit nicht automatisch gesichert ist – etwas Zeit ist gewonnen. Zeit, in der weitere Rettungspläne geschmiedet werden können, womöglich sogar mit Hilfe großer US-Banken. Denn mit einem Zusammenbruch eines so großen Geldhauses, das hat 2008 das Beispiel Lehman gelehrt, ist niemandem in der Geldbranche gedient.

Viele Banken geraten derzeit ins Straucheln, weil sie mit dem massiven Zinsanstieg nicht mehr zurecht kommen. In Amerika sind die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen binnen Jahresfrist von 1,4 auf 4,3 Prozent nach oben geschnellt. Das ist der stärkste Anstieg seit den frühen Achtzigerjahren, als der legendäre amerikanische Notenbank-Chef Paul Volcker die Zinsen so rigoros heraufsetzte, dass die US-Bonds in der Spitze bis zu 16 Prozent abwarfen. Die Geschichte gab Volcker Recht – und sein Kampf und sein Sieg gegen die Inflation wurden zur monetären Basis des fruchtbarsten wirtschaftlichen Aufschwungs und der längsten Hausse von Anleihen und Aktien in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.

Lagardes Kurs findet Zuspruch an den Börsen

Mit großer Wahrscheinlichkeit haben der heutige Fed-Chef Jerome Powell und seine europäische Kollegin Christine Lagarde Volckers Lehrstück vor Augen. Umso mehr, da die Inflationsraten im vergangenen Jahr fast so weit hoch gingen wie 1980, als in Amerika mehr als 13 Prozent erreicht wurden. Die Entschiedenheit, mit der seit einigen Monaten selbst die anfangs eher politisch agierende Christine Lagarde hier vorgeht, findet an den Börsen mittlerweile durchaus Zuspruch.

Dabei ist es nicht nur die schon vorher angekündigte Erhöhung der Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte, die an den Märkten gut ankommt. Dass Lagarde betont, sie sehe keinen Zielkonflikt zwischen der Bekämpfung der Inflation und der Stabilisierung des Finanzsystems, könnte sich als entscheidende Rettungsstrategie im aktuellen Mix der Krisen erweisen: Wenn die Probleme der Banken, die jetzt im Feuer stehen, mit den gleichen Mitteln bekämpft werden können wie die Inflation, wäre es ein Unding, den hier seit Monaten erfolgreich eingeschlagenen Kurs jetzt aufzugeben oder abzuschwächen.

Lagardes Ergänzung, dass die europäischen Banken derzeit wesentlich widerstandsfähiger seien und besser mit Kapital und Liquidität ausgerüstet, ist dabei keineswegs nur Pfeifen im Walde. Die EZB-Chefin beschreibt durchaus den realen Fortschritt, der in den vergangenen Jahren in den Gewinnrechnungen und den Bilanzen der Banken entstanden ist.

Die Abstürze der Credit Suisse und der Silicon Valley Bank lassen die Finanzwelt beben. Sie sind keine Einzelfälle. Der überfällige Zinsanstieg wird weitere Banken durchrütteln.
von Melanie Bergermann, Malte Fischer, Julian Heißler, Matthias Hohensee, Michael Kroker, Theresa Rauffmann, Anton Riedl, Dieter Schnaas, Hendrik Varnholt, Sascha Zastiral, Lukas Zdrzalek

Das gilt hierzulande auch für die beiden Dax-Finanzhäuser Deutsche Bank und Commerzbank. Lange Jahre hat die Deutsche gebraucht, mehrere Vorstandschefs dabei verschlissen, bis ihr unter Christian Sewing die operative und substanzielle Wende gelungen ist. Mit 5,7 Milliarden Euro Reingewinn hat die Deutsche Bank 2022 den höchsten Nettogewinn seit 2007 erwirtschaftet. Das ist, auch wenn ihr dabei ein positiver Steuereffekt von 1,4 Milliarden zugute kam, eine starke Leistung.

Die Aufwand-Ertragsrelation, die vor wenigen Jahren noch bei über 100 lag (und damit die mangelnde operative Rentabilität offenbarte) hat sich im vergangenen Jahr von 85 auf 75 Prozent weiter verbessert. Die Deutsche Bank liegt damit immer noch über dem Durchschnitt anderer europäischer Großbanken; doch das Business der Deutschen mit seinen Schwerpunkten Investmentbanking und Unternehmen ist auch mehr auf professionelle Kunden ausgerichtet als etwa das tägliche Einlagen- und Kreditgeschäft einer französischen Credit Agricole.



Mit 13,4 Prozent ist die harte Kernkapitalquote der Deutschen Bank gut austariert. Die Commerzbank, die ebenfalls in den vergangenen Jahren spürbare operative Fortschritte gemacht hat, kommt hier sogar auf 14,1 Prozent. Und die Refinanzierung und die Kreditportfolios beider deutscher Großbanken sind ungleich vielfältiger und zeitlich stabiler strukturiert als die des amerikanischen Venture-Capital-Finanzierers Silicon Valley Bank (SVB).

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