Riedls Dax-Radar
Industrielle Power gegen die Angst beim Zinsanstieg im Dax Quelle: Getty Images

Industrielle Power gegen Zinsängste

Obwohl die Notenbanken weiter an der Zinsschraube drehen, zeigen immer mehr Dax-Aktien Muskeln. Auffallend günstig ist dabei BMW, ungewöhnlich stabil die Hannover Rückversicherung.

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Den Gefallen, Tempo aus dem Zinserhöhungsprozess zu nehmen, tut Jerome Powell den Märkten nicht. Im Gegenteil: Nachdem der Chef der amerikanischen Notenbank die Leitzinsen konsequent wie erwartet um 0,75 Prozentpunkte angehoben hat, bezeichnet er Spekulationen auf einen Zins-Peak als eindeutig verfrüht. Mehr noch: Er spricht sogar davon, dass die Zinsen wahrscheinlich weiter steigen werden, als noch im September beim Treffen der Notenbanker in Jackson Hole angenommen. Erst wenn die Inflation wieder im Zielbereich um zwei Prozent zurückgeführt sei, werde die Notenbank nachlassen im Kampf gegen die Teuerung.

Die Enttäuschung an den Märkten ist groß. Von Ende Oktober bis Anfang November sind die Renditen für zehnjährige US-Anleihen in der Hoffnung auf abflauende Inflation und nachlassende Zinsdynamik von 4,3 Prozent auf 3,9 Prozent gesunken. Hierzulande ging die Rendite für die in Europa führenden zehnjährigen Bundesanleihen von 2,5 auf 1,95 Prozent zurück. An den Währungsmärkten verlor der Dollar kurzfristig seine Dominanz, Edelmetalle erholten sich – und an den Aktienmärkten legten vor allem klassische Unternehmenstitel kräftig zu: Star der vergangenen Wochen war der Dow Jones, der in nur 20 Tagen fast um 15 Prozent kletterte, ähnlich wie in seiner beeindruckenden Sommerrally.

Müde dagegen fiel schon in den vergangenen Wochen die Erholung der Technologietitel aus. Gerade einmal neun Prozent machte der Nasdaq-Index gut, in dem die 100 wichtigsten amerikanischen Hightechaktien stecken. Im Abschwung davor, von Mitte August bis Mitte Oktober, hatte er mehr als 20 Prozent verloren. Die Schwäche der Technologietitel hat vor allem zwei Gründe: Zum das anziehende Zinsniveau, das sich bei den in der Regel hoch finanzierten jungen Unternehmen deutlich bemerkbar macht. Bei den kapitalen Flaggschiffen wie Apple oder Microsoft ist das zwar längst nicht mehr der Fall, deshalb konnten die sich auch lange Zeit besser halten.

Nun aber verlieren auch die bisherigen Protagonisten an Dampf: Amazon bekommt die zunehmende Zurückhaltung der Konsumenten zu spüren; Microsoft leidet darunter, dass mit der rückläufigen Nachfrage nach PCs auch der Bedarf an Software schwindet; und selbst Apple-Aktien geraten unter Druck, weil das Unternehmen bisher fast ein Fünftel seines Umsatzes in China erzielt und dies angesichts geopolitischer Spannungen zum Risiko wird. Auch hierzulande konnte sich der Dax mit seinen klassischen Unternehmen relativ gesehen zuletzt stärker erholen als der TecDax. Besonders gut laufen seit einigen Wochen Aktien wie Airbus, Allianz, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, MTU und Münchener Rück. Die Flugzeugwerte werden vom Comeback der Rüstung angeschoben, die Finanzaktien sind dank des höheren Zinsniveaus wieder im Aufwind.

Zu den Favoriten der vergangenen Wochen gehört auch Dax-Neuling Hannover Rück. Im dritten Quartal verdiente der weltweit drittgrößte Rückversicherer mit 222 Millionen Euro netto etwa ein Fünftel mehr als im Vorjahreszeitraum. Zwar machen sich abermals hohe Belastungen durch Naturkatastrophen bemerkbar, allerdings werden solche Schäden in der Regel vorher umfangreich budgetiert, sind also Teil des Geschäftsmodells. Zudem führen gerade Großereignisse wie Zerstörungen durch Wirbelstürme oder Überschwemmungen dazu, dass die Nachfrage nach Versicherungen tendenziell steigt. Im Zeichen von Klimawandel und zunehmenden Naturkatastrophen sind Rückversicherungen ein langfristiger Wachstumsmarkt.

Für dieses Jahr peilt die Hannover Rück 1,4 bis 1,5 Milliarden Euro Nettogewinn an. Bei einer Marktkapitalisierung von 20 Milliarden Euro ergäbe dies eine Gewinnbewertung um 14. Das ist nicht teuer und liegt etwa gleichauf mit der Bewertung des Marktführers Münchener Rück. Beide Aktien bieten stabile Dividendenrenditen, die derzeit über vier Prozent liegen. Die Rückversicherungen aus München und Hannover gehören zu den langfristigen Favoriten im Dax und sind an schwachen Tagen weiterhin ein Kauf.

Noch viel günstiger als die Rückversicherer sind derzeit die Aktien der großen Autohersteller im Dax. BMW etwa kommt sogar auf eine Gewinnbewertung von weit unter fünf. Und dabei sind die Gewinne dieses Jahres schon ziemlich sicher eingefahren: In den ersten neun Monaten katapultierten die Bayern den Nettogewinn um 61 Prozent auf 16,4 Milliarden Euro. Hauptgrund für diesen enormen Schub ist die erstmalige Vollkonsolidierung des Gemeinschaftsabkommens BBA mit dem chinesischen Partner Brilliance. Sie dürfte BMW in diesem Jahr einen Umsatz im Bereich um 140 Milliarden Euro und einen Nettogewinn von mehr als 18 Milliarden Euro bescheren. Daran gemessen ist der aktuelle Börsenwert von etwa 50 Milliarden Euro ein Sonderangebot.

Grund für diese Zurückhaltung der Börse dürfte weniger die Angst vor einem konjunkturellen Abschwung sein, der die Autoindustrie in der Regel deutlich trifft; bei BMW liegen die Auslieferungen im bisherigen Jahresvergleich knapp zehn Prozent unter Vorjahr. Verantwortlich dafür dürfte vor allem die Unsicherheit darüber sein, wie sich langfristig die Zusammenarbeit mit China gestaltet. Gerade BMW setzt durch den Aufbau eines dritten Werks in Shenyang und der BBA-Konsolidierung voll auf die China-Karte.

BMW-Aktien sollten durch ihre extreme Unterbewertung und die enorme Dividendenrendite das China-Risiko diskontiert haben. Im Abschwung der vergangenen Monate hat sich der Kurs überdurchschnittlich gut gehalten. Notierungen zwischen 75 und 70 Euro sollten Nachkaufgelegenheiten sein. Noch etwas günstiger als die im Dax notierten Stämme sind die Vorzugsanteile, von denen es allerdings nur knapp 60 Millionen Stück gibt.

Fazit für den Dax: Die ungebrochene Tendenz steigender Zinsen und die weitere konjunkturelle Eintrübung sind derzeit die zentralen Belastungen für die Börsen. Die Kurserholung von Oktober, die das typische Ausmaß einer Zwischenrally hat, könnte deshalb in den nächsten Wochen wieder in eine Gegenbewegung übergehen. Die jüngste Stärke klassischer Industrieaktien deutet darauf hin, dass diese Gegenbewegung etwa im Dow Jones oder auch im industriell geprägten Dax weniger heftig ausfallen könnte als bei den immer noch hoch bewerteten Technologietiteln.

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Der Dax ist im Bereich um 13.300 Punkte bis an den seit Januar verlaufenden Abwärtstrend vorgedrungen. Etwas darüber, bei 13.646 Punkten, verläuft derzeit die 200-Tagelinie. Damit ist der Markt noch immer im Abwärtstrend, zeigt aber nun schon seit einigen Monaten zunehmend Widerstandskraft. Insgesamt dürften dies Anzeichen einer weiten Bodenbildung sein, die sich im Bereich zwischen 12.000 und 14.000 Punkten abspielen könnte. Ein gutes Zeichen wäre es, wenn der Dax dabei in den nächsten Wochen nicht mehr wesentlich unter 12.500 Punkte rutscht.

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