Riedls Dax-Radar
Quelle: Presse

Selbst Top-Unternehmen kippen ab

Nach den Verlusten der vergangenen Monate sind kurze Erholungen im Dax gut möglich. Die Probleme großer Unternehmen wie BASF aber zeigen, dass den Börsen nochmals turbulente Wochen bevorstehen könnten.

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Kein Dax-Unternehmen steht angesichts der aktuellen Krisenlage so stark unter Druck wie BASF. Mit einem Bedarf von 20 Millionen Tonnen Erdgas pro Jahr allein an seinem zentralen Standort in Ludwigshafen ist BASF der größte industrielle Gasverbraucher Deutschlands. Gas wird in der chemischen Industrie in riesigen Mengen als Energieträger und als Rohstoff benötigt. Strategisch ist es nur folgerichtig, wenn sich der größte Gasverbraucher die größten Gasquellen sichert – und die liegen seit jeher in Russland.

Unternehmerisch läuft dieses Geschäft vor allem über die Beteiligung am Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea. BASF hat 72 Prozent in der Hand, 28 Prozent gehören über LetterOne dem russischen Oligarchen Michail Fridman. Neue Projekte hat BASF im Zuge des Ukrainekriegs gestoppt, bestehende Projekte aber laufen weiter, auch weite Teile der Gasversorgung.

Im ersten Quartal musste BASF wegen Russlandproblemen schon hohe Abschreibungen vornehmen. Wintershall-Chef Mario Mehren warnte eindringlich davor, dass bei einem Komplettrückzug aus Russland Milliardenwerte verloren gingen; und die müsste letztlich dann BASF in der Bilanz verkraften.

Sollte es nun in Deutschland zu einer massiven Gasverknappung kommen, sollte BASF als systemrelevantes Unternehmen mit einer Basisversorgung rechnen können. Dennoch dürfte diese Energie nur für einen kleinen Teil der Produktion ausreichen, weite Teile müssten stillgelegt werden. Und Großanlagen der Chemie sind keine Computer, die sich mit einem Knopfdruck einfach runter- und dann wieder hochfahren lassen.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist China. BASF ist dort seit Ende des 19. Jahrhunderts vertreten, hat intensive Unternehmungen vor Ort und erzielt in China mittlerweile an die 15 Prozent seines weltweiten Umsatzes. Derzeit sind umfangreiche neue Anlagen im Bau, etwa für Batteriechemikalien. China ist der weltgrößte Wachstumsmarkt der Branche – und damit ein Muss-Standort für den weltweit führenden Chemiekonzern.

Aktuell sieht es so aus, als ob neue staatliche Investitionsprogramme die Konjunktur in China und damit auch die Weltkonjunktur und den Bedarf an Rohstoffen wieder ankurbeln könnten. Zudem sind aus Bejing versöhnlichere Töne zu hören. Doch sollte es geopolitisch letztlich auf eine Konfrontation zwischen den westlichen Industriestaaten und China hinauslaufen, wäre BASF der große Verlierer.

Zu den Problemen Gas, Russland und China kommt als viertes Risiko die konjunkturelle Abhängigkeit. Zwar hat sich BASF in den vergangenen Jahrzehnten wegentwickelt vom Hersteller einfacher Basischemikalien. Vor allem der Ausbau der Agrarchemie dürfte sich langfristig als fruchtbares Wachstumsfeld erweisen. Doch wenn die allgemeine Konjunktur wirklich massiv abkippt und große Kunden wie die Fahrzeugindustrie in die Knie gehen, zieht das auch BASF nach unten.

BASF-Aktien haben seit Februar, seit Beginn des Ukrainekriegs, bis zu 44 Prozent verloren. Der Verlust ist damit bisher genauso groß wie im Coronacrash. In beiden Fällen sank die Aktie bis auf das Tiefenniveau um 38 Euro. Von dort ist selbst in einem schwierigen Umfeld eine Kurserholung möglich. Die könnte in den Bereich von 45 bis 47 Euro gehen.

Allerdings: Es gibt ein Warnsignal, das zeigt, wie tief die Krise bei BASF wirklich geht. Durch die Abschläge der vergangenen Wochen hat der Kurs nämlich den seit 20 Jahren bestehenden Aufwärtstrend (der aktuell bei etwa 46 Euro verläuft) markant gebrochen. Sollte BASF bei der nächsten Erholung frühzeitig scheitern und die Aktie erneut abdrehen, könnten sich die Verluste ausweiten, wie bereits in der Finanzkrise 2008. Damals verloren BASF-Aktien 61 Prozent. Gemessen vom jüngsten Hoch Mitte Februar bei 68 Euro wäre das ein Rückschlagpotenzial bis auf 27 Euro. 

Ob es wirklich so schlimm kommt, dürfte sich in den nächsten Wochen zeigen: Dann geht es darum, wie BASF die Gaskrise meistert und welche Strategie das Unternehmen bei den geopolitischen Fragen rund um Russland und China wählt. Parallel dazu dürften die Kurse zwischen 38 und 47 Euro versuchen, einen Boden zu bilden. Ein hoffnungsvolles Zeichen wäre, wenn die Aktie letztlich doch über das entscheidende Niveau bei 47 bis 50 Euro hinauskäme.

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