Riedls Dax-Radar
Anleger blicken derzeit nervös auf den Markt für US-Staatsanleihen. Der könnte über den kommenden Börsentrend entscheiden. Quelle: imago images

Showdown um Inflation und steigende Zinsen

Exzesse bei Rohstoffpreisen bringen die Anleihemärkte ins Wanken. Aktien halten sich noch vergleichsweise gut, doch auch hier sind die Trends in Gefahr. Warum US-Staatsanleihen jetzt eine Schlüsselrolle zukommt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Bis auf 1,54 Prozent ist die Rendite für zehnjährige US-Anleihen zwischenzeitlich geklettert. Kein Börsenbarometer weltweit wird derzeit Anlegern mit so großer Nervosität beobachtet wie die Renditen am US-Anleihemarkt. Seitdem Anfang des Jahres die Marke von 1,00 Prozent nach oben durchstoßen wurde, kam es zu einem rasanten Anstieg der Rendite. Steigende Zinsen sind nach wie kein gutes Umfeld für Aktien – vor allem dann nicht, wenn wie jetzt der gesamte Boom zu einem wesentlichen Teil darauf beruht, dass die Zinsen extrem niedrig oder negativ sind. 

Dabei ist der Renditeanstieg zunächst nur die rechnerische Konsequenz der Kursverluste, die es derzeit am Anleihemarkt gibt. In diesen Verkäufen drückt sich die Befürchtung der Anleger aus, dass es in Zukunft zu einem deutlichen Anstieg der Inflationsraten kommt und dies wiederum nur mit wesentlich höheren Zinsen eingegrenzt werden kann. 

Gefahren dafür gibt es durchaus. In den vergangenen Jahren sind nicht nur Anleihen und Aktien massiv im Preis gestiegen, sondern auch Immobilien und andere Investitionsgüter. Seit einigen Monaten kommt der Boom auf den Rohstoffmärkten dazu. Rohöl, Kupfer, Aluminium, Eisenerz, Weizen, Bauholz, Lithium – reihenweise haben die Notierungen hier nach oben gedreht und dynamische Aufwärtsbewegungen eingeschlagen. 

Allerdings, in den Zahlen der Ökonomen ist von einem massiven Anstieg der Inflation bisher kaum etwas zu sehen. Im Gegenteil, in den USA lag die Teuerung zuletzt bei 1,4 Prozent, in Europa pendelt sie um 1,5 Prozent. Zwar rechnen die meisten Volkswirte im Laufe des Jahres mit einem Anstieg, der womöglich in den Bereich um zwei Prozent gehen könnte, danach aber eher wieder abflaut – weil es wirtschaftlich nach wie vor Überkapazitäten gibt, mit denen Preissteigerungen aufgefangen werden können; oder weil die Ausweitung der Produktion bei Rohstoffen die derzeit preistreibenden Defizite mittelfristig wieder ausgleicht. 

Auch Jerome Powell, Chef der amerikanischen Notenbank, hat gerade wieder darauf hingewiesen, dass weder die Gefahr einer unkontrolliert steigenden Inflationsrate bestehe noch die Notwendigkeit, an der expansiven Geldpolitik etwas zu ändern. 

So gesehen besteht der Kern der aktuellen Börsenturbulenzen in der Frage, ob sich die Inflationsbefürchtungen des Marktes bewahrheiten, oder ob die Fed mit ihrer Strategie einer moderaten und kontrollierten Inflation Recht behält. 

Die Entscheidung darüber wird sich vor allem bei den zehnjährigen US-Anleihen zeigen. Der aktuelle Renditebereich um 1,5 Prozent ist deshalb so wichtig, weil es hier seit 2012 schon viermal zu Wendepunkten in der Zinstendenz gekommen ist. 

Positiv gesehen besteht durchaus eine Chance, dass sich US-Anleihen hier stabilisieren, die Renditen wieder nachgeben und die verbreiteten Inflations- und Zinsängste abflauen. Allerdings: Sollte der Anleihemarkt weiterhin schwach bleiben und die Renditen sogar nachhaltig über die 1,5-Prozent-Marke klettern, könnte dies dann einen regelrechten Crash am Anleihemarkt zufolge haben. Mittelfristig könnten die Zinsen dabei sogar bis auf zwei oder drei Prozent hochschießen. 

Diese offene Flanke ist derzeit die größte Gefahr für Anleihen und Aktien. Immerhin, da die Fed sicherlich kein Interesse an einem Crash bei Anleihen und Aktien hat, dürfte sie notfalls alle Hebel in Bewegung setzen, um diese Gefahr von den Märkten abzuwenden. 

Zinsgewinner Deutsche Bank, Kohlendioxidkiller Covestro

Die Tendenz bei den Zinsen gibt auch im Dax die Richtung vor. Das zeigt sich derzeit nirgends so deutlich wie bei der einzigen Bankaktie, die es hier noch im 30er-Aktienindex gibt, die Deutsche Bank. Während der Dax in den vergangenen zehn Tagen um drei Prozent gesunken ist, hat die Deutsche Bank ein Zehntel zugelegt. Hinter dieser Relativen Stärke stecken auch Fortschritte, die der Bank mittlerweile im operativen Geschäft und bei der Kostenbegrenzung gelungen sind. Mindestens genauso wichtig aber ist das Umfeld steigender Zinsen, das den Banken ihr klassisches Geschäft erleichtert. Von Goldman Sachs über JP Morgan bis zu BNP Paribas und HSBC gehören Bankaktien derzeit zu den Favoriten der Börsen.

Deutsche Bank mit Fortschritten, BASF und Covestro mit gutem Lauf

Der Aktie der Deutschen Bank gelang zuletzt wieder der Sprung über die Marke von zehn Euro. Schon einmal im Februar vergangenen Jahres ist die Aktie soweit vorgedrungen, dann machte der Coronacrash die Erholung zunichte. Überteuert ist die Aktie sicherlich nicht. Bei 1,3 Billionen Euro Bilanzsumme bringt sie nur 22 Milliarden Euro Marktkapitalisierung auf die Waage. Vergleichbare europäische Großbanken kommen auf wesentlich höhere Werte an der Börse. Natürlich verdienen die auch operativ mehr als die Deutsche Bank. Doch je weiter die Deutsche bei ihrer Gesundung vorankommt, desto kleiner dürfte der Abschlag werden, mit dem die Aktie im Vergleich zur Konkurrenz an der Börse gehandelt wird. Ein deutlicher Anstieg über 10 Euro hinaus wäre dafür ein wichtiges Kaufsignal. 

Zu den Aktien, die seit November einen guten Lauf haben, gehört BASF. Dass die Ludwigshafener ihre viel beachtete Dividende trotz eines Nettoverlusts von einer Milliarde Euro mit 3,30 Euro je Anteil stabil halten, kommt vor allem bei langfristigen Anlegern gut an. Grund ist die deutliche Erholung des operativen Geschäfts, die sich seit einigen Wochen bemerkbar macht und die 2021 wieder zu einem Anstieg bei Umsatz und Gewinn führen sollte. Zudem dürften die hohen Abschreibungen in der Chemiesparte und bei der Öl- und Gasbeteiligung Wintershall in einem günstigeren Wirtschaftsumfeld nicht noch einmal in dieser Höhe auftreten. BASF-Aktien sollten sich erst einmal in der Bandbreite ihrer mittelfristigen Schwankungen halten, die zwischen 58 und 72 Euro liegen. Ein schneller Anstieg über 72 Euro ist angesichts der verhaltenen Aussichten wenig wahrscheinlich. 

Kräftig gestiegen sind in den vergangenen Monaten Covestro-Aktien. Die Geschäftsaussichten haben spürbar aufgehellt. Um 16 Prozent stiegen in den vergangenen Monaten die Preise für Schaumstoffvorprodukte. Die verkauften Mengen legten um drei Prozent zu. In diesen beiden Zahlen zu den Kernprodukten von Covestro, mit denen der ehemalige Bayer-Ableger fast die Hälfte seines Umsatzes erzielt, liegt die Chance eines deutlichen Gewinnanstiegs. 

Auch in der zweiten Sparte Hochleistungskunststoffe ziehen die Bestellungen an dank der Erholung in der Autoindustrie und robuster Elektronikmärkte. Vor allem der Smartphonemarkt und die Einführung des neuen, schnellen Mobilfunkstandards 5G erweist sich als Triebkraft. Dazu kommen zunehmend neue Einsatzmöglichkeiten für Hochleistungskunststoffe im Bereich E-Mobilität. 

Covestro erlebt nicht nur einen geschäftlichen Aufschwung, dazu kommt auch eine strategische Verlagerung in Richtung grüne Energie, Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit. Das sichert bisheriges und neues Geschäft und kommt zugleich bei Investoren gut an. Dabei wirkt sich der letztjährige Zukauf bei nachhaltigen Kunstharzen genauso positiv aus wie Meldungen, nach denen Covestro Kohlendioxid für Matratzen- oder Sitzschaumstoffe einsetzt. 

Insgesamt ließe der Mix aus starker Marktstellung, organischem Comeback und grünem Touch durchaus eine Bewertung bis zum 20fachen der erwarteten Gewinne zu, also Aktienkurse von 70 bis 75 Euro. An schwachen Tagen sind Nachkäufe möglich, etwa auf dem Niveau der bisherigen Kursspitzen zwischen 50 und 55 Euro.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Fazit für den Dax: Trotz vielfacher Belastungen und angespannter Stimmung hält sich der Dax bisher über der wichtigen Unterstützungszone zwischen 13.300 bis 13.500 Punkten. Zudem ist er weit oberhalb der 200-Tagelinie, die derzeit bei knapp 13.000 Punkten verläuft und stabil nach oben zieht. Aktuell ist damit der Aufwärtstrend im Dax immer noch intakt. Allerdings, sollte sich die Situation am Zinsmarkt weiter zuspitzen und die Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen deutlich über 1,5 Prozent hochziehen, könnte der Aufschwung im Dax kippen. 

Mehr zum Thema: Investoren vertrauen darauf, dass billiges Geld der Notenbanken weiter die Kurse treibt. Doch viele Indikatoren zeigen: Das geht nicht mehr lange gut, die Börse ist überhitzt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%