Geschäft mit Russland Wie deutsche Unternehmen unter Putin leiden

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Pulverfass Russland

Doch erst durch den schwelenden Konflikt mit den USA hat sich das Russlandgeschäft in ein Pulverfass verwandelt. Wolfgang Büchele, Vorsitzender des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, bezeichnet die andauernde Sanktionspolitik als „das größte Risiko“ für die Geschäfte. Wer auf der Sanktionsliste aus April steht, darf nicht mehr in die USA reisen und keine geschäftlichen Beziehungen mit US-Firmen und amerikanischen Bürgern unterhalten. Doch der Kreis, den die Sanktionen treffen, ist noch viel größer. Auch viele deutsche Firmen erwarten nun Umsatz- und Lieferausfälle.

Laut einer Umfrage der AHK unter ihren Mitgliedern fürchten 68 Prozent der deutschen Firmen in Russland „mittelstark bis sehr stark“ von den Sanktionen betroffen zu sein. Kurzfristig erwarten die befragten Firmen für ihr Geschäft einen Schaden von bis zu 377 Millionen Euro. Mittelfristig befürchten sie Ausfälle in Milliardenhöhe. Weitere Schäden entstehen bereits jetzt durch zurückgezogene Aufträge, eingestellte Projekte und die Rubelabwertung im Zuge der Sanktionseinführung. „Hochgerechnet auf das Gesamtengagement der deutschen Wirtschaft in Russland drohen Milliarden-Einbußen, wenn deutsche Unternehmen von dritter Seite in Geiselhaft genommen werden“, sagte der Vorstandschef der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK), Matthias Schepp. 

In den deutschen Firmen rumort es gewaltig. Es gebe kein Muster, ärgert sich ein Wirtschaftsexperte. Welche Folgen die Sanktionen haben, sei noch gar nicht abschließend klar. Sind auch die russischen Eisenbahner und Kraftwerkbauer betroffen? „Dann kann Siemens hier zu machen“, sagt einer. Auch Volkswagen ist ein Kollateralschaden. Betroffen ist Partner GAZ, mit dem VW gemeinsam ein Werk in Nischni Nowgorod betreibt und einen Teil seiner Produktion fertigen lässt. Bei einem Besuch im Werk von Kaluga laufen die Bänder zwar noch. Auf Nachfrage nach dem zweiten Werk reagiert man verschnupft. Aktuell will man keinen Kommentar abgeben. Das übernimmt Zulieferer Wiedmaier, während er an einem neuen Spike pult: „Der Export ist immer eine Alternative.“

Wen Trump mit seiner Liste überhaupt treffen will, ist kaum nachvollziehbar. So steht auch der Gründer des russischen Googles Yandex auf der Auflistung, einer der schärfsten Putin-Kritiker. In der Theorie soll es nur die Oligarchen treffen, aber in der Realität trifft es alle, ärgert sich ein Geschäftsmann. 100.000 Arbeitsplätze hängen laut des Ost-Ausschusses allein in Deutschland unmittelbar am Russlandgeschäft. Und welche Erfolge hatten die Sanktionen überhaupt? Wirtschaftlich geht es den Russen schlechter. Aber ihren Präsidenten lieben sie mehr denn je. 79 Prozent der AHK-Firmen fordern deshalb, dass „die Bundesregierung die neuen Sanktionen öffentlich kritisiert und darauf hinwirkt, dass deutsche Firmen nicht wegen ihrer Russlandgeschäfte belangt werden“.

Auch Dick in seinem kleinen Büro in Moskau macht sich Sorgen. Mit 19 Jahren kam er mit seiner Familie nach Deutschland, seine Eltern sind Spätaussiedler. Nach dem Studium zog es ihn zurück in seine alte Heimat, wie er sagt. In Tübingen soll man sich nun auf ihn verlassen können. Das ist ihm wichtig. Eine schwache Konjunktur bedeutet weniger Aufträge in der Baubranche. Investitionen in neue Fabriken werden lieber verschoben. Das alles kostet das Unternehmen Aufträge.

Doch die erste Bilanz ist positiv. Er hat bereits nach kurzer Zeit mehr neues Geschäft generiert, als die Großhändler in einem Jahr. Dick reist dafür jede Woche in eine andere Stadt. Er will jede Chance nutzen. Deutsche haben einen guten Ruf, weiß er. In vielen Werkshallen stehen noch Maschinen aus der DDR. Es gibt Siemensturbinen, die laufen in Russland seit 80 Jahren. Gerade ist er erst in Ostrussland beim russischen Automobilhersteller Lada gewesen. Auch dort setzt man auf den deutschen Maschinenbauer. 

Aber der Druck ist hoch. Immer häufiger bieten auch Chinesen mit. Ihre Werkzeuge und Maschinen sind viel billiger. Manchmal gibt es zwei zu einem Preis, für den die Deutschen nicht einmal eine verkaufen können. Die eine, sagen die Chinesen, ist dann nur zum Ausschlachten. Trump, China und der Moskauer Regen: Dick bleibt trotzdem optimistisch. Er ist sich sicher, dass der Mittelständler Paul Horn mit seinem Schritt nach Russland Erfolg haben wird. Das sagt er und ist schon wieder auf dem Weg ins Werkzeuglager.

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