Gesetzesentwurf FDP, Grüne und Linke fordern freie Abstimmung zum Wahlrecht

Seit Jahren soll der Bundestag verkleinert werden, doch die nötige Wahlrechtsreform lässt auf sich warten. Jetzt erhöht die Opposition den Druck.

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In der Corona-Pandemie bleiben zwar viele Stühle frei. Doch wegen des Wahlrechts ist das Parlament so groß wie nie. Quelle: Bloomberg

FDP, Grüne und Linke machen Druck auf die Koalition für eine Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags praktisch in letzter Minute. Sie forderten am Mittwoch eine Abstimmung über ihren gemeinsamen Gesetzentwurf in der kommenden Woche im Bundestag und eine Aufhebung des Fraktionszwangs dabei. Davon erhoffen sie sich eine Mehrheit für ihren gemeinsamen Vorstoß.

Zugleich warfen sie der Koalition und hier insbesondere der CSU eine Blockadehaltung vor. „Wenn die Koalition nicht die Kraft findet, was vorzulegen, dann sollen sie wenigstens die Abstimmung freigeben“, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann.

Nach Ansicht ihres FDP-Kollegen Marco Buschmann verspüren auch die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD in ihren Wahlkreisen den hohen Druck der Bürger, ein weiteres Anwachsen des Bundestags zu verhindern. „Die Gefahr des XXL-Bundestags treibt sehr viele Menschen um“, sagte er. „Solche Themen sind geeignet, ganz ungewöhnliche Mehrheiten zu mobilisieren.“ Voraussetzung sei eine Aufhebung des Fraktionszwangs. Die Union sei die „personifizierte Bremse beim Wahlrecht“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Friedrich Straetmanns.

Die Vertreter der drei Fraktionen wiesen darauf hin, dass sie als Einzige bislang einen Gesetzentwurf für eine Reform vorgelegt hätten. Dieser sei verfassungsgemäß, wie ihnen bei einer Expertenanhörung bescheinigt worden sei. Der Innenausschuss müsse am kommenden Mittwoch die Beratung beenden. Dann müsse der Gesetzentwurf am Freitag, dem letzten Sitzungstag vor der Sommerpause, im Bundestag abschließend beraten und zur Abstimmung gestellt werden.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, die Zahl der Wahlkreise von derzeit 299 auf 250 zu reduzieren. Die Sollgröße des Parlaments soll von derzeit 598 Sitzen leicht auf 630 erhöht, das so genannte Mindestsitzzahlverfahren, das zu einer Zunahme der Mandate führt, soll abgeschafft werden. Eine Reduzierung der Wahlkreise wird vor allem von der CSU kategorisch abgelehnt, weil sie bei der Wahl 2017 alle 46 Wahlkreise in Bayern direkt gewonnen hat.

Der größte Bundestag aller Zeiten

Ohne eine Reform wird bei der Wahl 2021 ein weiteres Anwachsen des Bundestags befürchtet – auf möglicherweise mehr als 800 Sitze. Das Parlament ist mit 709 Abgeordneten schon jetzt so groß wie nie zuvor.

„Das Zeitfenster für die Änderung des Wahlrechts schließt sich“, warnte der FDP-Politiker Buschmann. Er wies darauf hin, dass nach dem Verhaltenskodex der Venedig-Kommission des Europarats ein Jahr vor einer Wahl deren Regeln feststehen sollen. Kein anderer diskutierter Vorschlag sei mehrheitsfähig oder verfassungskonform.
„Wir können uns als Parlament nicht der Blockade der CSU hingeben und einfach weiter abwarten“, betonte auch Haßelmann. Sie wies zudem daraufhin, dass der Gesetzentwurf alle Fraktionen gleichermaßen treffe. „Das heißt, er ist auch fair.“
Wäre bereits 2017 nach dem Vorschlag von FDP, Linken und Grünen gewählt worden, dann hätte nach Berechnungen die CDU 22 Abgeordnete weniger als heute, die CSU 5, die SPD 17, die AfD 10, die FDP 9, die Linke 8 und die Grünen ebenfalls 8 Abgeordnete.
Der Linken-Politiker Straetmanns ging davon aus, dass es noch möglich sei, die Zahl der Wahlkreise zu verringern. „Technisch ginge es wahrscheinlich noch unter Anspannung aller Kräfte, die der Verwaltung zur Verfügung stehen.“ Es sei aber zeitlich „außerordentlich eng“.
Die drei Oppositionspolitiker warnten die Koalitionsfraktionen davor, eine Abstimmung über den Gesetzentwurf zu verhindern. „Es wäre blanke Obstruktion aus Angst vor der öffentlichen Debatte“, sagte Buschmann. Eine Debatte über die Wahlrechtsreform werde man in der kommenden Woche aber auf jeden Fall erzwingen, das ermögliche die Geschäftsordnung des Bundestags.

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