IWF-Frühjahrstagung Starkes Wachstum bei eskalierenden Risiken

Der Internationale Währungsfonds hat seinen „World Economic Outlook“ veröffentlicht. Darin stimmt er auf langfristig sinkende Wachstumsraten der Weltwirtschaft ein. Auf Finanzminister Scholz warten unangenehme Themen.

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Vordergründig sollte man meinen, dass die Stimmung bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington sonnig sei. Die Weltwirtschaft wächst schließlich, und zwar so stark wie seit acht Jahren nicht mehr.

In seinem am Mittwoch veröffentlichten halbjährlichen „World Economic Outlook“ erwartet der IWF in der Eurozone für das laufende Jahr 2,4 Prozent BIP-Wachstum, was das stärkste seit 2007 wäre. Vor drei Monaten hatte die Institution noch 2,2 Prozent prognostiziert. Ihre Prognose für die USA hob sie von 2,7 Prozent auf 2,9 Prozent an. Für die Weltwirtschaft beließ der IWF seine Prognose bei 3,9 Prozent, was der kräftigste Anstieg seit 2011 wäre. Für China prognostiziert er 6,6 Prozent Wachstum, eine leichte Verlangsamung im Vergleich zu den im vergangenen Jahr erreichten 6,9 Prozent. Indien dürfte China laut IWF überholen und um 7,4 Prozent zulegen. Für Japan erwartet die Institution eine Wachstumsverlangsamung auf 1,2 Prozent von bislang 1,7 Prozent.

Im Zentrum des IWF-Ausblicks stehen dennoch die Sorgen. Und die dürften jenseits der öffentlichen Verlautbarungen auch die Gespräche in dieser Woche zwischen Finanzministern, hohen Beamten und Notenbankern bestimmen. Zur Einstimmung warnte IWF-Chefvolkswirt Maurice Obstfeld in einem Blogbeitrag vor „eskalierenden Risiken“ für die globale Konjunktur. „Die im Moment guten Zeiten werden nicht lange halten“, sagte er in Washington.

Der „World Economic Outlook“ prophezeit, dass vor allem in entwickelten Volkswirtschaften, inklusive Deutschland, der Wohlstand in absehbarer Zeit kaum noch wachsen werde. Die Wachstumsraten der meisten dieser Volkswirtschaften würden das Niveau von vor der Finanzkrise nicht wieder erreichen. Deutschland müsse vermutlich mit Raten von rund einem Prozent jährlich rechnen. Als akutes Risiko nennt Obstfeld an erster Stelle den sehr hohen globalen Schuldenstand, sowohl öffentlich als auch privat. Dadurch drohten Zahlungsschwierigkeiten, sobald die Notenbanken ihre Zinspolitik normalisierten. Weltweit seien die Finanzierungskonditionen generell locker, wodurch angesichts der bevorstehenden Anhebung der Leitzinsen die Verletzlichkeit der Kapitalmärkte steige. Außerdem betont Obstfeld „geopolitische Risiken“ und die eskalierenden internationalen Handelskonflikte. In Industrieländern seien alterndes Personal, Fachkräftemangel und nur langsam wachsende Produktivität ein weiteres Problem.  

Für Olaf Scholz, der übermorgen erstmals als neuer Bundesfinanzminister an einer Frühjahrstagung teilnimmt, dürften zwei Themen im Zentrum stehen. Einerseits wird er wohl wie sein Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble mit dem Ceterum Censeo der IWF-Präsidentin Christine Lagarde konfrontiert werden: nämlich, dass Deutschland seinen Handelsüberschuss gefälligst abzubauen habe.

Ein weiteres Thema für Scholz werden Schuldenerleichterungen für Griechenland sein, so berichtet das Handelsblatt. Am Rande der IWF-Frühjahreskonferenz ist nämlich, wie das "Handelsblatt" berichtet, ein Treffen der sogenannten "Washingtoner Gruppe" geplant, der neben EU-Vertretern auch Repräsentanten des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und des Euro-Rettungsfonds ESM angehören. Der Runde sollen demnach in der US-Hauptstadt mehrere Optionen für Schuldenerleichterungen für Griechenland vorgelegt werden.
Diskutiert wird derzeit beispielsweise über einen milliardenschweren Anleihen-Rückkauf. Dabei könnten griechische Staatsanleihen im Besitz von EZB und Notenbanken von Griechenland mit Hilfe des Euro-Rettungsfonds ESM abgelöst werden. Allerdings sieht die EZB diese Option laut Bericht kritisch. Ein Alternativmodell sieht dem "Handelsblatt" zufolge vor, dass Zinsgewinne, die die Gläubiger mit den griechischen Anleihen erzielt haben, dem Land in den kommenden Jahren rückerstattet werden. Darüber hinaus werde an einem Wachstumsmechanismus gearbeitet, bei dem Griechenland einen geringeren Schuldendienst leisten müsste, wenn die Wirtschaft sich schlechter als gedacht entwickle.

Die Euro-Finanzminister könnten laut Bericht bereits bei ihrem Treffen am 27. April in Sofia eine Erklärung zu den avisierten Schuldenerleichterungen abgeben. Treffe dies auf Zustimmung des IWF, könnte der Ende April die Entscheidung treffen, sich an dem laufenden Griechenland-Hilfsprogramm mit einer Summe von 1,6 Milliarden Euro zu beteiligen. Die grundsätzliche Bereitschaft dazu hatte der Fonds schon erklärt.

Die Zeit drängt, denn das geltende Hilfsprogramm der Euro-Partner mit dem ESM für Griechenland läuft schon im August dieses Jahres aus. Es ist bereits das dritte für Griechenland. An den beiden ersten Programmen hatte sich der IWF beteiligt.

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