ChatGPT ist in aller Munde. Der Chatbot mit Künstlicher Intelligenz (KI), der vom in Kalifornien ansässigen Unternehmen OpenAI entwickelt wurde, hat die Welt im Sturm erobert. Schätzungen zufolge haben ihn in den zwei Monaten seit Markteinführung mehr als 100 Millionen Menschen auf der ganzen Welt genutzt, und Microsoft hat eine „mehrjährige, milliardenschwere Investition“ in OpenAI getätigt, um die Technologie des Unternehmens in seine Suchmaschine Bing zu integrieren (mit einigen anfänglich erschreckenden Auswirkungen). Google entwickelt hingegen einen eigenen Chatbot namens Bard.
Der Hype um ChatGPT und ähnliche Alternativen hat dazu geführt, dass sich der chinesische Technologiesektor um einen Teil des Kuchens bemüht. Baidu, Chinas führende Suchmaschine, kündigte an, seinen „Ernie Bot“ im März auf den Markt bringen zu wollen. Andere chinesische Tech-Giganten wie Alibaba und JD.com kündigten eigene Chatbots an.
China hat Jahre damit verbracht, seine Fähigkeiten im Bereich der Künstlichen Intelligenz zu entwickeln und seine Ambitionen in einem Plan aus dem Jahr 2017 dargelegt, der das Land bis 2030 zu einem „globalen Innovationszentrum“ in diesem Bereich machen sollte. Diese Ziele haben zum Wettbewerb, aber auch zur Zusammenarbeit zwischen US-amerikanischen und chinesischen Wissenschaftlern und Unternehmen geführt. Unternehmen wie Baidu, Tencent und Alibaba richteten sogar Labore im Silicon Valley ein.
ChatGPT: Wie die KI funktioniert und welche Einsatzgebiete es gibt
OpenAI wurde 2015 als gemeinnützige Forschungs- und Entwicklungsorganisation vom Tesla- und Twitter-Chef Elon Musk sowie dem Technologie-Investor Sam Altman gegründet. Zu den Investoren zählt außerdem der PayPal-Mitgründer Peter Thiel. Im Jahr 2019 wurde ein gewinnorientierter Ableger gegründet, um externe Investitionen einzusammeln. Auch der Software-Konzern Microsoft sicherte sich Anteile an dem Unternehmen, dass bei der jüngsten Finanzierungsrunde Insidern zufolge mit 20 Milliarden Dollar bewertet wurde.
Musk verließ den Verwaltungsrat von OpenAI 2018, lobte ChatGPT auf Twitter allerdings als "erschreckend gut". Allerdings kündigte er später an, den Zugriff von OpenAI auf die Datenbank des Kurznachrichtendienstes vorerst zu sperren. Er habe gerade erst erfahren, dass OpenAI die Daten nutze, um die KI zu trainieren.
Mögliche Anwendungsbereiche für das Programm sind Digital-Marketing oder die Beantwortung von Kunden-Anfragen. Einige Nutzer habe ChatGPT sogar dafür genutzt, Software-Code auf Fehler zu prüfen.
OpenAI zufolge kann ChatGPT einen menschlichen Dialog simulieren, Nachfragen beantworten, Fehler eingestehen, falsche Annahmen revidieren und unangemessene Anfragen zurückweisen. Trainiert werde die Künstliche Intelligenz nach der Methode "Reinforcement Learning from Human Feedback (RLHF)". Dabei bewerten Menschen Schlussfolgerungen, die die Software zieht, um künftige Ergebnisse zu verbessern.
ChatGPT versucht Fragen von Nutzern zu verstehen und in einer schriftlichen Konversation so zu beantworten, wie es ein Mensch täte.
OpenAI hat eingeräumt, dass ChatGPT die Tendenz hat, „plausibel klingende, aber falsche oder sinnlose Antworten" zu liefern. Die Behebung dieses Problems sei schwierig. Außerdem können durch KI Vorurteile zu ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht oder Kultur weiterverbreitet werden. Auch Google und Amazon hatten mit ethisch fragwürdigen Entscheidungen ihrer jeweiligen KI-Projekte zu kämpfen. Bei anderen Unternehmen mussten Menschen eingreifen, um ein durch die Software verursachtes Chaos einzudämmen.
Da sich die Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt jedoch zunehmend verschlechtern – vor allem im Technologiebereich –, könnte der Spielraum für eine weitere Zusammenarbeit bei Technologien wie KI rasch schrumpfen. Die von der Regierung Biden im Oktober vergangenen Jahres verhängten Beschränkungen für den Export fortschrittlicher Halbleiterchips nach China, die zum Teil auf Chinas KI-Fähigkeiten abzielten, stellten eine große Breitseite in einer Beziehung dar, die seitdem immer brüchiger wird.
Das Ziel für 2030 wurde Monate nach dem so genannten „Sputnik-Moment“ Pekings festgelegt, als ein KI-Programm von Google einen chinesischen Großmeister im alten Brettspiel wei qi (auch bekannt als Go), besiegte. „Das war der eigentliche Auslöser für Chinas KI-Revolution“, kommentiert Sam Howell, der am Zentrum für New American Security über Technologie und nationale Sicherheit forscht.
Den Chatbot-Moment lediglich an allzu nationalistischen Begriffen festzumachen, kann irreführend sein, mahnt Graham Webster, Forscher und Chefredakteur des DigiChina-Projekts am Cyber Policy Center der Stanford University. ChatGPT ist weit entfernt von der Art Technologie, die traditionell in den Labors der US-Regierung entwickelt wurde. „Ich glaube nicht, dass man ChatGPT als einen Sieg für die Vereinigten Staaten in einer Art Wettlauf ansehen sollte“, sagt Webster. „OpenAI ist ein Unternehmen, aber es ist nicht die USA[…]. Es hat seine eigenen Ambitionen und Werte, die manchmal mit denen der Amerikaner übereinstimmen und manchmal nicht. Es wird einfach nicht von nationalen Interessen geleitet.“
Aber nationale Belange spielen immer noch eine große Rolle. Die chinesischen Partner von OpenAI werden aufgrund der oft restriktiven technischen Vorschriften Pekings, seines ausgedehnten Zensurapparats und seiner weitreichenden staatlichen Kontrolle des Privatsektors anders kalkulieren. In China muss sich die generative KI an die Regeln Pekings halten, wenn es darum geht, wie das Produkt die nationale Sicherheit beeinflusst, so Webster. „Es gibt also eine automatische Verantwortung für das, was man als Inhaltsmoderation oder Zensur bezeichnen könnte – es ist offen gesagt beides“, fügt Webster hinzu.
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Es gibt auch einen großen Unterschied in der Art und Weise, wie China an die Regulierung der Künstlichen Intelligenz herangeht, erklärt Paul Triolo, Senior Vice President für China und Leiter des Bereiches Technologiepolitik bei der Albright Stonebridge Group. Er fügt hinzu, dass die Vereinigten Staaten dazu neigen, KI als ein zusätzliches Element zu bereits regulierten Sektoren zu betrachten.
„Chinesische Beamte hingegen betrachten KI als eine kritische Technologie, die einen regulatorischen Rahmen benötigt, sowohl um die negativen Aspekte des Einsatzes von KI-Algorithmen zu kontrollieren, als auch um Technologieunternehmen ein klares Gefühl dafür zu geben, wo die regulatorischen Grenzen gezogen werden müssen, um Innovationen in diesem Sektor zu fördern“, erläutert Triolo.