Wirtschaft von oben #187 – Teil 2 – Neue US-Chipfabriken Hier entsteht die technologische Speerspitze im Wirtschaftskrieg der USA mit China

Quelle: LiveEO/Pleiades

Nur ein Bruchteil der Halbleiterproduktion findet bislang in den USA statt. Doch das ändert sich gerade rapide, wie exklusive Satellitenbilder zeigen. Eine Investitionsoffensive in Höhe von mehr als 500 Milliarden Dollar soll die Abhängigkeit von Asien überwinden. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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So eine Investitionswelle gab es noch nie in der amerikanischen Halbleiterbranche. In den US-Bundesstaaten Arizona, Texas, Ohio und New York hat der Bau von gigantischen Chipfabriken begonnen, beauftragt von Intel, Samsung, TSMC, Micron, GlobalFoundries und Texas Instruments. Es geht um Investitionen, die über die nächsten zwei Jahrzehnte mindestens eine halbe Billion US-Dollar kosten und die Produktion von Halbleitern in den USA kräftig ausbauen werden.

Diese neuen Fabriken werden zwar erst in den kommenden Jahren einsatzbereit sein, doch schon jetzt belegen exklusive Satellitenbilder von LiveEO, mit welcher Geschwindigkeit und in welchem Ausmaß die neuen Standorte ins Geschäft kommen wollen.

Ein Selbstläufer ist dieses Geschäft freilich nicht. Denn die Halbleiterbranche ist von Zyklen geprägt. Mit der gewaltigen Nachfrage während Corona etwa rechnete niemand. Im Gegenteil: Für 2020 hatte die Branche einen Rückgang der Umsätze erwartet.



Nun sieht C.C. Wei, Chef von Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC), nach der Chip-Knappheit in der Coronakrise schon wieder dunkle Wolken am Horizont auftauchen, wegen Ängsten vor einer weltweiten Rezession. Die Unternehmen fürchten weltweite Überkapazitäten. Die Nachfrage sinkt, auch weil Unternehmen und Privatpersonen viele Anschaffungen wie Computer während der Pandemie vorgezogen haben. „Der Umsatz in der Halbleiterindustrie wird 2023 wahrscheinlich zurückgehen“, warnt der Chef des größten Halbleiterherstellers der Welt. Mehr noch: Morris Chang, der TSMC 1987 gründete und in den USA ausgebildet wurde, schätzt, dass es in den USA doppelt so teuer ist, Chips herzustellen wie in Taiwan.

Warum aber wird trotz dieser eingetrübten Aussichten und höheren Kosten so kräftig in den USA investiert? Weil Mitte der Dekade, wenn die ersten Fabriken produktionsbereit sind, schon wieder ein neuer Aufschwungzyklus starten könnte. Aber vor allem, weil es um politische Ziele geht: um das Wettrüsten zwischen den Supermächten USA und China. „Wir werden die Produktion von Hochleistungschips anführen“, hat US-Präsident Joe Biden als Parole ausgegeben. Darin ist er sich ausnahmsweise mit der Opposition einig. Demokraten und Republikaner haben im August ein Gesetzesvorhaben durch den Kongress gebracht, welches 52 Milliarden Dollar für die Ansiedlung von Chipfabriken in den USA und damit verbundene Forschungszentren bereitstellt. Hinzu kommen etliche Milliarden Dollar in Form von Steuererleichterungen und Fördergeldern der US-Bundesstaaten, in denen Fabriken entstehen.

Hochleistungschips sind das Fundament für die Digitalisierung der Wirtschaft, für Künstliche Intelligenz oder für Waffensysteme. Wer keinen oder begrenzten Zugang zu ihnen hat, ist sicherheitspolitisch und wirtschaftlich gefährdet. Vor 30 Jahren verfügten die USA über 37 Prozent der weltweiten Produktionskapazität für Halbleiter. Heute sind es zwölf Prozent. Die Fertigung ist in den vergangenen Jahrzehnten aus Kostengründen vornehmlich nach Asien gewandert. Dort ballen sich nun etwa drei Viertel der weltweiten Produktionskapazität. Und die derzeit modernsten Halbleiterchips stellt TSMC in Taiwan her. Würde China die Insel besetzen, wäre der Westen von einer wichtigen Quelle abgeschnitten. Dem soll vorgebeugt werden.

Noch ist unklar, ob der Ausbau der Kapazität tatsächlich so rasch wie angekündigt vorangeht. In den vergangenen 30 Jahren sind viel Erfahrung und ganze Lieferketten nach Asien abgewandert oder dort neu entstanden, auch an Fachpersonal mangelt es. Aber die Chefs der großen Halbleiterhersteller stehen unter Druck, die Produktion in den USA voranzutreiben. Nicht nur sitzen dort wichtige Kunden, auch das US-Militär winkt mit Aufträgen, bei denen nur Ausrüstung in Frage kommt, die auf amerikanischem Boden gefertigt wird.


Ein Vorteil für Intel, den Konzern aus dem Silicon Valley. Intel ist der größte amerikanische Chiphersteller, mit Werken in Oregon, New Mexico und Arizona. In den nächsten drei Jahren will Intel-Chef Pat Gelsinger vier neue Chipfabriken eröffnen, zwei in Arizona und zwei in Ohio.

In Arizona ist es eine Erweiterung zu den bestehenden Fabriken in Chandler, südöstlich von Phoenix. Auf dem Ocotillo Campus wird seit September 2021 gebaut, mit einem Investitionsvolumen von 20 Milliarden Dollar. Doch es geht nicht nur darum, die Gebäude hochzuziehen. Das Gros der Kosten entsteht durch das Einrichten der Reinräume und ihr Bestücken mit Maschinen. Bis 2024 will Intel die Werke produktionsbereit haben, nicht nur für die eigene Fertigung, sondern auch als Auftragshersteller für Kunden. Damit macht Intel Angstgegner TSMC Konkurrenz.


Mit seinen geplanten Werken in Ohio betritt Intel hingegen Neuland. Bislang beschränkte sich der Konzern auf die westlichen US-Bundesstaaten, auch um die Zulieferer und den Zugang zu Fachpersonal örtlich nicht zu sehr zu zersplittern.

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In Ohio wird nun alles neu aus dem Boden gestampft. In der Nähe von Columbus sollen über die nächsten zehn Jahre gleich acht Fabriken entstehen für rund 100 Milliarden Dollar. Es ist die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Bundesstaates, der dafür 2,1 Milliarden Dollar an Fördergeldern und Steuererleichterungen versprochen hat. Die ersten zwei Fabriken sollen 20 Milliarden Dollar kosten und 2025 in Betrieb gehen.


Als TSMC im September 2020 bekannt gab, für zwölf Milliarden Dollar eine Chipfabrik in Arizona zu errichten und über die nächsten fünf Jahre rund 1900 Jobs zu schaffen, jubelten US-Politiker. Denn das Unternehmen konzentriert seine Fertigungsstätten eigentlich in Taiwan, mit bislang nur drei Ausnahmen – eine Fabrik nahe Shanghai, eine im US-Bundesstaat Washington und ein Joint Venture in Singapur. Nun kommt ein Fertigungskomplex in Arizona hinzu, genau wie Intel in einem Vorort von Phoenix angesiedelt. Nicht von ungefähr, denn so kann TSMC Fachpersonal und Zulieferer beim Wettbewerber abluchsen.

Die wichtigsten Gebäude sind seit Ende August fertig, werden nun mit Maschinen bestückt. Die Produktion soll Anfang 2024 starten. Einer der Hauptkunden wird Apple sein. Ob jedoch tatsächlich die hochmodernsten Prozessoren aus Arizona kommen werden oder weiterhin aus Taiwan, ist noch offen. Denn das TSMC-Werk wurde als Werk mit 5-Nanometer-Produktion angekündigt. Damit ist die Größe der Transistoren auf dem Chip gemeint, also fünf millionstel Millimeter. Je kleiner der Wert und umso dichter dieser bepackt ist, desto höher in der Regel die Rechenkraft.

Nun nimmt TSMC jedoch zusätzliche 23 Milliarden Dollar in die Hand und will den Fertigungskomplex um fünf weitere Fabriken ergänzen, darunter auch auf 3-Nanometer-Basis. Die iPhone-Generation, die im Herbst 2024 auf den Markt kommt, wird aber wahrscheinlich schon auf Prozessoren aus 2-Nanometer-Fertigung setzen. Das würde bedeuten, dass Apple weiterhin zittern müsste, sollte China auf die Idee kommen, Taiwan abzuriegeln oder gar zu besetzen.


Auch Samsung trägt einen Teil dazu bei, dieses Risiko zu minimieren. Der südkoreanische Konzern produziert schon seit 2009 Halbleiter in der Nähe der texanischen Hauptstadt Austin, unter anderem für Apple und Qualcomm. Doch das Werk in Texas nutzte veraltete Fertigungstechnik. Nun entsteht in Taylor, einem Vorort von Austin, für 17 Milliarden Dollar ein hochmodernes Werk, das Mitte 2024 in Betrieb gehen und 2000 Mitarbeiter beschäftigen soll. Mehr noch: Samsung hat einen 20-Jahres-Plan vorgelegt. Er sieht vor, rund um Austin bis 2042 bis zu zehn weitere Werke zu erreichten, mit einer Gesamtinvestitionssumme von bis zu 192 Milliarden Dollar.


Das angeblich größte Chipwerk der Welt plant aber ein US-Konkurrent: der Halbleiterhersteller Micron. Noch besteht der „White Pine Commerce Park“ in einem Vorort von Syracuse im US-Bundesstaat New York aus Feldern. Doch über die nächsten 20 Jahre hat Micron vor, 100 Milliarden Dollar hier zu investieren und 9000 Jobs zu schaffen. Der Staat New York hat dafür Fördermittel und Steuervorteile von 5,5 Milliarden Dollar versprochen. Derzeit existiert das Projekt nur im Computer, die Bauarbeiten sind für Anfang 2024 geplant.

Auch in Europa entstehen neue Chipfabriken. Intel will hier in den nächsten zehn Jahren rund 80 Milliarden Euro investieren, unter anderem in ein Werk in Magdeburg. Aber mit den Investitionen in den USA, wo man auf das gezielte Rückholen von Produktion setzt, kann der alte Kontinent nicht mithalten.


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