Washington/Berli US-Präsident Donald Trump riskiert einen massiven Handelsstreit mit wichtigen Wirtschaftspartnern wie China und Deutschland. Angesichts des hohen US-Handelsdefizits lässt Trump sämtliche Handelsbeziehungen zu anderen Ländern überprüfen. Die US-Regierung will außerdem Dumping-Vorwürfe untersuchen lassen, etwa gegen mehrere ausländische Stahlproduzenten. Dazu unterzeichnete Trump am Freitag in Washington zwei entsprechende Dekrete.
Das Handelsdefizit der USA war im vergangenen Jahr noch einmal gestiegen, und zwar auf 481 Milliarden Dollar. Das bedeutet, die USA importieren deutlich mehr Waren als sie in andere Länder exportieren. Die USA nehmen für sich in Anspruch, dass sie im Vergleich zu anderen Ländern geringe Hürden für Einfuhren hätten.
Die Ankündigung kommt nur wenige Tage vor dem ersten Treffen Trumps mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Das Thema Handel wird eines der maßgeblichen Gesprächsthemen sein. Trumps Sprecher Sean Spicer sagte, die angekündigte Untersuchung der Handelsbeziehungen habe nichts mit dem Besuch des chinesischen Staatchefs zu tun. Trump und Xi werden am 6. und 7. April in Florida zusammentreffen.
Mit Blick auf das Vorgehen gegen angebliche Dumping-Preise ausländischer Unternehmen in den USA sagte Trump, Tausende Jobs in den USA seien verloren gegangen. Diejenigen, die Regeln gebrochen hätten, würden die Konsequenzen tragen.
Ein Thema hat sich die US-Regierung bereits konkret herausgepickt: Sie sieht Dumping-Vorwürfe gegen mehrere ausländische Stahlproduzenten bestätigt - darunter auch Salzgitter und die Dillinger Hütte - und droht mit Strafzöllen.
Die US-Regierung geht von Dumping aus, wenn Produkte unter ihrem „fairen Wert“ verkauft werden. Handelsminister Ross sagte, eine gründliche Untersuchung habe ergeben, dass dies in der Vergangenheit bei Stahlproduzenten aus Österreich, Frankreich, Belgien, Deutschland, Italien, Japan, Südkorea und Taiwan der Fall gewesen sei. Die Ergebnisse erlaubten es, Abgaben zwischen 3,62 und 148,02 Prozent des Importwerts zu verhängen.
Konfliktfelder der US-Regierung mit Deutschland
Die neue US-Regierung hat frühere Äußerungen von Trump, dass die Nato "obsolet" sei, mittlerweile korrigiert. Die neue Konfliktlinie verläuft entlang der Selbstverpflichtung der Nato-Staaten, bis 2024 zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Sicherheit auszugeben. Die USA geben wesentlich mehr aus, Deutschland sehr viel weniger. Trump wird Merkel drängen, die Ausgaben schneller anzuheben als sie versprochen hat.
Die Sorge über eine zu starke Hinwendung Trumps zu Russlands Präsident Wladimir Putin sind verflogen. Dennoch besteht große Unsicherheit über den amerikanischen Russland-Kurs, der sich auf viele Konflikte von Syrien bis zur Ukraine auswirken kann.
Während Trump vor allem den Anti-Terrorkampf gegen Islamisten betont, geht es Deutschland stärker um die Stabilisierung von Ländern - auch mit Blick auf künftige Flüchtlingsbewegungen. Die US-Regierung hat sich zum Engagement in Afghanistan bekannt, was Merkel lobte. Was Trump in Libyen und Syrien genau will, ist bisher unbekannt.
Ein zentraler Streitpunkt könnte der Umgang mit dem aus der EU ausscheidenden Großbritannien werden. Trump hat den Brexit als Vorbild auch für andere EU-Staaten bezeichnet. Merkel betont die Einheit der EU - auch in Handelsfragen.
Führende Vertreter der Trump-Regierung haben angekündigt, auch wirtschaftliche Probleme mit EU-Staaten bilateral klären zu wollen - ungeachtet möglicher EU-Zuständigkeit. Die Bundesregierung lehnt dies ab.
Dies betrifft etwa den deutschen Leistungsbilanzüberschuss. Der Vorwurf der US-Regierung lautet, dass Deutschland etwa den niedrigen Euro-Kurs ausnutzt und dadurch mehr Waren in den USA absetzen kann als die USA etwa in Deutschland. Die Bundesregierung verweist dagegen auf die Zuständigkeit der EU (Handel) und der EZB (Währung).
In Washington wird die Einführung einer Grenzausgleichssteuer ("Border Adjustment Tax", BAT) zur Gegenfinanzierung der von Trump angekündigten Steuersenkungen diskutiert. Für die Exportnation Deutschland wäre das ein schwerer Schlag, weil es deutsche Produkte in den USA verteuern würde. Merkel hat bereits angedeutet, dass die EU entsprechend reagieren werde.
Trump hat sich bisher generell für protektionistische Ideen stark gemacht und selbst das nordamerikanische Nafta-Abkommen infrage gestellt. Ob er wie sein Vorgänger Barack Obama das angestrebte und von der Kanzlerin befürwortete Wirtschaftsabkommen TTIP mit der EU unterstützen wird, gilt als unsicher.
Trump hat sich mehrfach kritisch zu internationalen Vereinbarungen wie etwa zum Klimaschutz geäußert. Noch immer ist unsicher, ob die USA ihre Verpflichtungen etwa aus dem Pariser Klimaabkommen umsetzen werden.
Trump hat sich generell sehr skeptisch zur multilateralen Zusammenarbeit geäußert. Aus seiner Regierung kamen bereits Drohungen, die Zahlungen an die UN zu kürzen, die ihren Hauptsitz in New York hat. Auch humanitäre UN-Programme sollen gekürzt werden. Merkel plädiert dagegen für eine viel stärkere internationale Zusammenarbeit in einer Vielzahl von Politikfeldern.
Trump hat Merkels Flüchtlingspolitik auch nach seiner Wahl noch scharf kritisiert und will selbst eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen. Merkel wiederum hat Abschottungspläne der USA mehrfach entschieden kritisiert.
Insgesamt gehe es im Untersuchungszeitraum 2015 um Einfuhren im Wert von 732 Millionen Dollar, davon entfalle der größte Anteil, 196,2 Millionen Dollar, auf Importe aus Deutschland. Salzgitter AG und Dillinger werden „Dumping-Raten“ von 5,38 und 22,9 Prozent unterstellt. Das ist der Prozentsatz, um den der Preis nach Auffassung der US-Regierung unter die Herstellungskosten oder den Einkaufspreis gedrückt wurde.
Das Handelsministerium will den Zoll- und Grenzschutz anweisen, auf Basis dieser Zahlen Barsicherheiten von den Unternehmen einzutreiben. Diese Mittel sollen einbehalten werden, bis die Bundesbehörde International Trade Commission am 15. Mai abschließend über den Fall entscheidet. Sollte das Verfahren dann eingestellt werden, würde das Geld zurückgezahlt. Mit dem Vorgehen riskieren die USA einen internationalen Handelsstreit.
Die Bundesregierung kritisierte das Vorgehen und pochte auf Einhaltung internationaler Handelsregeln. Auch eine Klage vor der Welthandelsorganisation WTO wird nicht ausgeschlossen.
Salzgitter und die Dillinger Hütte wiesen die Vorwürfe zurück. Auch wenn der US-Markt für Dillinger eine eher begrenzte Rolle gespielt habe, seien die nun angekündigten Konsequenzen der US-Regierung „schmerzhaft, da solche Handelsschutz-Maßnahmen, die viele Länder betreffen, zu Umleitungseffekten der Warenströme in die EU führen werden“, hieß es in einer Erklärung vom Freitag. Dillinger habe Lieferungen in die USA bereits eingestellt. Bei Salzgitter hat das US-Geschäft Unternehmensangaben zufolge einen Anteil von sechs Prozent am Umsatz.