Roberto Azevêdo "Natürlich gibt es Verlierer"

Der Chef der Welthandelsorganisation hält Reformen der WTO für notwendig und fordert Unternehmen auf, ihre Stimme für den Freihandel zu erheben. Außerdem hat er hohe Erwartungen an den G20-Gipfel in Hamburg.

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Roberto Azevêdo Quelle: REUTERS

WirtschaftsWoche: Herr Azevêdo, weltweit gewinnen Protektionisten an Einfluss. Die WTO steht unter Druck. Muss sich die Welthandelsorganisation verändern?
Roberto Azevêdo: Die WTO ist ein Rechtsrahmen, unter dem der Welthandel organisiert wird. Wenn wir das System verbessern wollen, müssen wir neue Regeln hinzufügen. Wir können zum Beispiel neue Wirtschaftsbereiche in den Rechtsrahmen mit aufnehmen oder ganz neue Verhandlungen starten. Solche Reformen sind nötig.

Reformen innerhalb der WTO halten Sie für überflüssig?
Wir verändern uns doch schon ständig. Nehmen Sie das jüngste Beispiel einer WTO-Vereinbarung. Die Mitgliedsstaaten haben in diesem Jahr beschlossen, wie sie die Zollabwicklung beschleunigen wollen. Diese Vereinbarung funktioniert ganz anders als bisherige Vereinbarungen. Entwicklungsländer können zum Beispiel entscheiden, in welcher Geschwindigkeit Sie die Vereinbarung annehmen oder ob sie technische Hilfe benötigen. Das ist sehr flexibel. Außerdem waren die Verhandlungen für alle mehr als 160 Mitgliedsstaaten vollkommen transparent.

Also planen Sie eine WTO der unterschiedlichen Geschwindigkeiten?
Ja. Eine WTO der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist sinnvoll. Innerhalb einer Handlungsvereinbarung würden künftig die Mitglieder selbst entscheiden, wie viel davon und wie schnell sie Teile des Vertragswerks übernehmen wollen.

Zur Person

Im Sommer findet der G20-Gipfel in Hamburg statt. Was erwarten Sie von Deutschland?
Deutschland muss ein Gespräch über Handelspolitik und das multilaterale System anstoßen. Wir müssen jetzt über die Herausforderungen reden, die vor uns liegen. Natürlich gibt es unterschiedliche Sichtweisen innerhalb der G20 über die Bedeutung und die Folgen von Handel. Jedes Land hat eine eigene Handelsagenda. Ich erwarte von dem Gipfel in Hamburg, dass wir intensiv darüber reden werden, wie wir das Regelsystem verbessern wollen.

Das schwierige ist ja nicht, jene zu überzeugen, die an Handel glauben, sondern jene, die nicht daran glauben. Wie wollen Sie die Kritiker der Globalisierung erreichen?
All die, die vom Freihandel profitieren, müssen endlich ihre Stimme erheben. Sie müssen erklären, warum Handel wichtig ist. In der Realität ist das nicht der Fall. Man hört nur das Negative von jenen, die sich nicht wohl fühlen.

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