Helsinki - die friedliche Hauptstadt des neutralen Finnlands war sorgfältig als Ort des Treffens von Wladimir Putin und Donald Trump in höchst aufgeladenen Zeit ausgesucht worden. Doch mit dem Frieden ist es nicht weit her: Der Gipfel zwischen den beiden mächtigsten Männern der Welt wird überschattet von jüngsten Anklagen in den Russland-Untersuchungen der US-Justiz.
Als Präsident Trump außer Landes war, legte das Justizministerium in Washington am Freitag neue Untersuchungsergebnisse auf den Tisch: Hinter den Hackerangriffen auf die US-Demokraten im Wahlkampf 2016 steckte demnach Russland - und nicht irgendwelche Computerfreaks, sondern der Militärgeheimdienst GRU. Es ist ein weiteres, fast untrügliches Zeichen, dass Wladimir Putin mit seinem langen Arm das Herz der US-Demokratie erreicht haben könnte.
Doch auch ohne die neuesten Erkenntnisse von Sonderermittler Robert Mueller war die Besorgnis vor dem Gipfel schon groß - unter anderem wegen der besonderen Persönlichkeiten, die da an der Spitze der beiden größten Atommächte der Welt aufeinandertreffen.
Die Konflikte zwischen Trump und Putin
An der Ukraine im Osten Europas hat sich 2014 das schwerste Zerwürfnis zwischen Russland und den USA mit ihren Verbündeten seit dem Kalten Krieg entzündet. Wegen der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland und wegen des verdeckten russischen Militäreinsatzes für Separatisten in der Ostukraine haben die USA und die EU Sanktionen verhängt. Mehr als 10.000 Menschen sind im Osten der Ex-Sowjetrepublik getötet worden, eine Lösung steht aus. Allerdings wird die Sanktionspolitik in Washington vor allem von Kongress und Außenministerium betrieben. Trump selbst hat gesagt, auf der Krim sei doch immer Russisch gesprochen worden.
Im Syrien-Krieg hat Russland als militärische Schutzmacht von Präsident Baschar al-Assad eine starke Stellung. Die USA sind in Syrien zwar militärisch präsent, doch ihr Einfluss ist begrenzt. Trump will die Truppen vollständig abziehen. Er hofft aber auf eine Zusage Putins, den Iran aus Syrien heraus zu drängen. Der US-Präsident wie auch Israel sehen Teheran als Hauptproblem im Nahen Osten. Für Russland ist der Iran eher ein Partner. Auch kann Moskau nach eigenem Bekunden das syrisch-iranische Verhältnis kaum beeinflussen.
Das ausgeklügelte System der nuklearen Rüstungskontrolle ist in die Jahre gekommen und braucht eine Erneuerung. Selbst das jüngste und weitreichendste Abkommen, der New START-Vertrag von 2010, läuft 2020 aus. Russland und die USA werfen einander vor, den INF-Vertrag über das Verbot von Mittelstreckenraketen zu verletzen.
Trump ärgert sich über die geplante russisch-deutsche Erdgaspipeline durch die Ostsee. Wegen Nord Stream 2 machte er Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Nato-Gipfel heftige Vorwürfe. Aus Moskauer Sicht geht es um Konkurrenz: Die USA wollten ihr Flüssigerdgas nach Europa verkaufen. Washington hält schon die Gesetze bereit, um Nord Stream 2 mit Sanktionen zu verhindern.
Jeder russisch-amerikanische Kontakt ist derzeit vergiftet durch den Verdacht, dass Moskau sich in die US-Präsidentenwahl 2016 eingemischt hat. Geheimdienste in Washington haben Belege für Hackerattacken auf Computer der Demokraten gesammelt. Der Präsident sieht die Vorwürfe als Hexenjagd. Putin hat ihm schon vergangenes Jahr erläutert, dass an der Sache nichts dran ist. Doch die Einmischung war auch Auslöser einer ganzen Kette gegenseitiger Ausweisungen von Diplomaten und Schließungen von Konsulaten. Die Arbeit der Botschaften auf beiden Seiten leidet bis heute darunter.
Trump, der schon eine ganze Europa-Reise lang die Nato und die EU schlecht gemacht und unter Druck gesetzt hat. Und der trifft den russischen Präsidenten, für den die Nato der Feind und die EU allenfalls eine lästige Größe ist. Was ist, wenn die beiden mächtigen Männer Vereinbarungen zu Lasten Dritter treffen? Aber nein, um einen Handel gehe es nicht, versuchte Putins Sprecher Dmitri Peskow die Befürchtungen zu dämpfen. Das Wort sei „absolut unangebracht“.
Zu den Chancen von Helsinki zählt, dass überhaupt wieder ein Gesprächsfaden zwischen den USA und Russland geknüpft wird. Das Verhältnis ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. „Moskau will eine Eskalation des Drucks der USA verhindern“, schrieb der Außenpolitik-Experte Wladimir Frolow in der Zeitung „Moscow Times“. Dass die Demokraten nach den Enthüllungen von Vize-Justizminister Rod Rosenstein eine Absage des Treffens forderten, passt in dieses Bild.
Zu den Risiken des Treffens gehört das Gefälle zwischen den Teilnehmern. Trump, notorisch sprunghaft, außenpolitisch ein Neuling, ein Mann mit einer großen und nicht ganz erklärbaren Vorliebe für Putin. Der Milliardär, dessen unklare Verbindungen zu Russland ebenfalls von Sonderermittler Mueller durchleuchtet werden. Und da ist Putin, der erfahrene Agentenführer, der Menschen zu lenken versteht. Zu welchen bedachten oder unbedachten Zugeständnissen kann er Trump bringen?