WirtschaftsWoche: Professor Heinemann, US-Präsident Donald Trump will die Unternehmenssteuern in den USA von 35 auf 15 Prozent senken. Welche ökonomischen Folgen hätte ein solcher Schritt?
Friedrich Heinemann: Die USA sind bisher ein Hochsteuerstandort. Setzt Trump seine Steuersenkung durch, liegen die USA im Vergleich der Industrieländer nur noch im Mittelfeld. Und in jedem Fall wäre die effektive Steuerlast der Unternehmen in den USA dann niedriger als in Deutschland. ZEW-Berechnungen zeigen, dass die effektive Steuerlast in Deutschland rund 28,2 Prozent beträgt, in den USA wären es dann nur noch rund 21,6 Prozent. Das ist ein kräftiger neuer Impuls für den internationalen Steuerwettbewerb.
Zur Person
Friedrich Heinemann ist Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg.
Ist dieser Impuls für Sie positiv oder negativ? Droht unter den Industriestaaten jetzt ein ruinöser Steuerwettlauf nach unten?
Auf jeden Fall wird der Steuerwettbewerb wieder angeheizt, der nach der Finanzkrise nahezu zum Stillstand gekommen ist. Von einem ruinösen Wettlauf würde ich aber nicht sprechen. Die USA haben in der Steuerpolitik zweifelsfrei Handlungsbedarf. Es könnte sogar sein, dass die niedrigeren Sätze zu mehr Transparenz führen, weil Gewinne nicht mehr so stark aus reinen Steuergründen rund um den Globus hin- und herverlagert werden.
Und was die deutschen Unternehmen betrifft: Wer wie etwa die Autoindustrie in den USA produziert und dort Wertschöpfung hat, der wird an Trumps Steuerplänen große Freude haben. Im Übrigen gibt es ein kollektives Aufatmen unter Politikern und Ökonomen in Europa, dass Trump mit seinen Reformplänen innerhalb des Steuersystems bleibt und keine Revolution anzettelt. Die Pläne für eine neuartige Importsteuer sind ja offenbar vom Tisch.
Muss die deutsche Politik reagieren, wenn Trump seine Steuerpläne durchsetzt?
Die deutsche Bundesregierung ist unabhängig von den USA gut beraten, in der nächsten Legislaturperiode das Steuer- und Abgabenthema ganz oben auf die Agenda zu setzen. Hier war die Politik in den vergangenen Jahren viel zu passiv und hat im Grunde nur umgesetzt, was ihr die Gerichte vorgeschrieben haben – Stichwort Erbschaftsteuer.
Trump baut darauf, dass die sinkenden Steuern zu mehr Wachstum führen und sich die Steuerreform sozusagen selbst finanziert. Wie realistisch ist das?
Das wird nicht zu 100 Prozent funktionieren. Ein Wachstumseffekt durch niedrigere Steuern kommt ja dadurch zustande, dass die Investitionen anziehen. Zum einen funktioniert das so genannte „Laffer-Curve-Argument“ nur mittel- und langfristig. Zum anderen läuft die Konjunktur in den USA aktuell gut, die Zinsen sind niedrig. Eine Steuersenkung wirkt mithin prozyklisch. Dass Unternehmen in dieser Phase auf Investitionen verzichten, weil ihnen die Steuerlast zu hoch ist, erscheint mir nicht plausibel.
Was bedeuten die Steuerpläne für den amerikanischen Staatshaushalt?
Die Steuerausfälle werden kurz- und mittelfristig massiv sein. Der US-Haushalt wird noch tiefer in die roten Zahlen rutschen. Ich bin sehr gespannt, ob sich die prinzipiell schuldenaversen Republikaner auf eine Gegenfinanzierung einigen können. Man kann auch nicht völlig ausschließen, dass die angespannte Haushaltslage am Ende die ganze Reform zu Fall bringt.