Donald Trump ließ sein Selbstlob per Pressemitteilung verbreiten. „Präsident Trumps 100 Tage historischer Errungenschaften“ prangt in Großbuchstaben über der Nachricht, die Anfang der Woche das Weiße Haus verließ. Es folgt eine beeindruckende Auflistung: Präsident Trump sei so vehement gegen die Einmischung des Staates in das Leben der Amerikaner vorgegangen wie kein anderer Staatschef zuvor. Seit Franklin D. Roosevelt habe kein Präsident mehr Dekrete durchgesetzt als Präsident Trump. In 100 Tagen habe Präsident Trump 28 Gesetze erlassen – Rekord seit Harry S. Truman.
Mit dieser Selbsteinschätzung steht Trump allerdings ziemlich alleine da. Seine ersten 100 Tage im Amt seien die schlechtesten gewesen, seitdem es die 100-Tages-Marke gibt, schrieb die "New York Times".
Die Präsidentschaft von Trump sei schon jetzt ein schlechter Scherz, urteilte "Vanity Fair". Die Macher der Fernsehserie Simpsons widmeten den ersten 100 Trump-Tagen einen düsteren Clip.
100 Tage Donald Trump in Zahlen
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Im Internet vergleichen Wissenschaftler Trumps Ergebnisse seit Wochen mit seinen Wahlversprechen. Einen Leitfaden für die Analyse hatte Trump selbst geliefert. Noch vor der Wahl versprach er in einem „Vertrag mit den amerikanischen Wählern“ 28 Punkte, die er bis zur 100-Tages-Marke umsetzen wollte. Stück für Stück tragen die Wissenschaftler nun zusammen, welche Punkte der Präsident einhält – und welche nicht.
Die bisherige Bilanz ist durchwachsen bis mies. Trump konnte nur wenige Versprechen einlösen – und vor allem jene, die sich per Dekret regeln lassen. Bei komplizierteren Gesetzen, für die Trump Mehrheiten organisieren muss, herrscht Chaos und Ratlosigkeit.
100 Tage Trump: Die Erfolge des 45. US-Präsidenten
Nach langem Gerangel setzte Donald Trump seinen Kandidaten für den Obersten Gerichtshof, Neil Gorsuch, doch noch durch. Der US-Senat nominierte den 49-jährigen Juristen Neil Gorsuch mit 54 Ja-Stimmen, 45 Senatoren stimmten gegen ihn. Um den konservativen Richter durchzuboxen, mussten die Republikaner allerdings die Abstimmungsregeln ändern. Eigentlich hätten sie 60 Prozent der Stimmen gebraucht.
Kurz vor Ende der 100-Tage-Frist präsentierte Trump plötzlich eine Steuerreform. Sie passt auf eine Seite, ist aber laut Trump die „größte der Geschichte.“ Trump will das Steuersystem radikal vereinfachen – und die Steuern senken. Wie er das finanzieren will: unklar. Ob die Reform durch den Kongress kommt: unwahrscheinlich. Bei Trumps Anhängern dürfte die Reform trotzdem gut ankommen.
Mit 59 Raketen ließ Trump einen syrischen Militärflugplatz bombardieren. Kurze Zeit später ließ er in Afghanistan die „Mutter aller Bomben“ detonieren. Obwohl Trump im Wahlkampf versprochen hatte, die USA aus internationalen Konflikten rauszuhalten, bekam er für die Militärschläge international viel Lob.
Es hatte 14 Jahre gedauert, das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP auszuhandeln – Trump benötigte einen Tag um es zu beerdigen. Damit machte er eines seiner Wahlversprechen wahr. Beim Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA zog Trump dagegen zurück. Er will es nun doch nicht aufkündigen.
Den Politologen Thomas Jäger überrascht die miese Trump-Bilanz nicht. Seit Jahren forscht er an der Universität Köln über die USA. Trumps Wahl und seine ersten Amtstage hat er genau verfolgt. Trump habe die Mechanismen der amerikanischen Politik von Anfang an nicht verstanden, sagt Jäger. Der Politologe zählt zwei Ursachen für Trumps Misserfolg auf.
Erstens habe Trump die Gerichte unterschätzt. Eines von Trumps Lieblingswerkzeugen ist das Dekret. Damit kann er seine Politik auch ohne Zustimmung der Legislative durchdrücken. Bereits 28 Mal griff Trump auf das Instrument zurück. Aber es hat einen Nachteil: Verstößt ein Dekret gegen Gesetze, können Richter den Erlass kippen. Genau das haben sie zum Beispiel bei Trumps Zuwanderungsdekret getan. „Trump dachte, er kann mit Dekreten durchregieren“, sagt Jäger. „Aber das funktioniert mit unabhängigen Richtern nicht.“
100 Tage Trump: Die Misserfolge des 45. US-Präsidenten
In einem „Vertrag mit den amerikanischen Wählern“ verkündete Trump im Wahlkampf großspurig, was er in den ersten 100 Tagen im Amt alles umsetzen wurde. Auch zehn Gesetzesvorhaben meldete er an. Bislang konnte Trump davon umsetzen: keines.
Er werde den „Sumpf“ in Washington trocken legen, versprach Trump im Wahlkampf. Er werde die persönlichen Verflechtungen in Washington entzerren – und die Bürokratie entschlacken. Anfang Januar setzte Trump einen Einstellungsstopp durch – nur um ihn im April wieder teilweise zurückzunehmen. Zu seinen Beratern im Weißen Haus zählen alte Vertraute, Goldman-Sachs-Banker und andere Veteranen aus Washington.
Ein Aufschrei ging um die Welt, als Trump das Dekret für einen Einreisestopp von Millionen Muslimen in die USA unterzeichnete. Allerdings hatte Trump die Rechnung ohne die Judikative gemacht. So schnell Trump das Dekret unterzeichnet hatte, so schnell kassierten es die Richter ein. Trump tobte, schob ein neues Dekret nach – und verlor erneut gegen das Recht.
Es war einer seiner Wahlkampfklassiker. Noch am ersten Amtstag werde er Obamacare kippen. Das verkündete Donald Trump in Dutzenden seiner Reden. Doch kaum im Amt merkte er, dass er dafür eine Kongress-Mehrheit braucht. Trump scheiterte, sie zu organisieren – und blies die Abstimmung über Obamacare ab. Einen Schuldigen hatte der Präsident schnell gefunden: den Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses, Paul Ryan. Auf ihn wälzte Trump die Niederlage ab – und stellte so einen seiner gefährlichsten Rivalen kalt.
Zweitens fehle Trump das Verständnis für seine Partei. Eigentlich hat Trump beste Voraussetzungen für große Reformen. In beiden Kammern des Kongresses, in dem in den USA über Gesetze abgestimmt wird, sind die Republikaner in der Mehrheit.
Trotzdem scheiterte Trump, als er Obamacare ins Nirwana schicken wollte. „Trump hat nicht erkannt, dass jeder Abgeordnete im Kongress auch eine Art Unternehmer ist, der sich um seine eigene Wiederwahl kümmern muss“, erklärt Jäger. Deswegen habe der Präsident den Widerstand aus der eigenen Partei unterschätzt.