USA und China Das Misstrauen zwischen Washington und Peking wächst

US-Außenminister Antony Blinken. Quelle: imago images

Ein Spionageballon über Montana verhindert den geplanten Besuch des US-Außenministers in China. Dabei wären gerade jetzt Gespräche zwischen Washington und Peking dringend notwendig.

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Das Objekt des Ärgers ist nicht groß. So lang wie zwei, vielleicht drei Busse sei der Ballon, den das US-Militär in etwas mehr als 18 Kilometern Höhe über dem amerikanischen Festland ausgemacht habe, heißt es im Pentagon. Über Alaska und Kanada sei er schließlich im Luftraum von Idaho und Montana gelandet. Derzeit schwebe der Ballon „irgendwo über der Mitte“ des Landes und werde noch einige Tage über den Vereinigten Staaten zubringen.

Gemessen an seiner Größe hat das weiße Flugobjekt jedoch bereits gehörigen Ärger verursacht. Es handle sich um einen chinesischen Spionageballon, teilte die Biden-Administration schnell mit. Dass er ausgerechnet über Montana gesichtet wurde, der Heimat von 150 Atomraketensilos, bestärkt diesen Verdacht.

Peking wies den Vorwurf umgehend zurück. Der Ballon sei zu zivilen Forschungszwecken gestartet worden und vom Kurs abgekommen. Eine Erklärung, die in Washington niemand ernsthaft glaubt. Die Konsequenz: Ein lange geplanter Besuch von US-Außenminister Antony Blinken, der eigentlich am Sonntag in China landen sollte, wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Die USA haben einen mutmaßlichen chinesischen Spionageballon über dem Atlantik abgeschossen. Was hat er in den USA gemacht? Ist er Spionagesatelliten etwa überlegen? Antworten auf die wichtigsten Fragen. 
von Thomas Stölzel, Jannik Deters, Sonja Álvarez

Der Zwischenfall ist ein Rückschlag für das chinesisch-amerikanische Verhältnis – die wichtigste bilaterale Beziehung auf dem Planeten. Seit Jahren wächst das Misstrauen zwischen Washington und Peking. Unter Ex-US-Präsident Donald Trump lieferten sich beide Seiten einen zermürbenden Handelskrieg, der beide Volkswirtschaften schwächte. Es folgten Verwerfungen während der Bekämpfung der Coronapandemie.

Nach Trumps Auszug aus dem Weißen Haus könne es nur aufwärts gehen, hatten Beobachter ursprünglich geglaubt. Doch Präsident Joe Biden führte den harten Kurs gegen China zunächst fort. Ein erstes Treffen zwischen Blinken und seinem damaligen Gegenpart Wang Yi in Alaska endete frostig. Immer wieder verhängten die Amerikaner wegen Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang neue Sanktionen gegen China und setzte neue Exportkontrollen für moderne Halbleitertechnologien in Kraft. Zwar hielt die Administration die Gesprächskanäle nach Peking stets offen, doch auch unter Biden schienen die Beziehungen zunächst vor allem von Konkurrenz geprägt zu sein.

Die Air Force Base Malmstrom im Norden der USA, aufgenommen von einem Satelliten am 10. Januar. Quelle: Sentinel

Das hat Gründe. In Washington sieht man China zunehmend als Rivalen – wirtschaftlich wie geopolitisch. Das Gefühl, dass sich China seinen wachsenden Wohlstand mit unfairen Handelspraktiken auf Kosten der amerikanischen Bevölkerung erschlichen hat, ist mittlerweile tief in der US-Gesellschaft verankert. Sogar zu Hochzeiten des amerikanisch-chinesischen Handelskriegs unter Trump war die Unterstützung für das harte Vorgehen der damaligen Administration deshalb hoch – auch wenn etwa Farmer im Mittleren Westen unter den Auswirkungen schwer zu leiden hatten.

Die Biden-Administration setzt zwar auf ein anderes Vorgehen, mehr im Einklang mit den Verbündeten, doch ihr Ziel ist das Gleiche: Auch sie will China von seinen Handelspraktiken abbringen und damit faktisch einen Umbau des Wirtschaftsmodells der Volksrepublik erreichen. Hinzu kommen verteidigungspolitische Überlegungen. Dass Chinas Militäretat in den vergangenen Jahren deutlich angewachsen ist, wird in Washington genau verfolgt.

Gleiches gilt für die Drohgebärden gegenüber Taiwan. Peking sieht in der Insel eine abtrünnige Provinz, die USA einen Verbündeten in der Region, dessen De-Facto-Unabhängigkeit gewahrt bleiben müsse. Zwar vermeidet es Biden wie jeder seiner Vorgänger, Taiwan als souveräne Nation zu bezeichnen.

Doch dass er die Insel gegen einen Angriff des Festlands auch militärisch verteidigen würde, hat er bereits mehrfach betont. Zwar war das Weiße Haus stets bemüht, festzuhalten, dass die Worte des Präsidenten keine Abkehr von der offiziellen Ein-China-Politik bedeuteten. Das Signal an Peking war dennoch unmissverständlich.

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im vergangenen Jahr hat Washingtons Position in dieser Frage an zusätzlicher Bedeutung gewonnen. Mancher Beobachter sah in der Unterstützung für Kiew auch einen Testfall für die Reaktion des Westens, sollte Peking militärisch gegen Taiwan losschlagen. Ein zusätzliches Signal sendete im vergangenen Sommer Nancy Pelosi, damals noch Sprecherin des Repräsentantenhauses, die als ranghöchste US-Politikerin seit Jahren Taipeh besuchte. Peking reagierte mit der Absage von geplanten bilateralen Gesprächen – und einer großen Militärübung.

Blinkens bedeutungsschwangere Reise

Die Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt waren also schon einmal besser. Trotzdem hatte es zuletzt Anzeichen gegeben, dass sie sich zumindest nicht weiter verschlechtern würden. Im Herbst hatten Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping sich am Rande des G20-Treffens in Bali erstmals wieder persönlich getroffen. Blinkens geplante Reise sollte auf diesem Fortschritt aufbauen.

Zwar waren die inhaltlichen Erwartungen an den Trip äußerst niedrig. Doch allein, dass der Besuch stattfinden sollte, war ein Signal. Blinken, so wurde durchgestochen, dürfte sich auf einen freundlichen Empfang einstellen, wohl auch mit Xi zusammentreffen – ein deutlicher Kontrast zum letzten Besuch eines US-Außenministers. 2018 war Trumps Chefdiplomat Mike Pompeo in Peking mit kurzen Gesprächen ohne übliches Abendessen abgekanzelt worden. Diesmal sollte es anders werden. Doch dann entdeckte das US-Militär den Ballon.

Trotzdem scheinen beide Seiten bemüht, die Beziehungen nicht weiter abkühlen zu lassen. China drängt auf einen Neustart der Beziehungen, Blinken selbst betonte das Bedauern, das sein chinesischer Gegenpart über den Ballon zum Ausdruck gebracht hatte und kündigte an, den Besuch nachzuholen „sobald es die Umstände zulassen“. Wann genau das sein wird, lässt sich derzeit allerdings noch nicht absehen.

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Derweil bleibt der Druck auf die Biden-Administration hoch, keine Schwäche gegenüber China zu zeigen. Im von den Republikanern dominierten Repräsentantenhaus gibt es seit einigen Wochen einen Ausschuss, der sich nur mit der Konkurrenz zu China befassen soll – eingesetzt mit den Stimmen beider Parteien. Zuletzt machte das Memo eines Luftwaffengenerals die Runde, der eine militärische Konfrontation der beiden Mächte bereits im Jahr 2025 erwartet. Die meisten China-Analysten in Washington halten das zwar für unwahrscheinlich. Dass eine weitere Verschlechterung des wichtigsten bilateralen Verhältnisses der Welt jedoch riskant wäre, bezweifeln allerdings auch die wenigsten.

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