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Ein ganzes Land muss im Kopf umparken

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Apple ist fast so viel wert wie der Dax, Tesla übertrifft Volkswagen. Jetzt weinen die Deutschen um vergangene Größe – statt wahre Helden zu feiern.

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Es riecht ein bisschen nach Blackberry. Jedenfalls sind es schlimme Tage für made in Germany. Kaum hatten sich die Deutschen mit der Nachricht abgefunden, dass E-Auto-Bauer Tesla an der Börse mehr wert als Volkswagen ist, folgte die nächste Hiobsbotschaft: Nun war Tesla zeitweise sogar mehr wert als Volkswagen und BMW zusammen. Und als wäre das nicht genug, bringt Apple seit Kurzem eine Kapitalisierung von rund 1,3 Billionen Euro auf die Waage – fast so viel wie alle Dax-Konzerne.

Mehr Zutaten für eine Weltuntergangsstimmung braucht es nicht. Die totale Disruption erfasst die Industrienation Deutschland und droht aus ihr den Opel der Weltwirtschaft zu machen, erzählen die Dr. Dooms. Soft- statt Hardware bestimmt die neue Welt und damit die Albträume der Ingenieure. Die Börse handelt die Zukunft, und die spielt angeblich nicht zwischen Nord- und Bodensee.

Überall erscheinen Nachrufe auf die Dinosaurier der einstigen Deutschland AG, nach der sich mancher zurücksehnt. Egal, ob Thyssenkrupp, Deutsche Bank oder Siemens, alles wird zerlegt oder gesundgeschrumpft. Corporate Germany befindet sich in Auflösung, so heißt es. Aktivisten kaufen sich ein, Konkurrenten eilen davon, und die Produkte riechen nach Diesel. Selbst VW-Chef Herbert Diess will nun so werden wie Elon Musk. Er bezweifelt allerdings, ob die Zeit dafür noch reicht. Mehr Alarm war selten. Weniger Selbstvertrauen auch.

Doch das börsengetriebene Weinen um vergangene Erfolge verstellt gerade den Blick für die Chancen der Zukunft. Ein ganzes Land muss im Kopf dringend umparken. Nicht zurück zu alter Größe ist die Lösung, sondern vorwärts in die globale Nische. Die Sehnsucht nach dem eigenen Google oder Alibaba ist Energieverschwendung. Deutschlands Zukunft wird nicht die populäre Massenmarke sein, sondern die digitale Weiterentwicklung seiner industriellen Premiumtradition. Mit cleveren Business-to-Business-Lösungen sind viele Weltmarktführer die wahren Helden im Maschinenraum der Weltwirtschaft.

Mit der richtigen Nutzung des industriellen Datenschatzes werden sie das auch bleiben. Der Reichtum an Know-how und Qualität ist die Überlebensversicherung. Das gilt auch für eine bald arg geschrumpfte Auto- und Stahlindustrie. Stangenware können alle, für die lukrative Luxusklasse braucht es mehr. „Love what you do“ reicht nämlich nicht für Premium. Das war der Werbeslogan von Blackberry.

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