Bundesregierung Die Wirtschaft begrüßt das Zuwanderungsgesetz

Die Wirtschaft begrüßt das Zuwanderungsgesetz Quelle: imago images

Während die AfD und die FDP erwartungsgemäß kritisch reagieren, bekommt das geplante Zuwanderungsgesetz nicht nur aus den eigenen Reihen Lob. Winfried Kretschmann und die Bauindustrie sind sich dabei einig.

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Das von der Großen Koalition geplante Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz erntet neben Lob aus der Wirtschaft und von den Grünen auch deutliche Kritik aus der Opposition. Umstritten war vor allem die Schaffung von Möglichkeiten für abgelehnte Asylbewerber als Fachkräfte einen sicheren Aufenthaltstitel zu erhalten. Dies soll nach dem aktuellen Eckpunktepapier unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland interpretiert die Koalitionsvereinbarung als Täuschung der Bürger. „Asyl und Einwanderung werden nun bis zur Unkenntlichkeit vermischt“, kritisierte Gauland am Dienstag. Die Möglichkeit, einer Abschiebung zu entgehen, werde damit „massiv ausgebaut“. Gauland interpretierte den Beschluss so, dass der Spurwechsel entschieden ist, aber „nicht mehr so genannt werden“ soll. „Damit wollen die Koalitionsparteien die Deutschen obendrein täuschen“, sagte der Partei- und Fraktionschef der AfD.

Die Probleme der bislang unsystematischen Einwanderungspolitik seien „nicht im Ansatz gelöst“, kritisierte FDP-Chef Christian Lindner am Dienstag nach einem Besuch der Landtagsfraktion seiner Partei in Nordrhein-Westfalen. „Das ist nicht der große Wurf, den wir brauchen.“ Nötig seien eine Beschleunigung der Asylverfahren, ein besseres Abschiebe-Management und Entbürokratisierung beim Zuzug von Fachkräften. Alle Möglichkeiten müssten in einem Einwanderungsgesetzbuch sortiert werden. Lindner warb erneut für ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat den Kompromiss im Grundsatz als sehr positiv bewertet. „Damit sind wir jetzt wirklich offiziell ein Einwanderungsland“, sagte der Grünen-Politiker. Deutschland müsse sich im globalen Wettbewerb um beste Arbeitskräfte noch mehr anstrengen. Dass endlich zwischen dem Flüchtlingsregime und der Einwanderungspolitik „sortiert“ werde, sei die erste Voraussetzung, dass Humanität und Ordnung wirklich zum Maßstab würden. Das sei auch eine Chance, dass in Europa zwischen Asyl und Einwanderung unterschieden werde. Filiz Polat, Grünen-Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Migration und Integration ihrer Partei ist dagegen noch unzufrieden: Das Konzept der Koalition setze „kein klares Zeichen für den Spurwechsel“, twitterte sie. Damit gebe es „weiterhin Unsicherheit bei Betrieben und geduldeten Flüchtlingen“.

Nach dem neuen Gesetz sollen Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten künftig zur Arbeitsplatzsuche für sechs Monate nach Deutschland einreisen dürfen. Voraussetzung sind eine qualifizierte Ausbildung und Deutschkenntnisse. Konkrete Kriterien für abgelehnte Asylbewerber, die mit einem Duldungsstatus in Deutschland leben, fehlen in dem Eckpunktepapier. Das soll später im Aufenthaltsrecht geregelt werden. Wörtlich heißt es im beschlossenen Eckpunktepapier der Koalition: „Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration halten wir fest. Wir werden im Aufenthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind.“ Die SPD hatte den sogenannten Spurwechsel aus dem Asylverfahren in die Erwerbsmigration gefordert: Er würde abgelehnten Asylbewerbern ein Bleiberecht ermöglichen, wenn sie gut integriert sind und einen Arbeitsplatz haben. Vor allem die CSU war dagegen.

In der Wirtschaft wurde der Koalitionsbeschluss meist begrüßt. „Qualifizierte Zuwanderung kann zur Linderung des Fachkräfteengpasses in der Bauwirtschaft beitragen. Das jetzt vorliegende Eckpunktepapier geht daher in die richtige Richtung“,  sagte Andreas Schmieg, Vizepräsident Sozialpolitik des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. „Es ist richtig, dass gesteuerte, qualifizierte Zuwanderung und Asylverfahren klar getrennt sein sollen. Die bestehenden Möglichkeiten für Menschen mit Aufenthaltsduldung, die einige Zeit in Deutschland gelebt und sich gut integriert haben, befürworten wir jedoch.“ Die Forderung, dass eine Qualifizierung der Zuwanderer in der Regel gleichwertig mit einer deutschen Berufsausbildung sein müsse, sei allerdings besonders bei den breit aufgestellten Bauberufen kaum zu erfüllen. „Unser duales Ausbildungssystem, das eine umfassende berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt, ist einmalig auf der Welt. Man kann von Zuwanderern daher in vielen Berufen nicht verlangen, einen gleichwertigen Abschluss vorzuweisen. Damit würde die Regelung geradezu ins Leere laufen“, sagte Schmieg.

Auch der Verein deutscher Ingenieure (VDI) begrüßt den Beschluss:  „Seit vielen Jahren schon wirkt sich der Fachkräfteengpass negativ auf den Wirtschaftsstandort Deutschland aus. Eine gesteuerte Einwanderungspolitik ist daher längst überfällig“, sagt VDI-Direktor Ralph. „Wir gehen davon aus, dass trotz auch unserer umfangreichen Bemühungen bei der Nachwuchswerbung die erwartbaren Absolventenzahlen bis 2029 den Ingenieurbedarf nicht vollständig decken, denn es werden vorsichtig gerechnet etwa 100.000 Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Informatiker fehlen.“

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