Clemens Fuest „München braucht mehr Raum für Experimentelles“

Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts in und Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität München. Quelle: dpa

Bei Wirtschaftskraft und Dynamik ist München von keiner deutschen Stadt zu schlagen. Wie lebt es sich an der Isar? Ein sehr persönliches Gespräch mit ifo-Präsident Clemens Fuest – einem Münsterländer.

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Clemens Fuest, 52, ist seit April 2016 Präsident des ifo Instituts, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen.

WirtschaftsWoche: Herr Fuest, München ist…
Clemens Fuest: … die schönste Stadt in Deutschland und sicherlich eine der attraktivsten in Europa.

Woran machen Sie das fest?
München bietet hochkarätige Kultur, Kunst, und Wissenschaft, eine wunderbare Umgebung und ist national und international sehr gut angebunden. München ist groß genug, um spannend zu sein, aber nicht so groß, dass es lästig wird.

Waren das auch Ihre Eindrücke, als Sie zum ersten Mal für längere Zeit nach München kamen? Als gebürtiger Münsteraner zogen Sie 1995 nach München und haben hier bis zu Ihrer Habilitation 2001 gelebt.
Mein Eindruck war auch damals sehr positiv, auch wenn ich weniger Zeit als erhofft hatte, zu nutzen, was München und Umgebung bieten. Es war die Zeit meiner beruflichen Entwicklung, außerdem kamen unsere beiden älteren Kinder hier zu Welt. Als ich 2015 mit meiner Familie zurückkehrte, kannten wir die Stadt schon gut und hatten bereits Freunde hier.

Wie lange hat es gedauert, ehe Sie sich hier heimisch fühlten?
In der Universität ging es schnell, im privaten Bereich hat es einige Zeit gedauert.

Galt das auch für Ihre Familie?
Vor allem durch die Kinder haben wir viele Kontakte bekommen. Als wir uns 2015 entschieden, nach München zurückzukehren, war meine Frau eine treibende Kraft. Sie fühlt sich in München sehr wohl.

Wo verbringen Sie am liebsten Ihre Freizeit?
In den Bergen.

Was stört Sie in München?
Höchstens der Stau auf dem Weg in die Alpen. 

Als Finanzwissenschaftler beschäftigen Sie sich nicht nur mit Geld, sondern auch mit den Bedingungen, die einen Staat ausmachen - oder eben eine Stadt. Was also macht München seit Jahren zur wirtschaftsstärksten Großstadt in Deutschland?
Es ist eine Mischung aus glücklichen Fügungen und klugen wirtschaftspolitischen Entscheidungen. München hatte das Glück, dass nach dem Zweiten Weltkrieg große Unternehmen ihren Sitz aus Berlin nach München verlegten. Klug war zum Beispiel die Politik, Technologie und Wissenschaft stark zu fördern und München durch den Flughafen national und international gut anzubinden. München ist heute eine weltweit bekannte Marke. Ich bin immer wieder fasziniert davon, dass Menschen, die ich auf Reisen in Ostasien oder in Südamerika treffe, mich häufig auf das Oktoberfest ansprechen. Ich sage dann immer, dass es in München noch andere spannende Dinge gibt, aber die Ausstrahlung ist erstaunlich. 

Birgt die wirtschaftliche Stärke die Gefahr eines gewissen Hochmuts - oder einer ökonomisch riskanten Beratungsresistenz?
Das sehe ich in Bayern und in München nicht. Hier herrscht erheblicher Ehrgeiz und das Bewusstsein, dass man sich nicht auf Erfolgen ausruhen darf, weil der Strukturwandel beispielsweise die Automobilindustrie herausfordert und der technische Wandel immer schneller voranschreitet. München orientiert sich an weltweit führenden Standorten für Wissenschaft und Technologie wie dem Silicon Valley oder dem Großraum London. Das ist unbequem, aber richtig, wenn man erfolgreich bleiben will.

Diese Städte haben sich am besten entwickelt
Städteranking: Stuttgart liegt auf Rang 10 im Dynamikranking Quelle: imago images
Städteranking: Nürnberg auf Platz 9 im Dynamik-Ranking Quelle: imago images
Städteranking: Leipzig auf Platz 8 im Dynamik-Ranking Quelle: dpa
Städteranking: Ulm liegt auf Platz 7 im Dynamikranking Quelle: imago images
Städteranking: Lübeck liegt auf Platz 6 im Dynamikranking Quelle: imago images
Städteranking: Frankfurt am Main auf Platz 5 im Dynamik-Ranking Quelle: dpa
Städteranking: Erlangen liegt auf Platz 4 im Dynamikranking Quelle: imago images

Wo hat München noch Nachholbedarf?
München braucht mehr Raum für Experimentelles und Nicht-Etabliertes. Innovationskraft erfordert Vielfalt ­- und auch Unfertiges. Und ganz klar: München ist auch ein teurer Standort…

…vor allem bei Wohnimmobilien, egal ob man mietet oder kauft. Könnte sich dieser Standortnachteil noch ausweiten – etwa weil künftig die Arbeit im Home Office zunimmt?
Vor allem für junge Familien ist München ein schwieriger Standort. Die hohen Preise erschweren es auch der Wirtschaft, im Wettbewerb um Talente mitzuhalten.  Die hohen Immobilienpreise sind aber letztlich auch Ausdruck der hohen Attraktivität der Stadt. Und was die Arbeit im Home Office betrifft: Da kann eine verstärkte Nutzung hier sogar helfen, weil es dadurch möglich wird, weiter vom Arbeitsplatz entfernt zu wohnen.

>> Hier finden Sie alle Beiträge zum großen Städteranking der WirtschaftsWoche.

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