Entscheiderpanel Erstes Jahreszeugnis der Ampel: Schlecht wie noch nie

Die Zufriedenheit mit dem Fortschritt der Ampelkoalition sinkt Quelle: dpa

Ein Jahr ist die Koalition aus SPD, FDP und Grünen im Amt. Die Erwartungen an die neue Regierung waren mindestens so groß wie ihr Selbstbewusstsein. Doch das Civey-Entscheiderpanel für die WirtschaftsWoche zum Jubiläum zeigt: So wenig Vertrauen genoss das Ampel-Spitzenpersonal noch nie.

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Als Lars Klingbeil kürzlich in einem Interview gefragt wurde, welche Note er der Ampel geben würde, antwortete er mit: 3+. Der SPD-Chef gehört zum innersten Zirkel der Koalition; wenn er also „befriedigend“ sagt, lautet die ehrliche Übersetzung folgendermaßen: In Wahrheit, Leute, funktioniert das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP bestenfalls ausreichend.

Deutschlands Entscheider in der Wirtschaft gehen mit ihrer kritischen Betrachtung sogar noch erheblich weiter. Die Spitzenkräfte der drei Ampelpartner stehen im Ansehen so schlecht da wie noch nie seit ihrem Amtsantritt am 8. Dezember 2021, zeigt das neueste WirtschaftsWoche-Entscheiderpanel.

Natürlich geben sich Koalitionäre in diesen Tagen alle Mühe, die Erfolge herauszustreichen und jeden zurückliegenden Streit kleinzudeuten. Die Frequenz an Hintergründen, in denen Politikerinnen und Politiker der Regierung ihre eigene, meist natürlich wohlwollende Bilanz präsentieren, ist jedenfalls bezeichnend hoch. Und ja, zur Fairness gehört: der Krieg und die Zeitenwende standen in keinem Koalitionsvertrag. Es hat schon leichtere erste Jahre für neue Bundesregierungen gegeben.

Die Public-Affairs-Manager der großen Unternehmen setzen Habeck und Baerbock an die Spitze – die Kommunikation von Kanzler Scholz hingegen wird schlechter bewertet. Viel Zustimmung erhält auch die Union.
von Daniel Goffart

Auf der Habenseite stehen beispielsweise: gefüllte Gasspeicher und eine robustere Konjunktur, als das noch vor wenigen Monaten zu hoffen gewesen wäre. Erste Fortschrittsversprechen nehmen Form an, progressive Konturen werden sichtbar, bei der Aktienrente oder der Einwanderungspolitik. Auch die Handelspolitik könnte einen Sprung nach vorne machen. Das ist nicht nichts.

Allein: Angesichts der jüngsten 200 Milliarden Euro teuren Energiepreisbremsen drängt sich die Frage geradezu auf, ob die ersten 95 Milliarden für mehrere Entlastungspakete nicht weitgehend Pseudo-Politik waren, kostspielige Beruhigungspillen. So sündhaft teuer darf politischer Druckabbau niemals sein (auch dann nicht, wenn als Zufallsprodukt eine Reform des Nahverkehrs dabei herausspringt). Der Atomstreit des Sommers war ein Trauerspiel, die Gasumlage ebenso. Die Ausrüstung der Bundeswehr existiert bisher nur auf dem Papier. Solide Haushaltspolitik mag es rhetorisch noch geben, aber de facto werden der Verschuldung keine Schranken gesetzt. Und dann wäre da die mittlerweile ebenso chaotische wie irritierende Suche nach einer deutschen Chinastrategie: Wenn schon Annalena Baerbock und Robert Habeck keine gemeinsame Sprache finden, wie soll es dann der Regierung gelingen?

Entscheider

So weit also, in kurzen Schlaglichtern, zur Sachbilanz. Demoskopisch fällt das Urteil klarer aus. Soll heißen: negativer. In den Augen der Entscheiderinnen und Entscheider in der deutschen Wirtschaft überlagern die Ampel-Defizite eindeutig ihre Erfolge. Das belegen die Umfragewerte für die drei Spitzen von SPD, Grünen und FDP unmissverständlich.

Da wäre zuerst der SPD-Kanzler: Olaf Scholz genoss noch nie die besondere Zuneigung von Selbstständigen und Managerinnen. Im ersten Jahr hat er zudem fast nur aus sozialdemokratischer Sicht abgeliefert: 12 Euro Mindestlohn und das Bürgergeld. Eine Zeitenwende in Sachen Anerkennung aus der Wirtschaft ist deshalb nach nun zwölf Monaten in Verantwortung überhaupt nicht zu erkennen: So ernüchternd waren die Werte im Entscheiderpanel, das die Meinungsforscher von Civey exklusiv für die WirtschaftsWoche erheben, für ihn noch nie. Vertrauen in und Zufriedenheit mit dem neuen Mann im Kanzleramt sähen wahrlich anders aus.

Auch für Robert Habeck, den Vizekanzler und Wirtschaftsminister, fällt der Befund kaum besser aus. Im Frühsommer setzte der Grüne kurz zu einem Höhenflug an, doch damit war es schon kurze Zeit später vorbei. Ob er im kommenden Jahr mit dem versprochenen Fokus auf Industriepolitik und Standort mehr punkten kann? Abwarten.

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Bleibt FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner. Zu Oppositionszeiten genoss er meist das größte Vertrauen der deutschen Führungskräfte. Allerdings bietet sich auch bei ihm mittlerweile ein trübes Bild: Die großen Erwartungen hat Lindner nach seinem Wechsel in Amt und Würden bisher nicht erfüllen können. Vom Finanzminister erwarten sie mehr als von den anderen Kabinettsmitgliedern. Doch der viel beschworene Fortschritt, er lässt für die Wirtschaftselite einfach noch zu sehr auf sich warten.

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